Biografie von Edelgard Köhne 27.03.1927 - 23.08.2024
Edelgard Margarethe Christa Köhne wurde am 27.03.1927 in Schollene geboren. Ihr Vater, Alfred Köhne, (16.11.1896 -12.03.1944) war Tischler in Schollene. Der Vater war wegen eines Nervenleidens in der Klinik-Jerichow und wurde dort wahrscheinlich ermordet. Ihre Mutter Pauline Köhne, geborene Langer, (16.11.1890 -19.01.1982) war Hausfrau. Ihre Mutter brachte einen achtjährigen Sohn Heino mit in die Ehe. 1925 wurde ihr Bruder Alfred geboren. Ihr Bruder Martin wurde am 01.08.1928 geboren. Edelgard Köhne wurde am 26.06.1927 in der Dorfkirche Schollen getauft. Die Mutter war mit drei Kindern völlig überfordert. Deshalb bot die Patentante Elli Wiedecke (19.01.1887 -04.1971) an, die Mutter etwas zu entlasten und holte die kleine Edelgard jeden Morgen zu sich und lieferte sie abends wieder bei der Mutter ab. Die Patentante wohnte gleich über der Straße in einem schönen Haus in Schollene, Weinbergstr. 8. Die Familie wohnte sehr beengt. Die Brüder mussten in einem Bett schlafen. Als Edelgard zwei Jahre alt war, durfte sie bei Tante Elli Wiedecke auch schlafen. Edelgard war ein niedliches kleines Mädchen und war so schön wie ein Puppe. Die Tante nannte sie deshalb immer "Puppi." Bald sagten alle zu ihr "Puppi." Für Edelgard wurde der Name "Puppi" so geläufig, dass ihr ihr richtiger Vorname fremd vorkam. Das Zuhause wurde zunehmend bei Tante Elli in der Weinbergstraße 8 in Schollene und die Tante war glücklich, dass sie eine kleines Mädchen hatte, für das sie sorgen konnte. Für Edelgard Köhne war dadurch eine glückliche Kindheit garantiert. Der Vater baute für ihre Puppe ein Himmelbett auf Rädern, eine Puppenstube mit zwei Zimmern und einer Veranda mit Sonnendach. Der Puppenwagen, den sie für ihre Puppe bekam, war gebraucht und etwas unmodern. Schon als Kind hatte sie einen Sinn für Ästhetik und so gefiel ihr der Puppenwagen nicht so sehr. Edelgard Köhne wurde in Schollene eingeschult und bekam am ersten Schultag eine Schulmappe aus echten Rindleder mit Griffelkasten und Schiefertafel. An der Seite befand sich ein Loch in der Mappe, wo an einer Schnur Schwamm und Lappen befestigt waren. Natürlich erlernte sie Sütterlinschrift, die bis 1945 in Deutschland als Schreib- und Druckschrift galt. Mit 91 Jahren, nachdem sie also über 70 Jahre lateinische Buchstaben benutzte, müsste sie heute überlegen, wie die Sütterlinbuchstaben aussähen. Später schrieben alle Kinder natürlich mit Federhalter und Tinte in linierte Hefte. Eine Pausenklingel gab es damals noch nicht, der Lehrer klatschte einfach in die Hände und damit waren die Pausen beendet. Nachdem sie fünf Jahre die Volksschule in Schollene besucht hatte, kam sie zur Höheren Schule für Mädchen am Friedrich-Ebert-Ring in Rathenow, die sich "Lyzeum" nannte.
Sie wurde am 08.03.1942 von Pfarrer Ernst Detert in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche konfirmiert.
Ihr Konfirmationsspruch lautet: Der Herr ist gerecht in allen seinen Wege und heilig in allen seinen Werken." (Psalm 145,15).
Konfirmationsurkunde Vorderseite Konfirmationsurkunde Rückseite
An dem Tag lag in Rathenow haushoch Schnee. Es war der vierte Kriegswinter in Deutschland. Es gab zur Konfirmation keine Geschenke, aber sie bekam 48 Blumentöpfe. Die Mutter und Tante Elli hatten etwas Mehl und Zutaten gespart und ihr einen Kuchen gebacken. Dazu gab es Gerstenkaffee. Die Konfirmanden gingen alle in Schwarz. Edelgard Köhne trug ein schwarzes Samtkleid, was eine Schneiderin im Auftrag von Tante Elli hatte nähen müssen. Die Mädchen trugen alle weiße Handschuhe. In der Hand trug man das Gesangbuch mit einem Spitzentaschentüchlein und einem kleinen Strauß Maiglöckchen. Edelgard Köhne trug als Frisur einen Mozartzopf mit eine Samtschleife. Zum Feierlichen Festakt läuteten die Glocken beim Einzug der Konfirmanden mit Pfarrer Ernst Detert und die Gemeinde erhob sich von den Bänken. 1945 war am 8. Mai nach sechsjährigem Krieg wieder Frieden und das "Dritte Reich" war untergegangen. Edelgard Köhnewar 18 Jahre alt und für sie begann ein neuer Lebensabschnitt. Die Siegermächte bestimmten nun über die Deutschen und Edelgard Köhne musste für ein Jahr in eine Fabrik, wo die Maschinen abgebaut wurden und nach Rußland abtransportiert wurden. Ob sie jemals dort angekommen sind, weiß man nicht. Auch das zweite Bahngleis nach Berlin wurde rausgerissen. Wer sich weigerte, dort zu arbeiten, bekam keine Lebensmittelkarten. Es war ja alles rationiert: Fleisch, Mehl, Brot. Bezugsscheine gab es für Bekleidung und Schuhe. Dabei wurde vorher geprüft, ob man sie auch wirklich benötigte. Es gab auch Schuhe mit Holzsohlen, die bei jedem Schritt ein klapperndes Geräusch machten: Klapp! Klapp! Klapp! Wie lange dieses Bezugssystem dauerte, ist fast in Vergessenheit geraten. 1958 wurde in der DDR die Lebensmittelkarten teilweise abgeschafft und 1967 endgültig. Begonnen hatten aber die Nazis mit der Einführung solcher Rationierungsmaßnahmen. Schon als Schülerin waren Handarbeit und Zeichnen ihre Lieblingsfächer. In der Schule lernte sie Stricken, Häkeln, Sticken und erlernte auch den Gebrauch einer Nähmaschine, was ihr besonders Spaß machte. Zu Hause nähte sie eine Trägerschürze aus weißem Leinen, wo sie für den Hohlsaum die Fäden gut rausziehen konnte. Sogar ein Nachthemd hat sie sich genäht. Sie begann auf der Singer-Nähmaschine ihrer Mutter mit Fußbetrieb allerlei Sachen zu nähe wie Topflappen, Klammerschürzen, Brotbeutel und sogar Hüte aus Möbelstoff. Sie fertigte nicht nur diese Hüte an, sondern bezog auch Lampenschirme. Nebenbei nahm sie bei einer Porzellanmalerin Malunterricht, die auch Aquarelle malte. Das wurde nun ein Hobby, das sie bis in hohe Alter ausübte.
Erst mate sie nur Blumen und Gräser nach der Natur. Viel später malte sie auch Landschaften. In ihrer Wohnung befinden sich noch etwa 30 Gemälde gut angeordnet und werden von den Besuchern bewundert. Auch die Landschaften waren ihr gelungen. Mit 28 Jahren entshloss sie sich ihr Hobby zum Beruf zu machen und fing eine Ausbildung zur Schneidermeisterin an. Da sie weder eine Lehre als Schneiderin mit Berufsschule besucht hatte, erarbeitete sie sich ihr Fachwissen aus Büchern und bestand die Gesellinnenprüfung als Schneiderin und später auch die Meisterprüfung. Ohne die Meisterpräfung gab es kein Gewerbe in der DDR. In den Fachbüchern wurde alles gut beschrieben und es war auch alles in Bildern gezeigt, was man wissen musste. Sie hatte einen großen Kundenkreis und nähte Tag und Nacht. Da es in der DDR zuerst keine Modezeitschriften gab, kam ihr ihr zeichnerisches Talent zugute. Sie schaute sich die Kundinnen an und zeichnete sofort einige Modelle, wo sie glaubte, dass die zu der Kundin passen könnten. Es gab weit und breit keine Schneiderin mit so einem Talent. Nach 20 Jahren als Schneidermeisterin in Schollene, ging Edelgard Köhne nach Rathenow in ein Dienstleistungsbetrieb. Sie übernahm die Ausbildung der Lehrlinge, führte Kundenberatungen durch, leitete den Zuschnitt und machte Anproben. Nähen brauchte sie nun nicht mehr. Für das Nähen waren zehn Frauen extra angestellt worden. Das Gehalt war gut und sie hatte nun mehr Zeit für ihr Hobby, die Malerei. Sie trug jeden Tag ein anderes Kleid. Ihre Lieblingsgarderobe waen Dirndlkleider, die ihr besonders gut standen. Ein Dirndlkleid bemalte sie mit Stofffarbe, das dadurch so schön wurde, dass sich alle Leute nach ihr umdrehten. 1987 ging sie mit 60 Jahren in Rente. Geheiratet hatte sie nie. Sie war kein Familienmensch und wollte nie auf ihren Beruf und auf ihr Hobby verzichten. Der Beruf und die Malerei waren ihr Leben. Sie ging darin völlig auf. Sie war immer darauf bedacht, anderen Menschen mit kleinen Geschenken eine Freude zu bereiten, sei es nur ein kleiner bamalter Feldstein oder ein Lesezeichen. Sie bastelte gern und besonders gelangen ihr Geschenke. Sie machte auch aus den Dingen des Alltags Kunstwerke. Sie kaufte bauchige Flaschen mit Rotwein, den sie gern trank und bemalte die leeren grünen Flaschen mit weißen Punkten und befestigte um den Flaschenhals eine Halskrause aus Spitze und schon war die Blumenvase für eine Rose fertig. Küchenbretter bemalte sie mit Obst und Gemüse und schrieb auf die Rückseite noch ein selbst verfasstes Gedicht. Für einen Basar bemalte sie 20 Pappteller in Art eines Scherenschnitts. Sie hat sogar Max und Moritz darauf verewigt. Der Schützenverein in Schollene beaftragte sie mit der Bemalung von großen Holztellern mit Eichenlaub. Viele Jahre produzierte sie diese Holzteller mit grünem Eichenlaub und brannte die Eicheln mit einem Lötkolben darein. Sie hatte in ihrem ganzen Leben immer ausreichend Beschäftigung. Sie kochte bis ins hohe Alter selbst und ließ sich nie "Essen auf Rädern" bringen. Darüber war sie immer froh. 2017 betrat Edelgard Köhne nach 75 Jahren erneut die Sankt-Marien-Andreas-Kirche, die sich durch die Zerstörung im Krieg sehr verändert hatte und nicht mehr in der schönen Form da war, wie sie sie noch in Erinnerung hatte. Wenn sie auf ihr Leben zurückblickt, muss sie sagen, dass sie in derWeimarer Republik geboren wurde. Sie wuchs dann im "Dritten Reich" unter der Naziherrschaft auf und lebte nach dem Zweiten Weltkrieg (1929-1945) 40 Jahre in der DDR, im geteilten Deutschland. Es war nicht rosig in der DDR zu leben. Die Menschen waren unzufreiden, Tausende flüchteten in den Westen. Im Westen lockte Freiheit und Wohlstand. Viele Flüchtlinge bezahlten ihre Flucht mit dem Leben.
Am 09.11.1989 gingen die Berliner zum Brandenburger Tor und verlangten die Grenzöffnung und das Wunder geschah. Nach 28 Jahren der Teilung durch die Berliner Mauer am 13.08.1961 wurde sie 1989 eingerissen. Niemand hatte daran gedacht, dass dieser Tag einmal kommen werde. Edelgard Köhne auch nicht. Aber sie fragt sich manchmal, ob die Menschen nach der Einheit Deutschlands zufrieden sind? Edelgard Köhne war immer eine Malerein und Allround-Talent. Man bewunderte und bestaunte ihre Ideen und Kunstwrke. Sie war sich wohl darüber im klaren, dass ihr eine Gabe von Gott verliehen war. Sie meinte immer: Entweder man hat es oder man hat es nicht. Neben den vielen Bewunderen gab es natürlich auch Neider, die ihr das Talent und den Wohlstand missgönnten. Solange sie noch arbeitete, macte sie jeden Sommer Urlaub. Wenn man Glück hatte, bekam man einen Ferienplatz vom Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB). Sie bsuchte über den FDGB alle Ostseebäder auf Rügen, Usdeom und Hiddenses. Nach der Einheit Deutschlands im Jahre 1990 reiste sie dann auch nach Helgoland und Sylt. Sie bereiste auch den Harz und war mehrmals auf dem Brocken. Sie fuhr auch zum Ursprung der Elbe ins Riesengebirge und schaute sich Prag an. Sie durchwanderte das Elbsandsteingebirge und besuchte die Festung Königstein. Einmal fuhr sie mi einem Elbdampfer nach Dresden, als die Frauenkirche noch als Ruine stand. Natürlich hat sie die neu erbaute Frauenkirche auch schon gesehen, aber nur im Fernsehn. Sie besundert den prunkvollen Neubau der Frauenkirche in Dresden. Nach 1990 besuchte asie auch die vielen Freundinnen im westlichen Teil Deutschlands. Die Freundinnen reisten mit ihr zur Mosel, zum Rhein mit seinen Weinbergen, zur Lorelei und zum Deutsche Eck, wo der Kaiser hoch zu Roß trohnt. Natürlich war sei auch bei Rheinfall in Schaffhausen und auf der Blumeninsel Mainau, wo sie von der Farbenpracht der Rosen beeindruckt war. Ein paar wunderschöne Urlaubstage verlebte sie auch im Schwarzwald. Für sie empfahl sich aber auch Mecklenburg mit der Müritz und dem Schloss in Schwerin. Einmal fuhr sie mit dem Schiff von Rheinsberg zur Müritz, dem größten Binnensee Deutschlands. Aber auch Berlin, mit dem Fernsehturm, dem Funkturm, dem Bradenburger Tor, dem Berliner Dom, der Weltzeituhr am Alexanderplatzt wurden von ihr nicht vergessen. Sie war aber auch oft in Potsdam mit seinen Schlössern Cecilienhof und Sanssouci sowie in dem sehenwerten Parks. Sie hat viel von Deutschand gesehen und denkt nun im Alter oft und gern an die verangenen Zeiten. Die Menschen heute fliegen in fremde Länder, aber Deutschland kennnen sie gar nicht. Seit 1979 leidet Edelgard Köhne an einer Zuckrkranheit, die 2008 fast zu ihrer Erblindung führte. Sie lebt seit 90 Jahren in dem Haus, in dem sie aufgewachsen ist. Manchmal ist sie etwas traurig, dass sie nicht mehr so malen kann wie früher und dass ihre Leistungsfähigkeit so nachgelassen hat. Sie bedauert, dass sie nicht regelmäßig zum Gottesdienst von ihren Mitchristen abgeholt wird. Sie erwartet auch Besuche vom Pfarrer und von den Gemeindemitgliedern. Sie malt wegen ihrer schlechten Augen mit Filzstift auf weißer Pappe und schreibt auch ihre Briefe in dieser Art. Sie hat auch ihre eigenen Biografie so geschrieben und legte den Filzstift am 01.09.2019 aus der Hand.
2018 trat sie dem Förderkreis zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow e. V. bei und spendete 10.000,00 € für den Wiederaufbau des Gotteshauses. Sie schrieb zu dieser Spende:
Es ist ihr noch eine Herzensbedürfnis eine Danksagung zu schreiben.
Danksageung
Heute möchte ich mich bei einem lieben, langjährigen Begleiter Dr. Heinz-Walter Knackmuß zu bedanken, der sich aufopfernd um mich kümmert, der immer bereit ist, wenn ich ihn brauche, der täglich anruft, wo er sich auch befindet. Er fährt mich zu den Ärzten und wenn es dreimal in der Woche ist, er wird mir niemals etwas abschlagen, er kommt nie mit leeren Händen und erfreut mich stets mit einem Blumenstrauß. Danke Heinz-Walter, danke für alles. Du bist einmalig. So einen hilfsbereiten Menschen wie Dich, den findet man heute nirgendsmehr. Danke, danke!
Edelgard Köhne
Sie war eine begabte Malerin und arbeitete viele Jahre als selbstständige Schneidermeisterin und später als Chefin der Dienstleistung des Schneiderhandwerks. Dort zeichnete sie immer verschiedene Entwürfe eines Kleides für die Kunden und die Damen konnten dann zwischen den Entwürfen wählen. Es gab in der DDR kaum Modezeitschriften, aber sie hatte die Gabe für die Frauen das richtige modische Modell zu wählen und ihre Entwürfe waren hochbegehrt. Im Dienstleistungsbetrieb nähte sie nicht mehr selbst, sondern zehn angestellte Schneiderinnen brachten die Kunstwerke nach ihren Entwürfen in die richtige Form. Das ging so lange bis sie altersmäßig Rentnerin wurde und sich nun voll und ganz ihrem Hobby, der Malerei, widmen konnte. Besonders Blumenstillleben machten ihr große Freude und sie malte sehr detailgetreu nach der Natur alle Blumen und Gräser. Aber auch das war im Alter nicht mehr möglich, weil die Augen ihren Dienst versagten. An ihrem 97. Geburtstag, den sie in ihrem Haus in Schollene ans Krankenbett gefesselt begehen konnte, spendete sie für die Sankt-Marien-Andreas-Kirche den Kanzelstifterbrief Nr. 260 (50,00 €), denn sie ist seit 2018 im Förderkreis zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow e. V. und verfolgt den Wiederaufbau des Gotteshauses mit regem Interesse. Der Förderkreis bedankt sich für die Spende.
Am 23.08.2024 nahm sie Gott, gelobt sei sein Name, im Alter von 97 Jahren zu sich. Die Trauerfeier fand am 05.09.2024 in Schollene statt.
Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 06.09.2024