Barocke Dorfkirchen im Havelland

 

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Besucher vor dem barocker Altar der Dorfkirche in Markau
(apl. Prof. Dr. Gudrun Gelba in der Mitte mit roter Jacke)

 

 

Apl. Prof. Dr. Gudrun Gleba ist Historikerin und Mitglied im Kuratorium des Förderkreises zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow e. V.. Sie hat schon viele Kunstwerke in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche, wie das Epitaph für den Stadtschreiber Nesen und den böhmischen Marienaltar mit ihrem Wissen als Historikerin erklärt und über das "Gemälde Christus vor dem Hohen Rat" 2022 eine internationale Fachtagung in der Kirche abgehalten, deren wissenschaftliche Aufbereitung und Veröffentlichung noch im Gange ist. Seit Gudrun Gleba in Rathenow wohnt, hat sie natürlich auch das Havelland mit ihrer kunsthistorischen Spürnase erkundet und drei barocke Kunstwerke entdeckt, die der Öffentlichkeit weitgehend verborgen geblieben sind. Am 06.05.2023 hat sie 18 Interessierte zu einem Ausflug zu den Dorfkirchen Ketzür, Markee und Markau eingeladen und hat ihnen dieses drei Edelsteine des Barock im Havelland präsentiert. Die meisten kleinen Dorfkirchen sind ja in der Regel nicht mehr in Betrieb und sind auch tagsüber geschlossen.

Ketzür

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Barock war ursprünglich ein Schimpfwort und bedeutete für die alten Künstler: absurd, überladen, seltsam, schief, skuril. Das Barock passte auch wenig in die Geisteshaltung des Protestantismus, der ja eher kahle Kirchen kennt. Aber die Gutsherren wollten sich natürlich selbst mit allem Prunk und aller Pracht repräsentieren und so kommt das Barock doch in die Kirchen, denn ein "auf Brösicke machen" heißt in Ketzür, zeigen, dass man was hat. Heino von Brösicke hat sich und seine Familie in einem riesigen Altar abbilden lassen und er hat ja auch für die künstlerische Gestaltung des Gotteshauses und für die Bauarbeiten als Patronatsherr gesorgt und die Kosten getragen, wie fast alle Dorfkirchen von den Gutsherren unterhalten wurden. Heino von Brösicke hat nicht gespart mit Sandstein, Marmor und Alabasta. Er hat ein Grabmal für sich von Christoph Dehne aus Magdeburg errichten lassen, das nur so protzt von barocker Kunst. Links ist Heino von Brösicke und seine Söhne als knieende Ritter dargestellt. Ihm gegenüber sind seine Gattin und die Töchter mit viel Tuch und Spitze in gleicher Weise als Figuren ausgeführt. Dahinter sind erst Szenen aus der Bibel, die Auferstehung Christi, Christi Himmelfahrt und Christus mit den Engeln und seinen Folterinstrumenten sehr fein und fast filigran gearbeitet zu sehen. Getragen wird das Grabmal von Adam und Eva, wobei Eva die Frauenseite trägt und Adam die Männerseite, obwohl Eva den Apfel wohl dem Adam überreicht, aber dann auf der falschen Seite hingestellt wurde. Vielleicht gab es ursprünglich einen anderen Entwurf des Kunstwerkes.  Ein kleiner gekreuzigter Christus steht in der Mitte des Grabmals und eine Kopie mit einer sehr bewegten Geschichte auf dem Altar. Der Altar und die gegenüberliegende barocke Kanzel sind um 1600, wie dieser gesamte zweite Teil des Gotteshauses so gestaltet worden. Die Marmorsäulen des Altars, die grünen und roten Farben, die Ornamente - alles weist auf diesen Protestantischen Barock hin. Und die Decken über und über mit bunten Wölkchen bemalt.  Gleich neben dem Eingang ist ein Brett mit einer Totenkrone angebracht. Wenn die Menschen sehr jung gestorben sind, war es Sitte eine prachtvolle Krone aus Blumen und Grün aufzustellen und einen Text dazu zu legen. Insgesamt eine barocke Pracht, die man in dieser kleinen Dorfkirche nie vermutet hätte.

Fotos von der Dorfkirche Ketzür

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Markee

Die zweite Station auf der Exkursion mit apl. Prof. Dr. Gudrun Gleba war die Dorfkirche in Markee.

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Der Fachwerkbau wird noch regelmäßig für Gottesdienste benutzt. Die Dorfkirche in Markee ist die schönste Rumpelkammer im Havelland. Die Decke hat rot bemalte Balken und im Osten steht ein barocker Kanzelaltar, neben dem noch ein alter Beichtstuhl zu sehen ist. Am Kanzelkorb sind die beiden Wappen der Gutsherren dargestellt und der Deckel der Kanzel hat ein gemalten Auge Gottes. Der Altar wird von vier gedrehten Säulen, die mit Weinlaub geschmückt sind, eingefasst. Seitlich sind große Akanthusblätter mit eingelassenen Gemälden vorhanden. Über dem Altar befindet sich die Kanzel, wie es bei dieser Form der Altäre üblich ist.

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Vor dem Altar schwebt ein barocker Taufengel, der sehr gut erhalten ist und ein Prunkstück in der Kirche darstellt. Er hält einen Taufkranz über den Täufling, der aber ebenso gut eine Taufschale tragen kann. Die Taufengel sind als Krieger dargestellt, die die Täuflinge auch im wirklichen Leben beschützen sollen.

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An der Westseite befindet sich eine Orgel mit sechs Registern und daneben quasi als Schutz für die Orgel Sankt Peter und Sankt Paul. 1934 hat Robert Sandfort die Bemalung in der Kirche gründlich restauriert.

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Markau

Die Dorfkirche Markau ist ein barocker Traum in blau, weiß und gold. Das Patronat hatte ein Zweig der Familie von Bredow.

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Der Altar ist ein Prachtstück der Barocken Zeit und hat die vier Evangelisten Matthäus mit dem Engel, Markus mit dem Löwen, Lukas mit dem Stier und Johannes mit dem Adler in Lebensgröße dargestellt. Wer sich die Attribute der vier Evangelisten nicht merken kann, sollte sich die Eselsbrücke ELSA einprägen. Ganz oben befindet sind die Heilige Trinitas: Gott-Vater, Jesus Christus und der Heilige Geist.

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Oberer Altarteil der Dorfkirche in Markau

Die separat stehende Kanzel im gleichen Stil  ist sehr prachtvoll ausgeführt und hat einen Kanzelkorb, der von einem Engel getragen wird. Ein gut erhaltener Taufengel stammt ursprünglich nicht aus dieser Kirche, passt aber im Stil und in der Form genau hierher.

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Die Patronatsloge der Herren von Bredow ist überaus prächtig errichtet über der Gruft der Adligen und reicht fast bis zur Decke. Zum Abschluss gab es eine praktische Vorführung an der Orgel, die aber schon recht betagt ist und dringend restauriert werden müsste.

 

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Taufengel

Der Ausflug zu den drei himmlischen Dorfkirchen als fachkundig geführte Tages-Exkursion war für die Teilnehmer ein unvergessliches und bleibendes kulturelles Erlebnis ersten Ranges. Karl Kelschebach verkürzte die Busfahrten von einer Kirche zur Anderen mit Lesungen aus Fontanes Werken über die Mark Brandenburg und es war eine Kaffeepause im Domstiftsgut Mötzow und ein Abendessen  in Liepe eingeschlossen.  Wer weiß schon, welche verborgenen Schätze die kleinen Dorfkirchen im Havelland aufzuweisen haben? Gewaltige Grabdenkmäler, großartige Altäre und kunstreiche Kanzeln des 17. Jahrhunderts ebenso wie Totenkronenbretter für die jung Verstorbenen.

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Patronatsloge

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Orgel

 

Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 06.05.2023

 

Märkische Allgemeine Zeitung - Westhavelländer vom 13.05.2023

     Ausflug zu drei barocken Kirchen im Havelland Ketzür, Markee und Markau