34-Landin-Milchreis mit Fische am 01.12.2019

34. Milchreis mit Fisch

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                                                                                                         Zeichnung: Ulrike Wetz, Hamburg

Vor dem Krieg (1939 - 1945) gab es auf jedem Bauernhof einen Backofen. Einmal in der Woche wurde Brot gebacken. Der Backofen stand neben dem Haus und war aus Stein gemauert und hatte eine halbrunde Wölbung nach oben. Verschlossen wurde er mit einer Eisentür. Im Winter fuhren die Bauern in den Wald und sägten die Kiefern ab und die Zweige der Kiefern wurden zu viereckigen Paketen zusammengeschnürt und als Busch mit nach Hause genommen und dienten zum Anheizen des Backofens. Die trockenen Kiefernadeln brannten wie Zunder im Backofen. Diese Backöfen gab es auch noch lange nach dem Ende des Krieges, bis sie Gas- und Elektroöfen verdrängten. Am Mittwoch war Backtag und die Bäuerin hatte schon einen Tag zuvor Sauerteig in das Mehl gemischt und alles mit Wasser gut vermengt und dann ging der Teig unter einem Tuch die ganze Nacht und am Morgen knetete die Hausfrau den Teig noch einmal richtig durch und formte Brotleiber daraus. Wenn der Backofen ausreichend aufgeheizt war, fegte der Bauer die Aschereste aus dem Ofen und die Frauen konnten die Brote und den Kuchen auf einem Brotschieber in den Ofen bringen.  Meist buk sie auch noch ein oder zwei Bleche Streußelkuchen, die dann am Sonntag gegessen wurden. Das Brot reichte dann bis zum nächsten Backtag. Den größten und schönsten Backofen hatte der Bauer Frieder Müller in Landin. Wenn seine Frau Agathe alles fertig hatte, durften auch die armen Nachbarn zu Weihnachten und vor den großen Festen wie Ostern und Pfingsten den Backofen benutzen. Sie hatten ja keinen eigenen Backofen. Abends, wenn an schönen Tagen ein Abendrot über den Wiesen und Wäldern von Landin stand, meinten sie vor dem Weihnachtsfest: “Frau Holle bäckt Kuchen.“ Während die mitgebrachten Kuchen und Brote im Agathes Backofen buken, wurden in der Küche mancherlei Geschichten erzählt aus alten Zeiten und was so gerade im Dorf passiert war. Die Vorweihnachtszeit, wo es schon früh dunkel wurde, und man sowieso enger zusammenrückte, war für die mitgekommen Kindern eine schöne Zeit. Den Duft der Kuchen und Lebkuchen, der Plätzchen und des Brotes behielten sie ihr Leben lang in der Nase. Agathe Müller hatte auch für die armen Nachbarskinder immer eine große Schale mit Lebkuchen und Weihnachtsplätzchen stehen und die Kinder ließen sich nicht lange nötigen, was die Bäuerin sehr freute, denn sie konnte vor Weihnachten manchmal richtige Kunstwerke backen und hatte an den immer wieder neu erdachten Plätzchenrezepturen ihre Freude. Es gab Mohnplätzchen und Haferflockenmakronen, Haselnussgebäck und kleine Plätzchen mit einer Walnuss oben drauf. Sie verwendete nur Mehl, dass der Müller ihr aus ihrem eigenen Weizen gemahlen hatte und eigene Butter, und Bienenhonig von ihren Bienen, denn hinter dem Haus hatte ihr Mann 20 Bienenkörbe aufgestellt. Sie kaufte nie Zucker und benutzte zum Süßen überall ihren eignen Bienenhonig.  Am Tag St. Bartholomäus (24.08.) kam die Bäuerin in große Not, denn das Gewölbe des Backofens war eingestürzt. Agathe Müller bestellte den Ofensetzer aus Semlin und beauftragte ihn, den Schaden zu reparieren. Der Meister Kurt Eisenach kam mit seinem Lehrjungen Fritz Kröning angelaufen und schaute sich den Schaden an. „Ja,“ sagte er zur Bäuerin, „das ist leicht zu reparieren. Haben Sie denn Lehm auf dem Hof.“ „Natürlich, es ist alles da. Dort steht ein Wassereimer an der Pumpe. Sie können alles benutzen. Wollen Sie zum Mittagessen bleiben?“ „Was gibt es denn?“ „Heute gibt es bei uns Milchreis mit Fischen.“ Milchreis mit Fischen war eine Mahlzeit, die alle sehr mochten. Eigentlich gab es die nur zu Hochzeiten. Es war ein in saurer Marinade eingelegter Bierfisch, den man über fest gekochtem Reis füllte. „Na mal sehen.“ Der Meister Eisenach werkelte mit seinem Lehrjungen an dem Ofen herum. Die Steine für das Gewölbe wurden gesäubert und mit Lehm neu verfugt. Dann bat der Meister den Fritz sich in den Backofen zu stellen und das Dach mit seinem Rücken zu halten. Er wollte reingehen zur Bäuerin und gleich seinen Arbeitslohn holen. „Was kostet es denn?“ fragte Agathe Müller. „45 Mark.“ Die Bäuerin holte das Geld bezahlte den Arbeitslohn und fragte noch einmal, ob er mit seinem Lehrling nicht zum Essen bleiben wollte. „Nein, nein, wir wollen keinen Milchreis mit Fischen.“ Dann lief der Meister zum Backofen und rief hastig seinen Lehrjungen und sagte: „Komm schnell, wir müssen nach Hause.“ Als Fritz Kröning den Backofen verließ, dauerte es keine fünf Minuten, da war das Gewölbe wieder eingestürzt. Die Bäuerin sah das und lief auf die Straße und rief den beiden nach: “Meister der Backofen ist wieder eingefallen.“ Aber die zwei liefen nur noch schneller zum Ortsausgang und winkten immer ab und riefen: „Nee, nee, wir wollen keinen Milchreis mit Fischen.“ Die Bäuerin rief noch mehrmals hinterher:
„ Aber hören Sie doch, der Backofen ist wieder eingefallen.“ Meister Kurt Eisenach wehrte immer heftiger ab und rief in eiligem Trab: „Nee, nee, wir wollen keinen Milchreis mit Fischen.“

 

 

© Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 01.12.2019

 

34. Melkries met Fische
(In jedem Dorf in Brandenburg wurde bis 1945 Plattdeutsch gesprochen mit feinen Unterschieden von Dorf zu Dorf. Die Schreibweise folgt nicht dem klassischen Platt)

 

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Video

 

Anna Muchow ut Landin, wat woll mine Grootmöhm is, vertellt mi, wenn se wier 90 düsse Jeschicht van de Backhan. Do wier eens en Töpper, Isenach hätt er heten un der is ut Semlin komen un hett de Ofens immer jesett. Dunnemals han se groote Backhans in de Goorns to stohn. Eeens wier de Backhan van de Buure Müller innefalln. Do is de Töpper Isenach met sien Liehrjung Fritze Kröning do henemockt und hett den Backhan wedder heel mockt. De Buursfru Agathe Müller ut Landin käm rut un seggt t`on Meester: ” Wenn se fardig sin met de Arbeit, will ick em furts dat Jeld geven un se künn noch bei uns Middagbroot eten. Et gift Melkries met Fische.” “Na ,wi mün ierst sehn”, hät denn de Töpper jeseggt. Melkries met Fische wier dünnemals een fien Eten, wat et nur ob den Hochtid gav.  Dat wier Beerfisch den hebben de Lüüd över den Ries jefüllt. Wie de Töpper mit siem Liehrjung den Bachhan fardig hadden, seggt de Meester t`um Liehrjungen: ”Du blüffst nu in den Bakhan sitten en holst met dien Puckel dat Jewölv, dat et nich infalln sull. Ick go dann rin en will mi dat Jeld geven laten.” Dat Jewölv holl wull nich recht oder se häm et nich recht jebaut. De Meester geiht ook los in`t Huus en seggt: ”Buursfru de Backhan is fardig.” De Buursfru seggt : ”Dat is ja schöön. Hier heste gliek dien Jeld. Nu kumm man en et noch Melkries met.”

“Nee,” seggt de Töpper,  “ wie willn keen Melkries met Fische.” Nu is er ruterennt en seggt t`um Liehrjungen: ”Kumm!  Kumm!” Denn sünd se beide losgelopen na de Hauptstraat hen. De Buursfru keem ut dat Hus en seh, dat de Bakhan wier innefallen. Do hät se immer jeroopen:” Meester, de Backhan is innefallen.” De Töpper aver röppt alltiet torüch: ”Nee, nee , wi willn keen Melkries met Fische.” De Buursfru röppt noch eens: ”De Backhan is innefalln.”

Doch de Töpper röppt furtsweg:” Wi willn keen Melkries met Fische, wi willn keen Melkries met Fische,”  en löppt immer fixer na de Hauptstraat to.

 

Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 01.12.2019