44-Landin-Die Hochzeit der Alice von Bredow am 01.10.2020

44. Die Hochzeit der Alice von Bredow

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Alice von Bredow 1915

Dr. jur. Wichard von Bredow aus Landin kam durch den Ersten Weltkrieg (1914-1918) nach Kurland, wo er die Baronesse Alice von Grotthuss kennenlernte und sich in sie verliebte. Am 29.07.1916 kam er das erste Mal mit einem Freund zur Jagd nach Spahren (heute Lettland). Als sie erhitzt vom langen Ritt in den Salon eintraten, stellte Alice gerade Blumen auf den Esstisch und überreichte dem Wichard ein Glas mit eiskaltem Wasser und sagte: „Zur Abkühlung Herr von Bredow.“ Wichard hatte sich sofort in Alice verliebt und kam nun so oft es ging nach Spahren. Bei einer Jagd im August 1916 schrieb Wichard in das Gästebuch: „Einen starken Elchschaufler gesehen.“  Am 10.08.2016 schrieb er: “17 Pfund schweren Hecht gefangen.“

Am 13.08.1916 war der Leutnant der Reserve Dr. Wichard von Bredow mit seinem Freund Hans Heinrich von Bockelberg erneut in Spahren zu Gast. Am 23.08.1916 schreibt Dr. Wichard von Bredow in das Gästebuch:

In Spahren war ich manchen Tag
ob Sonnenschein, ob Hagelschlag,
es waren schöne Tage,
den Bock gelockt, den Hecht gefischt,
da wurd´ man wieder aufgefrischt
von seines Schreibtischs Plage.

Der Hausherr lockt mit Meisterschaft
die roten Böcke dem Gast zum Schuss;
selbst junge Damen können hier,
des Waldes Wild betören.
Man kann sie oft an Gulbes Rand,
die Enten locken sehen.

Kehrt man des Abends spät zurück,
mit schlechtestem Gewissen,
so ist die Hausfrau gar nicht bös
und reicht uns gute Bissen.

 

Bald sind vergessen Sorg und Leid
bei Jagd und Jagdgeschichten,
und übermütig fängt man an,
sogar noch was zu dichten.

 

Dem Hause Spahren vielen Dank
aus übervollem Herzen.
Misst ich das Haus im kur´schen Land,
es tät mich bitter schmerzen.

 

Und muss ich in die Wildnis gehen,
dort, wo die Gegend minder schön,
ich denke stets an Spahren,
ob gute oder schlimme Zeit,
stets werde ich in Dankbarkeit
dies Andenken bewahren.

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Gutshaus Spahren

Für Wichard und Alice stand es bald fest, sie gehören zueinander und so wurde am 19.10.1916 die Verlobung gefeiert. Wichard hätte seine Braut gern den Eltern in Landin vorgestellt, aber in den Kriegszeiten war eben alles kompliziert. Mit Beziehungen zum Zarenhaus bekam aber die Mutter von Wichard, Jenny von Bredow, geborenen Gräfin von Schwerin aus dem Hause Wildenhoff/Ostpreußen (*1860 - † 1922) mit ihrer Zofe doch einen Reisepass und kam zu Besuch nach Spahren. Sie durfte vom 8.12.-18.12.1916 Zeit mit ihrer zukünftigen Schwiegertochter Alice verbringen und schrieb ins Gästebuch der Grotthussens:


Wohl überall in Deutschland
ist kur´sche Gastfreundschaft bekannt.
So kam ich her, und fand ein Haus,
aus dem ich ungern geh hinaus.
Wo warm die Herzen, grad´ der Sinn,
da zieht es jeden mächtig hin.

 

Und wenn nun gar, wie´s mir gescheh´n,
der Sohn ein Mädchen sich erseh´n,
das ihn beglückt und mich erfreut,
da sprech ich es aus erneut:
Ich kam hierher und fand ein Haus,
aus dem ich ungern geh hinaus.

 

Doch sage ich „Auf Wiederseh´n“,
wenn milder einst die Lüfte weh´n.
„Auf Wiedersehen,“ wenn in der Rund`
des Frühlings Zauber sich gibt kund.
„Auf Wiedersehen,“ wenn über Nacht
der Rosenherrschaft ist erwacht.
Und immer ein „Auf Wiederseh´n,“
so oft wir von einander geh´n.

 

 

Dr. Wichard von Bredow war Ordonanzoffizier im Stab der 1. Kavalleriedivision (KD) und rückte ab August 1917 in Livland ein und schrieb an die Eltern von Alice aus Wilna einen Brief und bat um die Hand ihrer Tochter. Eigentlich wollten sie erst nach Kriegsende Hochzeit feiern, aber Alice hat Furcht, dass Wichard im Krieg verletzt werden könnte und da sie im Herrschaftsbereich des russischen Zaren wohnte, hätte sie keine Chance, ihn im Lazarett zu besuchen. Wenn sie allerdings Wichards Frau würde, könnte sie als deutsche Staatsbürgerin zu ihm fahren. Wichard hatte seine Vorgesetzten gefragt. Er würde im November 2017 mehrere Wochen Hochzeitsurlaub bekommen und so wurde der Hochzeitstermin auf den 10.11.1917 in Spahren festgesetzt. Im Oktober 1917 fuhr Alice mit ihrer Mutter Jenny nach Mitau zum Chef der Verwaltung, um die erforderlichen Papiere zu besorgen. Sie als russische Staatsbürgerin heiratete einen deutschen Offizier, was zu der Zeit aber nicht ungewöhnlich war. Es sollte kein großes Fest gefeiert werden, aber es kamen doch etliche Verwandte. Nur die Landiner Eltern und Verwandten von Wichard durften nicht kommen. Es gab alles auf Bezugsschein, und nur unter großen Mühen konnte der Stoff für das Brautkleid aus Deutschland besorgt werden sowie weiße Schuhe und weiße Handschuhe. Ab 06. 11.2017 trudelten die Verwandten von Alice aus der Umgebung ein. Am 09.11.1917 kam am Nachmittag auch Wichard mit zwei Offizieren an. Es waren dies Friedel von der Groeben und Wichards Cousin Otto Graf von Schwerin-Wildenhoff/Ostpreußen. Alice freute sich, dass wenigstens zwei Gäste von Wichards Seite dabei sein konnten.
Zum Kaffee waren am Polterabend schon 23 Gäste am Kaffeetisch in T-Form versammelt. Eine Tante von Alice hatte die Tafel mit Tannengrün und kleinen Vasen mit Ebereschen, Pielbeeren, wie man hier sagte, geschmückt. Um 19:00 Uhr war das Souper und nach dem Souper gab es kleine Theaterstücke und Gedichte. Ein Theaterstück hieß „Moderne Dienstboten“ und handelte vom Diener des Herrn von Bredow und seiner Kammerjungfer der Frau von Bredow. Dann bewarb sich eine Köchin um eine Anstellung und brachte zum Beweis ihrer Backkunst zwei prächtige Torten mit. Ein Schusterjunge überreichte dem Bräutigam ein Paar Pantoffeln und eine Verwandte hatte sich als Zigeunerin verkleidet und wahrsagte dem jungen Paar viele lustige Sachen. Ein Gretchen erzählt von ihren Erfahrungen mit Männern und die Köchinanwärterin (Tante Frieda) erschien noch einmal im Gewand eines alten Kriegers und sagte ein langes Gedicht auf, das immer mit dem Refrain endete: “Wie bei Sedan in der Schlacht.“ Das war so typisch für kurische Geselligkeit. Am Hochzeitstag wurde zeitig Kaffee im Saal des Gutshauses getrunken, denn das Esszimmer war schon für das Diner geschmückt. Die Trauung sollte um 12:30 Uhr sein und um 11:00 Uhr kamen zwei Tanten und kleideten Alice an. Um zwölf Uhr fuhren die ersten Wagen zur Kirche und das Brautpaar mit den Brauteltern machten sich als Letzte im Coupé auf den Weg zur Kirche. Es war schönes Wetter. Der Altar der Kirche war mit weißen Chrysanthemen geschmückt und am Eingang und im Inneren der Kirche hingen überall Tannengirlanden mit Strickbeerkraut (Preiselbeeren). Zum Eingang spielte das Harmonium das Niederländische Dankgebet „Wir treten zum Beten vor Gott, den Gerechten“, was Alice sehr liebte und ihr die Tränen in die Augen trieb. Die Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt, denn es waren alle gekommen, um diesem Fest beizuwohnen. Unten saßen die geladenen Gäste und auf den Emporen die Dorfbewohner. Nachdem der Pastor Johannson sein Werk vollendet hatte, fuhren die Frischvermählten allein zurück ins Gutshaus. Zu Haus erwarteten sie alle Gäste und empfingen die Gratulationen. Alice war etwas irritiert, dass man jetzt „Gnädige Frau“ zu ihr sagte. Sie fühlte sich noch nicht so alt. Es wurde ein Imbiss gereicht, wobei die eingeweckten Krebsschwänze, die Alice selber zubereitet hatte, noch die Pastete übertrafen. Nachdem sich alle etwas gestärkt hatten, ging es ins Esszimmer zum Festessen, wo 32 Personen an einer hufeisenförmig gestellten Tafel Platz nahmen. Die Festtafel war mit einer kleinen Girlande und mit Vasen voller Chrysanthemen geschmückt. Gemalte Tischkarten mit dem Wappen derer von Grotthuss wiesen den Gästen die Plätze zu. Es gab ein kriegsmäßig einfaches Menu. Zuerst kam die Suppe und als zweiten Gang gab es Karpfen. Als Hauptgang wurde Rehrücken serviert und als Nachtisch Reneklodenkompott. Bei Tische wurden viele Reden gehalten. Der Vater von Alice, Otto von Grotthuss, sprach in seinen Worten ganz liebevoll von Landin und von den Landinern, die ja nicht dabei sein konnten.

Der Bruder von Alice Vater, Friedrich von Grotthuss (*1861 - † 1919), wendete sich zum Schluss seiner Rede an Wichard und sagt: „Wenn ich auch weiß, dass Du ebenso wie ich kein Anhänger eines Verzichtsfriedens bist, so muss ich Dir doch sagen, dass in der Ehe doch manchmal ein Verzichtsfrieden am Platze ist.“  Von Wichards Seite hielt sein Cousin Otto Graf von Schwerin-Wildenhoff/Ostpreußen die Tischrede. Um 17:00 Uhr gab es Kaffee und Kuchen und eine kleine musikalische Überraschung, denn drei Gendarmen waren gekommen und spielten auf einer Geige, einer Zither und einer Gitarre mehrere Lieder, einen Marsch und einen Choral. Nach dem Kaffee wurde der Jungfernkranz ausgetanzt und Alice richtete es so ein, dass ihn Baronesse Irene von Hahn (genannt Zibbe) bekam und Wichard drückte ihrem Freund, dem Baron Carol von Fircks, seinen Stahlhelm auf den Kopf. So tanzten die beiden dann einen Walzer zusammen. Es sollte aber eigentlich nicht getanzt werden. Dafür machte man aber recht wilde Spiele. Um 20:00 Uhr war das Abendessen angesagt und danach ging es weiter mit Ratespielen und „Lange Nase.“ Es herrschte eine ausgelassene Stimmung. Das Brautpaar hatte sich schon rechtzeitig zurückgezogen. Um 23:30 Uhr war die Feier beendet und die nicht im Hause Spahren untergekommen waren, fuhren nach Hause.

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Hauptetage des Gutshauses Spahren

 

Es war ein schöner Tag gewesen und ein Lichtblick in diesen Kriegstagen. Natürlich wäre das Fest nicht so prächtig geworden, wenn das Hauspersonal sich nicht so eng mit der Familie von Grotthuss verbunden gefühlt hätte. Es war eine gute Harmonie zwischen den Gutsherren und den vielen Angestellten, die im Haus, Hof und auf den Feldern arbeiteten. Die meisten waren Letten. Man war stolz auf die Familie von Grotthuss und schickte die jungen Mädchen gern ins Schloss, um dort die feine Küche zu erlernen. Manche blieben im Schloss, aber die zurückgingen und eigene Familien gründeten, zehrten von dieser feinen Küche ihr ganzes Leben lang. Sie erfreuten ihre Familien mit außergewöhnlichen Kochkünsten. Sie hatten es ja im Hause Spahren gelernt.  Am 11.11.1917 machten sich Dr. Wichard von Bredow und seine Frau Alice von Bredow auf den Weg nach Landin - gewissermaßen als Hochzeitsreise. Aber das ist eine andere Geschichte, die vielleicht einmal später erzählt werden kann.

Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 01.10.2020

 

Ich danken Otto Freiherr von Grotthuss für die Unterstützung und für die leihweise Überlassung des Buches von Max-Wichard von Bredow „Spahren – ein Gut in Kurland“, aus dem das meiste mit kleinen Veränderungen zitiert wurde.