17-Landin-Eine Taufe in Landin am 01.07.2018

Eine Taufe in Landin

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Die Tochter des Straßenbahnführers Arnold Emil Gustav Brunow und seiner Frau Anna Pauline Luise Brunow, geborene Muchow, Hertha Victoria Elisabeth Brunow wurde am 03.01.1904 in Berlin geboren. Der Großvater Ferdinand Muchow aus Landin war sehr erfreut über seine erste Enkeltochter und vereinbarte mit den Eltern, dass das Kind in Landin getauft werden sollte. So kam es, dass der Pfarrer Jacobi am 17.07.1904 das Sakrament der heiligen Taufe in der Landiner Dorfkirche dem kleinen Mädchen spendete. Als Paten oder Taufzeugen waren Hermann Lübge, Paul Brunow, Elisabeth Brunow und Betty Muchow dabei. Die kleine Hertha ließ die Wassertaufe ohne erkennbare Zeichen der Anteilnahme über sich ergehen. Sie schlief die ganze Zeit auf dem Arm ihrer Mutter. Es war ein herrlicher Sommertag an diesem Sonntag und der Sommerwind wehte dazu kräftig, sodass alle Damen ihre Hüte festhalten mussten, als es von der Kirche in die Gaststätte Ferdinand Muchow zum Feiern ging. Betty Muchow war schon vorgelaufen mit dem Kinderwagen, denn es hieß, je schneller der Täufling zu Haus ist, desto fixer würde ihm später alles von der Hand gehen. Sie hatte auch zwei Stecknadeln in den Kinderwagen gesteckt. Das sollte schützen vor bösen Blicken. Hertha ließ sich aber durch nichts aus der Ruhe bringen. Sie trank die Brüste ihrer Mutter nach der Taufe fast leer und schlief dann weiter, ohne die Taufgesellschaft im Geringsten zu beachten. Die Männer hatten sich vor der Gaststätte niedergelassen und tranken erst einmal ein Glas Bier, denn es war sehr warm an diesem Tag. In der Gaststube wurde das Mittag vorbereitet. Der stolze Vater hielt vor dem Mittagessen eine kleine Rede und bedankte sich für die vielen Geschenke. Es waren selbst gestrickte und genähte Kleider für das Baby und viele Sachen zum Anziehen und auch etwas Geld dabei. Dann sprach der Pfarrer Jacobi ein sehr langes Tischgebet, ehe er mit seiner Frau Christlinde die Suppe löffelte:

Speis` uns Vater deine Kinder!
Tröste die betrübten Sünder!
Sprich den Segen zu den Gaben,
die wir hier so vor uns haben,
dass sie uns in unserm Leben
Stärke, Kraft und Nahrung geben,
bis wir endlich mit den Frommen
zu der Himmelsmahlzeit kommen.
Komm Herr Jesu, sei unser Gast
und segne, was du uns in Gnaden bescheret hast.

Der Vater hatte eine Kiste französischen Champagner mitgebracht und trank auch ein Glas nach dem anderen, sodass er am Ende der Feier ins Bett getragen werden musste. Zum Mittag gab es eine Spinatsuppe mit ein paar Stücken Ananas und einen Tupfer saure Sahne. Danach hatten die Frauen eine Fischpastete bereitet. Der Hauptgang bestand aus Rehbraten in Rotweinsoße mit einem kleinen Löffel schwarzen Johannisbeermarmelade und Kartoffeln. Dazu gab es in Butter geschwenkte Möhrenscheiben und Rotkohl. Als Nachtisch hatten die Frauen Apfelkompott und einen Mokka vorbereitet. Der Pfarrer und seine Frau Christlinde bedankten sich für das Mittagessen und verabschiedeten sich bald. Sie hatten natürlich auch tüchtig vom Champagner probiert, den es ja nicht alle Tage gab. Nach dem Mittag fuhr Betty Muchow ihre Nichte stolz mit dem Kinderwagen durch das Dorf, bis das Kind ausgeschlafen hatte und wieder gestillt werden musste. Am Nachmittag gab es einen riesigen Napfkuchen und zum Abendessen Brote mit Schlackwurst, Leberwurst und Schinken sowie sauren Gurken. Die meisten Gäste tranken Bier, aber viele wollten auch den Champagner probieren. Die kleine Taufgesellschaft wurde immer ausgelassener, bis die Kindsmutter doch die Feier mit dem Hinweis auf die Ruhe für das Kind langsam auflöste. Aber alle sprachen noch wochenlang von der schönen Feier bei der Taufe der kleinen Hertha. Der Champagner hatte seine Wirkung nicht verfehlt.

 

© Dr. Heinz-Walter Knackmuß 01.07.2018