14-Landin-Die Einsegenung am 01.04.2018

Die Einsegnung

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Einsegnung von Helga Schultze
Palmsonntag 13.04.1930

Der Pfarrer führte regelmäßig den Konfirmationsunterricht im Pfarrhaus in Kriele für die Konfirmanden auch aus Landin durch. Jede Woche einmal versammelten sich die Kinder in Kriele und hörten, was der Pastor so an Wissen über die Bibel und das Christentum vermittelte. Sie lernten die 10 Gebote und einige Psalmen und lasen die Hauptkapitel der Bibel gemeinsam und lernten Kirchenlieder auswendig. Die schönste Geschichte der Bibel war für Helga Schultze die von Joseph und seinen Brüdern aus dem Alten Testament. Joseph und sein jüngere Bruder Benjamin waren die Söhne der Lieblingsfrau Rahel, die vom Vater Jakob nach dem Tode der Mutter schamlos vorgezogen wurden. Während die 10 Söhne seiner ersten Frau Lea die Schafe hüten mussten und harte Arbeit auf den Feldern verrichteten, wurde Joseph von einem Lehrer unterrichtet, lernte Fremdsprachen, Lesen und Schreiben. Er wurde auch zur Aufsicht für seine zehn Brüder vom Vater eingesetzt. Dazu träumte er noch so sonderbare Dinge, dass sich seine Brüder vor ihm verneigten. Als er einmal wieder zur Beaufsichtigung der Brüder bei den Weiden für die Schafe erschien, verkauften sie ihn einfach als Sklave nach Ägypten. Ihrem Vater zeigten sie in Schafsblut getränkte Kleidungsstücke von Joseph, die sie angeblich gefunden hätten und meinten zum Vater, dass Joseph sicher von wilden Tieren zerrissen worden sei. Joseph gelangte zu einem hohen Beamten des Pharao und wurde dort als Verwalter tätig. Als die Frau des Beamten ihn fälschlicherweise eines sexuellen Übergriffs beschuldigte, kam Joseph ins Gefängnis, wo er bald wieder die Verwaltung übernahm und dem Mundschenk und dem Bäcker des Pharaos ihre Träume richtig deutete. Als nun der Pharao selbst träumte, dass sieben fette Kühe aus dem Nil stiegen und von sieben mageren Kühen gefressen wurden, wachte er schweißgebadet auf und träumt erneut, dass sieben fette Korngarben von sieben mageren verschlungen wurden. Keiner der Traumdeuter am Hofe des Pharaos konnte damit etwas anfangen. Da erinnert sich der Mundschenk an den Joseph, der schleunigst aus dem Gefängnis geholt wurde und dem Pharao erklärte, dass sieben reiche Erntejahre kommen werden und danach sieben Dürrejahre mit großer Hungersnot. Der Pharao ernannte sofort Joseph zum Minister, der große Scheunen bauen ließ und in den ersten sieben Jahren riesige Kornvorräte im ganzen Land anlegte. Als dann die Hungersnot kam, traf sie auch Jakob und die restlichen 11 Geschwister in Israel und sie kamen nach Ägypten, um Korn zu kaufen. Der Minister Joseph erkannte sie sofort und holte nun seine ganze Familie nach Ägypten. Seinen Brüdern sagte er: “Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen.“ Er wurde durch Gottes Plan zum Erretter seiner ganzen Sippe bei der Hungersnot. Die Konfirmation fand in der Landiner Kirche statt.

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Dorfkirche Landin 21.04.1930

Eine Woche vor der Einsegnung war im Gottesdienst die Prüfung der Konfirmanden in der Kirche. Davor hatten alle Angst, denn die ganze Gemeinde war dabei und konnte auch Fragen stellen. Der Pfarrer hatte zu den Konfirmanden beruhigt und gesagt: „Wer die Antwort weiß, hebt den rechten Arm und wer die Antwort nicht weiß, der hebt den linken Arm.“ So kam es, dass sich immer alle Konfirmanden meldeten, wenn der Pfarrer eine Frage stellte und die Eltern und Großeltern und alle Verwandten waren sehr stolz auf ihre Kinder. Der Pfarrer hatte allen geboten über diese Meldepraxis Stillschweigen zu wahren. Der Superintendent war auch zur Prüfung in der Kirche und der gesamte Gemeindekirchenrat. Der Pfarrer wurde für seine pädagogische Arbeit mit den Konfirmanden sehr gelobt. Die Obrigkeit war erstaunt über so viel Wissen in Landin. Der Eingang zur Kirche wurde zur Konfirmation mit einer Fichtengirlande geschmückt. Helga Schultze trug ein schwarzes Kleid, schwarze Strümpfe und schwarze Schuhe. Als Schmuck hatte sie eine silberne Brosche am Kleid und eine silberne Gürtelschnalle. Ihr Konfirmationsspruch lautete: “Herr Deine Güte reicht soweit der Himmel ist und Deine Wahrheit, soweit die Wolken gehen“ (Psalm 36, 4).  Bei der Einsegnung bekamen die Konfirmanden das erste Mal Brot und Wein beim Abendmahl und waren damit offiziell in die Gemeinschaft der Erwachsenen in der Kirchengemeinde aufgenommen. Der Pfarrer hoffte natürlich, dass die Konfirmanden jeden Sonntag zum Gottesdienst in die Kirche kommen würden. Alle Verwandten kamen zur Konfirmation nach Landin und es wurde extra ein Schwein vom Fleischer aus Kriele geschlachtet. Zur Konfirmation waren ungefähr 20 Verwandte versammelt. Die Mutter hatte zum Mittag eine Hühnersuppe gekocht und es gab Schweinebraten, Rotkohl und Kartoffeln und als Nachspeise selbst eingeweckte Pflaumen und ein Glas Johannisbeerwein. Die Einsegnung war ein großes Fest für die ganze Familie und der Pfarrer kam auch zu jeder Konfirmationsfeier und hielt sich mit seiner Frau etwas in der Gesellschaft auf, ehe er dann weiter zum nächsten Konfirmanden ging. Es war Kuchen gebacken worden im alten Backofen hinter dem Haus und es gab eine schöne Kaffeetafel. Zum Abendessen hatte die Mutter und Tante Elisabeth Frikassee und Kartoffelsalat vorbereitet. Dazu gab es Bockwurst und belegte Brote mit der eigenen Schlackwurst. Die Bockwurst war dem Fleischer etwas zu salzig geraten, sodass reichlich Bier und Wein getrunken wurde. Als Geschenke gab es signiertes Schreibpapier, was schon sehr wertvoll war. Andere Geschenke bestanden aus Seidengarnituren und Kleiderstoff. Der Kleiderstoff war so reichlich bemessen, dass viele Kleider davon genäht werden konnten. Ein vorfristiges Geschenk von Tante Carmen aus Friesack hatte es ihr besonders angetan. Tante Carmen war immer für eine Überraschung gut. Sie schenkte ihr schon vor dem Termin der eigentlichen Konfirmation eine Karte für den großen Friesacker Karneval im Gesellschaftshaus Krauspe, worüber sich die Konfirmandin am meisten gefreut hatte und bei der Konfirmationsfeier viel davon erzählte.

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Für Helga Schultze war es ein schöner Tag und sie erinnert sich gern daran. Oft sang sie später ihren Kindern das Faschingslied vom Friesacker Karneval vor: “Schon knospet der Flieder - froh klingen die Lieder. In Krauspes Haus ladet wieder der Fliederstrauß“.

 

© Dr. Heinz-Walter Knackmuss 01.04.2018