Goldenen Konfirmation 1953

Predigt von Superintendent a. D. Georg Heimerdinger

zur Feier der Goldenen Konfirmation 1953

 

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Luise Schramm (* 18.11.1900  - † 31.01.1985) aus Rathenow, vormals wohnhaft Rathenow, Karl-Marx-Str. 8 b, gehörte am 31.05.1953 zu den Goldenen Konfirmanden und hat die Predigt von Superintendent Heimerdinger aufgehoben. Ihr Neffe, Martin Manns, aus Rathenow hat sie dem Förderkreis am 18.02.2009 geschenkt. Luise Schramm hat am 12.06.1980  1000,00 Mark für die Erhaltung der Sankt-Marien-Andreas-Kirche gespendet.

Predigt zur Feier der Goldenen Konfirmation
gehalten von Superintendent Heimerdinger in der Lutherkirche zu Rathenow am
31.05.1953

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Römer 11,33-36: O welch eine Tiefe des Reichtums, beide der Weisheit und Erkenntnis Gottes: Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege. Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt? Oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Oder wer hat ihm etwas zuvor gegeben, das ihm werde wiedervergolten? Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit: Amen

Teure einstige Konfirmanden, liebe Gemeinde!
             Als Israels Volk einst durch die Wüste zog, kam es an einen Ort mit Namen E l i m. Das war die Oase mit 70 Palmen und rauschenden Wasserbrunnen. Dort lagerte sich das Volk. Hinter ihm die Knechtschaft Ägyptens und die Erinnerung an die mächtige Hand Gottes, die es herausgeführt, - vor ihm das Ziel der Wanderung, das gelobte Land. Aber in der Mitte die Hütte des Stifts mit derWolke des Zeugnisses. So feierte Israel inmitten derWüste unvergeßliche Tage. Pilger, die sich lange nicht gesehen, reichten sich die Hand und stärkten sich einer am anderen. Eins aber war es,was alle zusammenband, die gemeinsam erfahrene Gnade Gottes und das gemeinsame Ziel, dem sie zuwanderten. Bleiben konnten sie nicht in Elim, dort war nur kurze Rast, um dann erquickt weiterzuziehen.
Solch ein Tag, Ihr lieben ehemaligen Konfirmanden, ist uns heute geschenkt. Ein Tag, der sein Angesicht zunächst der Vergangenheit zuwendet. Da treten vor unserer Erinnerung liebe Gestalten, Vater und Mutter, längst hinübergegangen in die Ewigkeit, Geschwister, Paten, einstige Freunde unseres Elternhauses, der alte Seelsorger, der uns damals am Konfirmationsaltar segnend die Hand auf´s Haupt legte, - wehmütige Erinnerungen, und die Träne glänzt wohl im Auge, wenn wir ihrer gedenken. - Und wiederum Freude des Wiedersehens mit Altersgenossen und Schulfreunden von damals, -über 500 sind es ja, die heute gekommen sind von nah und fern, manche, die ihre Heimat verloren haben, oder doch die Goldene Konfirmation nicht in ihrer einstigen Gemeinde verleben können, die meisten doch solche, die in unserer lieben, alten St. Marien-Andreas-Kirche eingesegnet worden sind, aber alle mit uns vereint durch die Erinnerung an Gottes Führung und Bewahrung auf einem langen Wanderwege durch´s Leben, und alle auf dem Wege nach dem gemeinsamen Ziel, das nun schon nahe vor uns liegt, dem Lande der Ewigkeit, dem wir Christen entgegengehen. - Zwischen Vergangenheit und Zukunft dieser schöne, stille Ruhetag. - Und in unserer Mitte wie damals die Hütte des Stifts, diese Stunde im Gotteshaus, in der wir uns stärken wollen für unsere Weiterwanderung. Fürwahr ein Tag der fühlbaren Gnade unseres Gottes!
Suche ich ein Wort, das alle diese Empfindungen und Gedanken zusammenfasst, so bietet sich wie von selbst das köstliche Schriftstück dar, das wir soeben gehört haben. Es ist die alte Epistel, die unsere Kirche von alters her für den heutigen Sonntag, das Trinitatisfest, bestimmt hat. In ihr spricht Paulus von dem wunderbaren Walten Gottes in der Geschichte der Völker, insbesondere seines eignen Volkes Israel, wie in seinem persönlichen Leben. Mit prophetischem Blick und geisterleuchtetem Auge schaut er überall die weise und gütige, wenn auch oft verborgenen Lenkung einer hohen Hand, der treuen Hand Gottes, die in Gericht und Gnade über den Menschen waltet, und er kann nicht anders als bie dieser Betrachtung ausbrechen in das jubelnde Bekenntnis: "O welch eine Tiefe des Reichtums beide der Weisheit und Erkenntnis Gottes.... denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge."
Müssen wir nicht, meine Freunde, heute an unserem goldenen Konfirmationstage recht von Herzen einstimmen in diesen Lobpreis des dreieinigen Gottes?
Ja, Er, der Leben und Odem allenthalben gibt als Schöpfer, der Vater, hat uns erhalten bis zu dieser Stunde. - Als wir die Namen unserer einstigen Konfirmanden in dem alten Kirchenbuch nachsahen, wie oft hieß es da: Tot, vergessen, verschollen, mancher früh vollendet, andere nach langem Leiden endlich heimgerufen! Uns aber hat Gott erhalten, 64, 70, 80 Jahre und mehr auf unserem Wanderwege trotz Not und Gefahr, Krankheit und Schuld. In wieviel Not hat nicht der gnädige Gott über uns Flügel gebreitet! Wer müsste es nicht von sich sagen in dieser Stunde! -Freilich, es war ein Weg, der manchmal durch Wüsten führte. Unter heißer Sonne des Leides mussten viele von uns wandern. Es lagen Gräber an unserem Wege von geliebten Menschen, Verluste an Besitz und Gut, an dem unser Herz hing, Krankheitsnot, die heute vielleicht noch auf manchen drückt, - vor allem denke ich an euch, die ihr die liebe Heimat verloren habt und gerade heute an sie denkt, -wahrlich Gottes Hand hat manchem schwer genug aufgelegen. Aber es was doch eben Gottes Hand, und die hält um so fester, je mehr sie drückt. "Unter Leiden prägt der Meister in die Herzen, in die Geister, sein allgeltend Bildnis ein, ist wie eine Engelswache, die im innersten Gemache des Gemütes Ordnung hält!" Auch Leiden ist nichts als verhüllte Gnade unseres himmlischen Vaters, und in der Ewigkeit werden wir vielleicht nicht so sehr die glücklichen Tage und Stunden preisen wie die andern, schweren, in denen wir Gott näher gekommen sind in der heißen Wüste des Lebens, und werden besser erkennen als heute noch die Wahrheit des Wortes:" Leiden, hier heißt man dich ein Bürde, droben bist du in Würde, die nicht jedem widerfährt." Und hat er dich nicht hindurchgerettet wie dort die Israeliten in der Wüste, hat er dich nicht gehalten und aufgerichtet, als du im Sande von Not und Trauer niedersinken wolltest und dir Kraft gegeben den Weg bis hierher zu vollenden, war es nicht wirklich so auch in deinem Leben, wie die Verheißung, einst dem Dulder Hiob gegeben, es sagt: " Aus sechs Trübsalen wird er dich erlösen und in der siebenten wird dich kein Übel rühren?" Ja, Gottes Güte ist es, daß wir nicht gar aus sind, und seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende.
Wie aber der Vater als Schöpfer und Erhalter sein Werk an uns getan hat, so der Sohn, unser Heiland Jesus Christus als unser Erlöser. Ach, das erinnert uns wohl an so manches, was unsererseits auf unserem Lebenswege gefehlt hat. Wir denken an das ernste Gelübde, das wir einst in geweihter Stunde am Konfirmationsaltar abgelegt haben, ein gut Bekenntnis vor vielen Zeugen, da wir unserem Heiland Treue gelobt haben, dass wirseine Hand festhalten, in seinen Geboten wandeln wollten unser Leben lang. Es war uns damals doch wohl heiligerErnst damit, wenn anders wir rechte Konfirmanden waren. Aber wir waren jung, dan kam das LEben mit seinen Fallstricken, da kamen Menschen und Verhältnisse, die uns irremachen wollten an unserem Viórsatz, da kamen Versuchungen, denen wir nicht gewachsenwaren, - weißt du nichts von solchen stunden, die du für dein Leben gern ausslöschen, ungeschehen machen möchtest? Wenn man auch vieles vergißt im fortschreitenden Alter, das vergisst man nicht, wo etwa ein tiefer Fall, schwere Versündigung uns Wunden geschlagen hat in usner Gewissen. Wir werden in in den nächsten Tagen unsere Konfirmanden nocheinmal sammeln am Tisch des Herrn, um mit einem demütigen Ja! das Bekenntnis unserer Schuld und Sünde abzulegen. Heute nur dieses: Größer als der Helfer ist die Not nicht. " Ob bei uns ist der Sünden viele, bei Gott ist viel mehr Gnade, sein Hand zu helfen hat keine Ziel, wie groß auch sei der Schade." O, welch eine tiefe desReichtums, dass er uns unsere Sünde vergibt und uns heilt von unseren Gebrechen! Das aber danken wir ihm, unserm Erlöser und Heiland, der sein LEben für uns gegeben hat, uns zu erlösen von allen unsern Sünden. Gelobt sei JEsus Christus, unser Erlöser. Das soll unser Bekenntnis bleiben bis zu unserer Sterbestunde.
Aber auch der Heilige Geist hat sein Werk an uns getan. " Er hat uns durch das Evbangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet und im rechten Glauben geheiligt und erhalten." So haben wir es einst als Kinder gelernt,- heute verstehen wir es besser als damals, da wir zum ersten Mal an den Altar traten. Durch den Heiligen Geist sind wir schon am Tage unserer Taufe berufen worden in die Gemeinschaft derer, die zu Christus gehören. alles, was wir besitzen an Glauben und fröhlichem Gottvertrauen, ist sein Geschenk, ob es uns nun durch christliche Eltern, treue Lehrer, unseren einstigen Konfirmator uns in´s Herz gelegt wurde oder durch gesegnete Stunden im Gotteshause vermehrt und durch unsere Lebenserfahrungen erprobt und vertieft wurde, er hats gewirkt." Ich glaube, dass ich nicht durch eigene Vernunft noch Kraft, an Jesum, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann", - seine Gabe ist es. Und heute am goldenen Konfirmationstag wollen wir es jubelnd bekennen mit  mit dem großen Apostel: O welch eine Tiefe des Reichtums beide, der Weisheit und der Erkenntnis des dreieinigen Gottes, denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit!
Meine Freunde, wir wollen die heutige Feierstunde nicht schließen ohne ein erneutes Gelöbnis. Da war vor einigen Tagen eine liebe goldenen Konfirmandin bei mir, um mir den Spruch zu bringen, den sie einstmals bie ihrer Einsegnung von ihrem Pfarrer mitbekommen hatte. Sie sagte: " Kein Abend ist seitdem vergangen, an dem ich nicht vor dem Einschlafen diesen Spruch gebetet habe." Welch ein schönes Zeichen der Treue und des Gedenkens ans das Konfiramtionsgelübde!
Und noch ein anderes Beispiel von einem Großen der deutschen Geschichte: Der Superintendent Pank, der einst Pfarrer an der Dreifaltigkeitskirche in Berlin war, hatte im Jahre 1880 ein Gespräch mit dem Fürsten B i s m a c k. Dieser erzählte ihm, dass er einst in der Dreifaltigkeitskirche von dem bekannten Theologen Schleiermacher konfirmiert worden sei. Pank fragte dann, ob er auch noch den Konfirmationsspruch wisse. Bismarck antwortete: "O ja! Was ihr tut, das tut von Herzen als dem Herrn und nicht den Menschen. (Kol.3,23) Nicht wahr, ein besseres Wort konnte mir nicht gegeben werden." Pank erzählte nun zu Hause seinem Küster, der die Kirchenbücher zu führen hatte, was er soeben gehört. Dieser blätterte die alten Konfirmationsregister durch und fand richtig den Namen Otto von Bismarck und das Datum 31. März 1830. Nun war es zu Anfang des Jahres noch etliche Wochen bis zum 50 jährigen Erinnerungstage von Bismarcks Konfirmation. Dem Küster kam ein Gedanke. Wir müssen dem Reichskanzler einen Jubiläumskonfirmationsschein schreiben. Wer weiß, ob er den früheren noch hat. Gesagt , getan. Die Konfirmationsurkunde wurde angefertigt, mit etlichen Randzeichnungen versehen, oben das Bild des einstigen Konfirmators Schleiermacher angebracht und vor allem auch der Denkspruch darauf geschrieben. Die Fürstin wurde in das Geheimnis eingeweiht. Diese legte dann am Morgen des 31. März den Jubiläumsschein auf den Frühstückstisch des Reichskanzlers. So war die Überraschung gelungen. Die Fürstin sagte nachher zu D. Pank, daß Bismarck sich kaum über etwas so gefreut habe wie über diese überraschende ernste Erinnerung an seinen Konfirmationstag, an dessen 50. Wiederkehr er nicht im entferntesten gedacht habe. Als dannn Pfarrer Pank einige Zeit nachher dem Reichskanzler das Heilige Abendmahl reichte, führte dieser ihn nach der Feier an seinen Schreibtisch, auf dessen Mitte der Schein aufgestellt war und sagte: " Es hat doch etwas auf sich, wenn man sich sagen muß: 50 Jahre sind hingegangen, seitdem du vor dem Konfirmationsaltar gestanden. Aber der Spruch soll mein Leitstern bleiben."
Und so wollen auch wir, teure einstige Konfirmanden, an dem heutigen Tage unser Gelöbnis erneuern.

Bei dir, Jesu, will ich bleiben,
Stets in deinem Dienste stehen,
Nichts soll mich von dir vertreiben,
Will auf deinen Wegen gehen.
Du bist meines Lebens Leben,
Meiner Seele Trieb und Kraft,
Wie der Weinstock seine Reben,
Zuströmt Kraft und Lebenssaft.

Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben, sagt der Herr. Wer beharrt bis ans Ende, der wird selig.

Amen

Druckerie P. Kreye, Neustadt-Dosse (1-14-7) Fp.520-53-600

 

Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß 06.03.2019