Biografie der Gansedlen Frau Freiin Karla zu Putlitz

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Karla zu Putlitz wurde am 20.05.1912 als älteste Tochter von Hans Albrecht zu Putlitz (1882 -1947) und seiner Gemahlin Ilse, geborene Freiin von Maltzahn (1891-1976) auf Schloss Wolfshagen (Prignitz) geboren. 1911 war das Schloss anlässlich der Eheschließung der Eltern im neobarocken Stil umgebaut worden.


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Schloss Wolfshagen an der Stepenitz gelegen

 

Ihre Ausbildung erfolgte im Stift Heiligengrabe, wo es sehr streng zuging. Das karge Taschengeld von 30 Pfennigen musste geopfert werden, wenn die Pantoffeln nicht ordentlich unter dem Bett standen oder andere kleine Ordnungsfehler geahndet wurden. Im Stift wurde einheitliche Kleidung getragen und niemand von den Schülerinnen wusste, ob die Eltern den Aufenthalt bezahlten oder ob sie einen freien Platz erhalten hatten.

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Karla als Kind

Die Schule wurde aber auch in Innleiten und Schöckingen besucht, wo es nicht so streng wie im Stift Heiligengrabe zuging. Die Familie stammte aus der Altmark (Gänseburg bei Pollitz). Die Gans Edlen Herren zu Putlitz führten eine Gans in ihrem Wappen und brachten im Wendenkreuzzug 1147 das ganze Flussgebiet der Stepenitz unter ihre Herrschaft. Das Schloss Wolfshagen umgab ein Park, der 1850 nach Plänen von Peter Joseph Lenné entstanden war. Hier verlebte Karla zu Putlitz ihre Kindheit und Jugend. Es war ein kleines Paradies, direkt an der Stepenitz gelegen, in dem sie aufwuchs. Die Gutsbesitzer aus der Umgebung, mit denen man befreundet war und die Besuche bei ihnen blieben ihr das ganze Leben lang in Erinnerung. Besonders herzlich erinnerte sie sich an einen Besuch auf der Plattenburg bei den Kindern der Familie Sieghard von Saldern, den sie wegen des Ausbruchs einer infektiösen Kinderkrankheit vorzeitig abbrechen musste.

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Karla zu  Putlitz mit
ihrem Fahrrad vor dem Schloss in Wolfshagen.
Neben ihr steht ihr Bruder Hans Hermann.
Die Mutter Ilse und Bruder Wedigo
sitzen zu Pferde. (1920)
Sammlung: Bernhard von Barsewisch

Nach 1945 wurde die Familie aus dem Schloss und dem riesigen Landbesitzungen vertrieben und fand für kurze Zeit Unterschlupf im Pfarrhaus Tacken ehe sie nach Semlin und schließlich nach Rathenow kam. Karla zu Putlitz arbeitete nun auf einer Hühnerfarm. Ihr heimatliches Schloss in Wolfshagen wurde verwüstet und nur wenige Stücke konnte sie in ihre kleine Wohnung nach Rathenow retten. Durch einen Unfall sehr gehbehindert lief sie jeden Tag ein kleines Stück in Rathenow, um ihre körperlichen Fähigkeiten mit eisernem Willen zu trainieren. Nach der Einheit Deutschlands im Jahre 1990 hätte sie alle Ländereien vom Bundesfinanzminister zurückkaufen können, aber mit ihrer kleinen Rente und dem Bezug von Sozialhilfe war das nicht vorstellbar. Sie fuhr gern mit ihrer Nichte Anna-Margarethe von Podbielski oder ihrem Bruder Wedigo zu Putlitz in die Prignitz. An dieser Landschaft hing ihre Seele und sie wusste zu jedem Ort eine Geschichte zu erzählen. Als Professor Bernhard von Barsewisch ihr zu Hause, das Schloss Wolfshagen, wieder aufbaute, verfolgte sie seine Aktionen voller Begeisterung. Sie konnte auch selbst noch die restaurierten Räume sehen und freute sich darüber sehr. 1992 feierte sie ihren 80. Geburtstag mit der Familie ihrer Nichte aus Bremen und der Familie Knackmuß in ihrer kleinen Wohnung. Als 1996 der Förderkreis zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow gegründet wurde, trat sie ihm am 13.02.1997 bei und verfolgte den Wiederaufbau dieser alten Kirche mit lebhafter Anteilnahme. Ihr Interesse am aktuellen Zeitgeschehen blieb bis ins hohe Alter wach.

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Freiin Karla zu Putlitz


Oft war sie im Hause Knackmuß in der Röntgenstraße 13 in Rathenow zu Gast und konnte sehr schelmisch lachen und unterhaltsam sein. Zu ihrem Geburtstag wünschte sie sich immer eine Fahrt in die Prignitz und wir lernten durch sie die vieltausendjährige Geschichte dieses Landstrichs kennen. Sei es das Wunderblut in Bad Wilsnack oder die Plattenburg oder das Königsgrab bei Seddin oder den alten Opferstein und die vielen Schlösser der ehemaligen Gutsbesitzer - alles war verwoben mit dem Leben von Karla zu Putlitz und bekam durch ihre Erzählungen ein spezifisches Gepräge.  Ihre Cousine Anna-Margarethe von Podbielski wohnte in Bremen und kam regelmäßig nach Rathenow zu Besuch und sorgte sich sehr um Karla.

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Anna-Margarethe von Podbielski

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Als sie 2001 an einem Krebsleiden erkrankte, meinte  es Gott mit ihr gnädig. Noch einen Tag vor ihrem Tode war sie fröhlich und trank ein Gläschen Sekt, ehe sie der Herr über Leben und Tod am 13.06.2001 zu sich nahm. Ein langes Krankenlager war ihr erspart geblieben. Sie wurde auf dem kleinen Friedhof in Birkholz bei Mankmuß in der Prignitz zur letzten Ruhe gebettet.

 

Karla Freiin zu Putlitz liebte ihre Heimat, die Prignitz, über alle Maßen und verehrte auch den Heimatdichter der Prignitz Ludwig Lehmberg (02.01.1874 – 1929), der in Tacken lebte und in Plattdeutsch dichtete.

Wer hett`Recht?
von
Ludwig Lehmberg

As de Kanter no sien Feld gohn will,
Steiht bi de Göös de lütte Prill.
De Deern, de wär erst söhm Johr,
Dat Reken föllt ehr noch wat swor.
De Köster dacht in sienem Sinn,
Ob se ehr Göös woll tellen künn`,
As he ran wär, stünn he bie ehr still:
”Na, wieviel Gänse sind das, kleine Prill ?”
De Derrn, de wier nu ganz verlegen,
”Herr Kanter, dat sünd grod` negen.”
”Nein, zählen kannst du gar nicht schön,
Das sind nicht neune, das sind zehn.”
”Ach wo! Dat sünd jo negen, Herr Kanter,
De denn noch kümmt, dat is de Ganter.”

 

Schlossfest Wolfshagen

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Karla zu  Putlitz wurde im Schloss Wolfshagen geboren. Professor Dr. Bernhard von Barsewisch hat dieses Schloss nach der Einheit Deutschlands wieder aufgebaut und viele Details des Lebens im gutsherrschaftlichen Haushalt zusammengetragen, um den Menschen der heutigen Zeit ein lebendiges Bild vom Leben auf dem Gutshof zu präsentieren. Karla zu Putlitz hatte mir erzählt, dass sie im Winter große Eisblöcke aus der am Schloss vorbeifließenden Stepenitz geschlagen haben und sie unter der Erde in einen tiefen Eiskeller gebracht haben. Das Eis diente dann von einem Winter zum anderen als Kühlschrank und man konnte eisgekühlte Getränke und Speisen servieren.

Im Schloss hat Bernhard von Barsewisch eine erlesene Porzellansammlung ausgestellt. Am Himmelfahrtstag wird jedes Jahr ein  Schlossfest gefeiert. Am 09.05.2013 nahmen meine Frau Viola und ich an diesem Fest teil.   Im ersten Stock des Schlosses Wolfshagen führt Bernhard von Barsewisch persönlich durch die  kostbare Porzellansammlung. Das Schlossmuseums Wolfshagen ist inzwischen in eine Stiftung umgewandelt. Es ist ein Kleinod der Prignitz geworden. 

 

               Meißner Porzellanschale                 

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Porzellanausstellung
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Durch den Professor haben wir auch gelernt, dass früher alle Speisen auf den Tisch gestellt wurden. Ludwig der XIV. hatte zum Beispiel 18 Suppenterrinen mit verschiedenen Suppen. Es wurde alles in Gold- oder Silbergefäßen serviert. Durch die Hintertür kam dann das Porzellan an die fürstlichen Tafeln, weil man in Porzellanschalen das Dessert servierte. Der russische Botschafter in Paris hat dann eingeführt, dass die Speisen nacheinander serviert wurden, was man dann als "menu à la russe" bezeichnete.

                                             Meißner Zwiebelmustertasse

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Die Porzellanaustellung
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Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 06.09.2018