Der Romanische Kelch der Sankt-Marien-Andreas-Kirche

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1. Die Geschichte des Kelchs
Der spätromanische Abendmahlskelch und der dazu gehörige Brotteller (Patene) ist aus vergoldetem Silber und stammt wahrscheinlich aus Niedersachsen und wird in seiner Herstellung auf das Jahr 1260 oder 1280 datiert. Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) soll der Kelch auf dem Rathenower Friedhof vergraben worden sein. Da der Krieg sich aber über so viele Jahre hinzog, starben die Menschen, die ihn vergraben hatten und das Versteck geriet in Vergessenheit. Als 1637 Matthias Lüssow als neuer Superintendent, den man damals Inspektor nannte, nach Rathenow kam, hatte er an einem Tage bei hellem Licht eine Vision. Ein unsichtbarer Begleiter führte ihn über den Friedhof und blieb vor einem alten Grab stehen, aus dessen Tiefe ein goldener Kelch leuchtete. Als Matthias Lüssow bei alten Gemeindemitgliedern herumfragte, hörte er nur vage Gerüchte. Er ließ trotzdem an der Stelle graben und fand in großer Tiefe den goldenen Kelch und andere Abendmahlsgeräte in einer Holzkiste. Nach vielen Jahren der Benutzung geriet der kostbare Kelch in Vergessenheit. Das Gold war im Laufe der Jahre abgeputzt und der Kelch wurde unbeachtet in einem Schrank der Sakristei aufbewahrt. Ein neuer Kelch für 150,00 Mark war für die Feier des Abendmahls angeschafft worden. Eines Tages besichtigte ein Kunstkenner die Kirche, sah den alten Kelch und meinte, er sei von höchstem Wert. Der Gemeindekirchenrat entsandte ihn deshalb zum Leiter des Kunstgewerbemuseums in Berlin, Professor Lessing. Professor Lessing schätze ihn auf 5.000,00 Goldmark und bedauerte, dass das Museum ihn zurzeit nicht kaufen könne. Nach dieser Expertise wurde der Kelch im Tresor aufbewahrt und nur für das erste Abendmahl der Konfirmanden benutzt. 1914 bot ein Kunsthändler für den Kelch 15.000,00 Mark. Da die Gemeinde für den Neubau einer zweiten Kirche Geld benötigte, war die Versuchung groß, den Kelch zu veräußern. Nach internen Überlegungen wurde dem Käufer mitgeteilt, dass der Kelch unter 30.000,00 Mark nicht zu haben sei. Daraufhin erschien ein zweiter Kunsthändler, der angeblich im Auftrag eines holländischen Grafen 30.000,00 Goldmark und etwas später 50.000,00 Goldmark bot. Außerdem würde er bei einer Düsseldorfer Firma eine Kopie für 1.500,00 Mark in Auftrag geben, die nur ein Kenner vom Original unterscheiden könnte. 2.000,00 Mark wollte der Kunsthändler dem Superintendenten Georg Heimerdinger persönlich überreichen. Nach einer hitzigen Debatte im Gemeindekirchenrat war bei der Abstimmung Stimmengleichheit entstanden. Der Superintendent, Georg Karl Heimerdinger,
gab letztendlich mit seiner Stimme den Ausschlag für das Verbleiben des Kelchs in der Gemeinde. Wenig später kam es zur Inflation, so dass das angebotene Geld keinen Wert mehr gehabt hätte.

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Superintendent
Karl Georg Heimerdinger

(* 01.06.1875 - † 05.11.1967)

Der Rathenower Pfarrer Ernst Detert gehörte im Zweiten Weltkrieg der Bekennenden Kirche an, die während der Nazi-Zeit gegen die Verfälschung des Evangeliums auftrat.  Als im April 1945 die russischen Truppen sich immer mehr der Stadt näherten, musste man damit rechnen, dass sie, wie überall sonst, plündern und rauben würden. Pfarrer Detert wusste, dass sich der Abendmahlskelch im Tresor des Kreishauses am Kaiser-Wilhelm-Platz befand. Als der Beschuss auf Rathenow schon begonnen hatte, nahm er sein Fahrrad und begab sich vom Kirchplatz  zum Kreishaus. Er musste immer wieder Zuflucht in einem Torweg suchen, um nicht von einer Kugel getroffen zu werden. Er kannte den Hausmeister im Kreishaus, der ihm den kostbaren Kelche aus dem Tresor übergab. Er steckte ihn in seine Talartasche und stellte alles auf den Gepäckständer seines Fahrrades und radelte wieder zurück zum Kirchplatz. Die Rückfahrt war zufällig in einer Angriffspause und verlief deshalb unkompliziert. Aber nun stand er vor dem Problem, wo man den Abendmahlskelch vor den marodierenden Soldaten verstecken sollte? Der Kelch konnte zwar auseinander geschraubt werden, aber in seinem Etui konnte er unmöglich aufbewahrt werden. Die Idee, ihn im Garten zu vergraben, wurde schnell verworfen, auch ihn im Hühnerfutter zu verstecken, schien nicht sehr realistisch. Pfarrer Ernst Detert hatte in seiner Wohnung eine Bibliothek mit Tausenden von Büchern. So versteckte er die drei Teile des Kelches hinter den Büchern der Bibliothek. Als die russischen Soldaten nach Rathenow kamen, haben sie Uhren, Ringe und alles Erdenkliche mit Gewalt an sich gebracht. Auch wurde der Pfarrer mit seiner Familie gezwungen, das Pfarrhaus zu verlassen und nach Stechow zu fliehen. Als er nach zwei Tagen ins Pfarrhaus zurückkehren durfte, sah er, dass alles geplündert und geraubt worden war, aber den Kelch hinter den Büchern hatte man nicht entdeckt. Nach mehreren Monaten gab es wieder eine Eisenbahnverbindung von Rathenow nach Berlin und Pfarrer Ernst Detert brachte  den kostbaren Kelch zur neuen Kirchenleitung nach Westberlin in die Jebensstraße 3, wo er im Tresor blieb, bis ruhigere Zeiten die Rückkehr des  Kelches nach Rathenow erlaubten. 1967 wurde der Kelch anlässlich des hundertjährigen Bestehens des Kunstgewerbemuseums in Berlin-Köpenick in einer Sonderausstellung gezeigt.  Vom 31.08. - 06.12.2009 wurde der Romanische Kelch als einer der Schönsten in der Ausstellung
 „ Aufbruch in die Gotik“  im Kulturhistorischen Museum in Magdeburg präsentiert. Bei feierlichen Gottesdiensten wird der Kelch heute aus einem Tresor geholt und dient wie seit über 700 Jahren seiner eigentlichen Bestimmung, Körper und Blut von Jesus Christus in Gestalt von Brot und Wein den Christen in Rathenow zu reichen. Durch diese Abendmahls -gemeinschaft mit dem lebendigen Christus ist auch die Rathenower Gemeinde mit allen Christen verbunden, die seit über 700 Jahren von diesem Brotteller (Patene) gegessen und aus diesem Kelch getrunken haben.

2. Die äußeren Maße des Kelches
Kelch und Brotteller (Patene) bestehen aus vergoldetem Silber. Die Höhe des Kelchs beträgt 19,5 cm, der Kelch hat einen Durchmesser von 14,8 cm und der Fuß hat einen Durchmesser von 16,5 cm. Der Brotteller (Patene) hat einen Durchmesser von 20 cm, wobei ein 3 cm breiter Rand eine im Durchmesser 14 cm umfassende Vertiefung umgibt. Der Kelch besteht aus dem Fuß, dem Schaft mit reich verzierten Knoten oder Knauf (Nodus) und der Schale (Kuppa). Alle drei Bestandteile des Kelchs sind miteinander verschraubt. Er wirkt recht breit und kurz. Erst in der Gotik werden die Kelche schlanker und eleganter. Die reiche Verzierung des Kelches zeigen Filigran, Stanz- und Treibarbeiten, Punzieren und Gravieren. Auf den Außenseiten des Kelchs sind vier Bilder in einem Kreis eingraviert.


 

3.  Die erste Szene auf der Kelchschale
Die Szene stellt Adam und Eva im Paradies mit dem Apfelbaum dar. Eva reicht Adam einen Apfel. Um den Baumstamm windet sich die Schlange. Das Bild trägt die lateinische Unterschrift: HIC SERPESENS ET EVA FIT AO E PERSVASIO SEVA.(Diese Schlange wird der Eva und dem Adam zu einer schrecklichen Verführung). 

 

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Das Bild nimmt Bezug auf das Alte Testament in der Bibel (1. Mose 3), wo es heißt: "Die Schlange war das klügste von allen Tieren, die Gott, der Herr, gemacht hatte. Sie fragte die Frau: "Hat Gott wirklich gesagt: "Ihr dürft die Früchte von den Bäumen im Garten nicht essen?" "Natürlich dürfen wir sie essen", erwiderte die Frau, "nur nicht die Früchte von dem Baum in der Mitte des Gartens. Gott hat gesagt: "Esst nicht davon, berührt sie nicht, sonst müsst ihr sterben!" "Glaubt doch das nicht", sagte die Schlange", auf keinen Fall werdet ihr sterben! Aber Gott weiß: “Sobald ihr davon esst, werden euch die Augen aufgehen, und ihr werdet alles wissen, genau wie Gott. Dann werdet ihr euer Leben selbst in die Hand nehmen können." Die Frau sah den Baum an: er war prächtig, seine Früchte sahen verlockend aus, und man sollte auch noch klug davon werden! Sie pflückte eine Frucht, biss davon ab und gab sie ihrem Mann, und er aß auch davon. Da gingen den beiden die Augen auf, und es wurde ihnen bewusst, dass sie nackt waren. Deshalb flocht sich jeder aus Feigenblättern einen Lendenschurz. Am Abend, als es kühler wurde, hörten sie, wie Gott, der Herr, durch den Garten ging. Sie versteckten sich zwischen den Bäumen. Aber Gott rief den Menschen: "Wo bist du?" Der Mann antwortete:" Ich hörte dich kommen, da bekam ich Angst und versteckte mich, weil ich nackt bin!" Wer hat dir das gesagt?" fragte Gott. "Hast du etwa von den verbotenen Früchten gegessen?" Der Mann erwiderte: "Die Frau, die du mir gegeben hast, reichte mir eine Frucht, da habe ich gegessen." Gott fragte die Frau: "Warum hast du das getan?" Sie antwortete:" Die Schlange ist schuld, sie hat mich dazu verführt."..... Dann vertrieb er (Gott) den Menschen aus dem Garten Eden. Denn er dachte:" Nun ist der Mensch wie einer von uns geworden, und alles Wissen steht ihm offen. Es darf nicht sein, dass er noch vom Baum des Lebens isst. Sonst wird er ewig leben! Er soll den Ackerboden bebauen, aus dem er gemacht worden ist." Den Eingang des Gartens ließ Gott durch die Cherubim und das flammende Schwert bewachen. Kein Mensch sollte zum Baum des Lebens gelangen.

4. Die zweite Szene auf der Kelchschale
Das zweite Bild zeigt Abraham, wie er seinen Sohn Isaak opfern will. Isaak befindet sich mit verbundenen Augen auf dem Altar, während Abraham mit dem Messer in der Hand auf seinen Sohn zugeht. Im Alten Testament wird im 1. Buch Mose 22 der Sachverhalt erzählt: "Als Isaak größer geworden war, wollte Gott Abraham auf die Probe stellen. "Abraham!" rief er. " Ja, ich höre", erwiderte Abraham." Nimm deinen Sohn", sagte Gott, „ deinen einzigen, der dir ans Herz gewachsen ist, den Isaak! Geh mit ihm ins Land Morija auf einen Berg, den ich dir nennen werde, und bringe ihn mir dort als Brandopfer dar." Abraham gehorcht und als er gerade dabei war, seinen Sohn zu opfern, rief ein Engel: "Abraham, Abraham, halt ein!....Jetzt weiß ich, dass du Gott gehorsam bist."  

 

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Die Unterschrift zu dem Bild lautet: VOX VENIT E CELIS PARET PATRIARCHA FIDELES (Eine Stimme kommt aus dem Himmel, der gläubige Patriarch ist gehorsam.) Die Geschichte wird auch als Hinweis auf den Kreuzestod Jesus verstanden.

5. Die dritte Szene auf der Kelchschale
Das dritte Bild erzählt die Geschichte, wie das Volk Israel nach dem Auszug aus Ägypten von einer Schlangenplage in der Wüste heimgesucht wird.
Mose hatte, nachdem viele gestorben waren, eine Bronzeschlange errichtet und wer die Schlange anblickte, blieb am Leben. Im 4. Buch Mose 21, 4-9 heißt es: "Als die Israeliten vom Berg Horeb aus weiterzogen, wandten sie sich zunächst nach Süden, um das Gebiet der Edomiter zu umgehen, aber unterwegs verlor das Volk die Geduld, und sie beklagten sich bei Gott  und bei Mose: "Warum habt ihr uns aus Ägypten weggeführt, damit wir in der Wüste sterben? Hier gibt es weder Brot noch Wasser, und dieses elende Manna hängt uns zum Halse raus!" Da schickte der Herr zur Strafe giftige Schlangen unter das Volk. Viele Israeliten wurden gebissen und starben. Die Leute kamen zu Mose und sagten: "Es war nicht recht, dass wir uns gegen den Herrn und gegen dich aufgelehnt haben. Leg doch beim Herrn ein Wort für uns ein, damit er uns von diesen Schlangen befreit!" Mose betete für das Volk, und der Herr sagte zu ihm: "Fertige eine Schlange an und befestige sie oben an einer Stange. Wer gebissen wird, soll dieses Bild ansehen, dann wird er nicht sterben!" Mose machte eine Schlange aus Bronze und befestigte sie an einer Stange. Wer gebissen wurde  und auf diese Schlange sah, blieb am Leben. Die Unterschrift lautet: HIC SERPENS MITIS MEDICINA FIT ISRAHELITIS+ (Diese Schlange wird für die Israeliten zur süßen Medizin). Im übertragenen Sinne sieht man in der erhöhten Schlange Jesus Christus am Kreuz oder die  geweihte Hostie (Abendmahlsbrot) als Körper Christi, wie sie während des Abendmahls vom Pfarrer hoch gehalten wird
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6.  Die vierte Szene auf der Kelchschale
Abraham kommt zum Priesterkönig Melchisedek. Das Bild zeigt die Begegnung zwischen Abraham und dem Priesterkönig der Stadt Salem (Jerusalem) Melchisedek. Melchisedek wird als Priester des  " Höchsten Gottes"  bezeichnet. Abraham brachte dem Priesterkönig den Zehnten. Daraus wurde später das Zehntrecht für die Jerusalemer Priesterschaft abgeleitet. Melchisedek gilt als das Urbild des Priestertums Christi. Das Bild zeigt Melchisedek mit einem Kreuz auf der Brust vor dem Altar stehend. Abraham steht neben ihm und reicht ihm die Kriegsbeute in einem Tuch. Melchisedek gibt ihm den Kelch mit Wein und Brot. Der Bibeltext lautet (1.Mose 14,17-20): "Als er (Abram) nach seinem Sieg über Kedor-Laomer und die mit ihm verbündeten Könige zurückkam, zog ihm der König von Sodom ins Schawetal entgegen, das jetzt Königstal heißt. Melchisedek, der König von Salem (Jerusalem), brachte Brot und Wein heraus. Er war der Priester des Höchsten Gottes. Er segnete Abram und sagte: "Gesegnet sei Abram vom höchsten Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, und gepriesen sei der Höchste Gott, der deine Feinde an dich ausgeliefert hat.“ Daraufhin gab ihm Abram den Zehnten von allem.

 

 

 

 

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Die Unterschrift lautet: „MELCHISEDECH RITE DAT ABRAM DVO MVNERA VITE" (Melchisedek gibt nach der rechten Ordnung dem Abram zwei Opfergaben zum Leben). Abram erhält erst nach dem Bund mit Gott (Beschneidung der Vorhaut aller männlichen Nachkommen) wie bei Mose 1,17,5 nachzulesen ist,  den Namen Abraham (Vater der Menge).

7.  Der Erzengel Rafael
Zwischen den Rundbildern sind die vier Erzengel als Brustbilder dargestellt. Unter den Engeln findet sich ein Flechtband, das neben dem Verbindenden und Schmückenden auch eine Art Schutz gegen das Böse in der Welt symbolisieren soll. Die Helferfunktionen der Engel werden dadurch noch deutlicher gemacht. Zwischen dem ersten und zweiten Rundbild ist der Erzengel Rafael mit segnenden Händen als Brustbild dargestellt. Die Menschen sollen durch ihn auf ihren Wegen geführt und beschützt werden. Zuerst Adam und Eva bei der Vertreibung aus dem Paradies, dann Abraham bei der Opferung seines Sohnes Isaak. Über den Engel  Rafael wird im Buch Tobit 5,6-29 und 12,14-21 der Bibel berichtet. Es heißt in Tobit 12,15: “Ich bin Rafael, einer der sieben heiligen Engel, die das Gebet der Heiligen emportragen und mit ihm vor die Majestät des heiligen Gottes treten.

 

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8. Der Erzengel Uriel
Zwischen dem zweiten und dritten Rundbild ist der Erzengel Uriel abgebildet. Er trägt das Buch des ewigen Evangeliums in seiner rechten Hand. In der Offenbarung heißt es in 14,6:“...Ein anderer Engel flog hoch am Himmel. Er hatte den Bewohnern der Erde das ewige Evangelium zu verkünden, allen Nationen, Stämmen, Sprachen und Völkern.“ In der linken Hand hält er ein Räucherfass. Dazu heißt es in der Offenbarung 8,3: „Und eine anderer Engel kam und trat mit einer goldenen Räucherpfannne an den Altar; ihm wurde viel Weihrauch gegeben, den er auf dem goldenen Altar vor dem Thron verbrennen sollte, um so die Gebete aller Heiligen vor Gott zu bringen.“ Im 4. Buch Mose 21,7 wird berichtet, dass die Leute zu Mose kamen und ihn baten, zu Gott zu beten, weil sie von den Schlangen gebissen wurden. Zu dieser Fürbitte des Mose wird der Engel Uriel dargestellt.

 

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9. Der Erzengel Gabriel
Zwischen dem dritten und vierten Rundbild ist der Erzengel Gabriel als Halbbild zu sehen. Er wird immer als Überbringer von Gottes Segen und seinen Aufträgen an die Menschen dargestellt. So sendet ihn Gott nach Lukas 1,26 zu Maria, um ihr mitzuteilen, dass sie ein Kind empfangen wird. Die Lilie, mit der der Erzengel Gabriel dargestellt wird, weist auf die Reinheit Marias hin. Melchisedek begegnet Abraham ähnlich wie der Erzengel der Maria.

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10. Der Erzengel Michael
Zwischen dem vierten und ersten Rundbild findet man den Erzengel Michael abgebildet. Er trägt einen Stein in der Hand. Seine Aufgabe ist es, die Menschen vor Feinden zu schützen. Der Engel schaut auf das vierte Rundbild, wo Abraham Melchisedek den Zehnten bringt. Abraham war siegreich aus dem Kampf gegen die Kedor-Laomer für seine Angehörigen und deren Besitz zurückgekehrt, und der Priesterkönig des Höchsten Gottes in Salem, Melchisedek, bringt ihm Brot und Wein, segnet ihn und sagt: “ ....gepriesen sei der Höchste Gott, der deine Feinde an dich ausgeliefert hat.“ (1. Mose 14,20). Auf der anderen Seite des Engels ist Adam und Eva zu sehen. Die Deutung ist wohl so zu sehen, dass der Erzengel Michael den Menschen auch nach der Vertreibung aus dem Paradies schützend zu Seite steht.

 

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11. Der Fuß des Kelches
Auf dem Fuß des Kelches finden sich zwei Ovalbilder und zwei Rundbilder als getriebene Flachreliefs. Sie sind viel kleiner als die Bilder auf der Schale. Die Ovalreliefs liegen gegenüber. Oval bedeutet im Mittelalter ein Würdezeichen (die Mandorla) und wird fast nur für den im himmlischen Lichtkranz erhöhten Jesus Christus verwendet. Die Gottesmutter Maria ist die einzige, die ebenfalls selten so dargestellt wird. Das erste Ovalbild zeigt deshalb Christus als thronenden Weltherrscher mit dem Buch des Lebens in seiner linken Hand.

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Christus als Weltherrscher

Das Ovalbild gegenüber zeigt die Gottesmutter Maria. Sie hat das Christuskind auf ihren Knien wie auf einem Thron sitzend. In der rechten Hand hält sie eine Lilie. Die beiden Ovalbilder verkünden das Heils-Sein der Erlösung. Sie erzählen keine Geschichten, sondern dienen der reinen Repräsentation.

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Maria mit dem Kinde

Die beiden Kreisbilder stellen die Geburt Jesu und seine Kreuzigung dar. Dazu werden, wie im Mittelalter üblich, Maria und Josef dargestellt. Die Kreisbilder erzählen das Heilsgeschehen. Sie dienen im Gegensatz zu den ovalen Repräsentationsbildern der Verkündigung.

      
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Geburt und Kreuzigung von Jesus Christus

In der Romanik gehörten zur Darstellung des himmlischen Christus und zur Kreuzigung die vier Evangelisten. Sie finden sich zwischen den vier Medaillons auf dem Fußkelch. Die Zuordnung der Evangelisten ist durch entsprechende Symbole möglich.

Matthäus wird mit einem Engel oder Menschen dargestellt.


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Engel oder Mensch zwischen den Ovalbildern

Markus wird immer mit einem Löwen dargestellt.

 


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Löwe zwischen den Ovalbildern

 

 

Lukas wird mit einem Stier dargestellt und


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Stier zwischen den Ovalbildern

 

 

Johannes mit einem Adler. Die Tiere werden oft als geflügelte Wesen abgebildet.



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Adler zwischen den Ovalbildern

Im Prophetenbuch Ezechiel (Hesekiel) heißt es zur Erscheinung Gottes im 1. Kapitel, Vers 10:“ Und ihre Gesichter sahen so aus: Ein Menschengesicht (blickte bei allen vier nach vorn), ein Löwengesicht bei allen vier nach rechts, eine Stiergesicht bei allen vier nach links und eine Adlergesicht bei allen vier (nach hinten).“

In der Offenbarung des Johannes 4,7 werden die Symboltiere genannt, die um den Thron Gottes stehen. “Das erste Lebewesen glich einem Löwen, das zweite einem Stier, das dritte sah aus wie ein Mensch, das vierte glich einem fliegenden Adler.“

 

12. Theologische Deutungen der Kelchdarstellungen
Immer wieder tritt die heilige Zahl Vier bei den Darstellungen des Kelchs auf. Vier alttestamentliche Kreisbilder auf der Schale, dazwischen vier Engel und vier Darstellungen auf dem Fuß und dazwischen die vier Evangelisten. Die heilige Vier stellt immer das Spannungsfeld zwischen Gott und der Welt dar. Wir kennen die vier auch in anderem Zusammenhang: Vier Jahreszeiten, vier Tageszeiten, vier Windrichtungen, vier Elemente (vier Urelemente, aus denen nach dem antiken Griechenland die Welt besteht), vier Flüsse des Paradieses, vier Buchstaben des Namen Gottes in der hebräischen Bibel. Darüber hinaus finden sich theologische Auslegungen bei der Deutung der Bilder auf der Schale und dem Fuß.     
1. Durch Adam und Eva kamen die Sünde und der Tod und die Gottesferne auf die Menschen (Kreisbild auf der Schale) und durch die Geburt von Jesus (Rundbild auf dem Fuß) kommt die Gnade für die Menschen.
2. Abraham will in Gehorsam gegen Gott seinen Sohn Isaak opfern (Kreisbild auf der Schale). Das dazugehörige Fußbild ist die Gottesmutter Maria, die ihren Sohn präsentiert (Ovalbild auf dem Fuß)
3. Die erhöhte Schlange (Rundbild auf der Schale) rettet das Leben der Israeliten, wenn sie von einer Giftschlange gebissen wurden. Der gekreuzigte Jesus (Rundbild auf dem Fuß) bringt für die gläubigen Menschen ewiges Leben.
4. Melchisedek, der Priester des höchsten Gottes, gibt Abraham die Gaben zum Leben (Rundbild auf der Schale). Jesus Christus ist der Hohepriester und sitzt zur Rechten Gottes auf dem Thron als Weltherrscher (Ovalbild auf dem Fuß).

Die vier Engel auf der Schale des Kelchs stehen für die Diener Gottes. Die vier Evangelisten auf dem Fuß stehen für die Verkündigung der Heilslehre von Jesus Christus.

13. Der Brotteller (die Patene)
Der Brotteller ist aus Silber und vergoldet. Sein Durchmesser beträgt 14 cm. In der Tellervertiefung findet sich ein großes Bild der Heiligen Dreifaltigkeit eingraviert.

 

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Der Brotteller

Es hat die Form eines sechsblättrigen Kleeblattes (Sechspassform). Zwischen den Bögen sind kleine dreieckige Zierecken eingraviert. Die heilige Dreifaltigkeit wird auch als Gnadenstuhl bezeichnet und stellt Gottvater auf dem Thron sitzend dar. Er hält den gekreuzigten Jesus auf seinem Schoß und stützt mit beiden Händen den Querbalken des Kreuzes. Zwischen Vater und Sohn ist eine Taube als Sinnbild des Heiligen Geistes zu finden. Neben dem Haupt Gottes ist rechts und links folgende Inschrift eingraviert: SEDE PATER IN CRVCE FILIVS ALIDE SPIRIT „SANT“ (Auf dem Sitz der Vater, am Kreuz der Sohn, als Vogel der Heilige Geist).

 

 

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Vater und Sohn tragen einen dreigeteilten Heiligenschein (Nimbus). Die Dreieinigkeit oder Dreifaltigkeit (Trinität) Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist wird aber auch an der Dreiecksform der Zierecken sichtbar. Die heilige Zahl drei ist symbolhaft in vielen Formen auf diesem Bild zu erkennen. Auch der Sechspass enthält die drei zweimal.



Ich danke Günter  Thonke für die Überlassung der Aufzeichnungen des  in Schweden lebenden Sohns von Pfarrer Ernst Detert, Hans-Christoph Detert.
 

Copyright:
Dr. Heinz-Walter Knackmuß,
Röntgenstraße 13,

14712 Rathenow

Tel: 03385-5200224

Handy:01792670245

 

Das Buch über die Kirche mit der Geschichte des Kelches ist über

Dr. Knackmuß zu beziehen.

Kosten: 14,00 € + Porto

 

Literatur:
1. Die Kunstdenkmäler des Kreises Westhavelland,

    Berlin 1913
2. Hans-Christoph Detert: Der Kelch der St. Marien-

    Andreas-Kirche in Rathenow
3. Dorothea Hallmann: Der romanische Kelch und seine

    Patene in Rathenow,
    Rathenower  Heimatkalender, 1971
4.
Georg Heimerdinger: 700 Jahre Geschichte der St.-

    Marien-Andreas-Kirche  Rathenow