23. Geschichte des Wiederaufbaus des Chorraumes

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 von links: Schatzmeisterin Heidi Maria Binder, Stellv. Vors. Hartmut Fellenberg, Schriftführer Thomas Weisner, Stellv. Vors. Kevin Kama, Peter Kurth, Viola Knackmuß, Vors. Dr. Heinz-Walter Knackmuß

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Als der Zweite Weltkrieg mit Zerstörung und Tod kam, erklärte der General Keitel Rathenow zur letzten Festung des Deutschen Reiches, die bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen wäre. Der Grund für die Zerstörungswut war, dass er mit seinen Resttruppen erst über die Elbe kommen wollte, damit er nicht in russische Kriegsgefangenschaft geriet. So wurde die Kirche noch zehn Tage vor dem Ende des Krieges in Schutt und Asche gelegt. In der Nacht vom 28. zum 29.04.1945 beschoss der Leningrader Hauptmann der Sowjetarmee Wladimir Nasarowitsch Jegorow die Kirche mit Brandgranaten. Der Turm geriet in Flammen. Da der Küster vergessen hatte, die Brandschutztür vom Turm zum Schiff zu schließen, breitete sich das Feuer über den Eichendachstuhl auf die ganze Kirche aus.  Es war ein riesiges Feuerwerk, das eine Woche lang in den Himmel loderte und mit dem herabstürzenden Dach auch die wertvolle Barocke Kanzel (Nachschnitzungskosten 1.090.000,00 €), die Kreuzgewölbe im Mittelschiff (2010 neu erbaut) und die Schuke-Orgel (Neubau 1 Mio. €)  zerstörte. Viele Menschen auch in den benachbarten Orten sahen aus der Ferne das große Feuer und viele Rathenower weinten. Auch der Superintendent Georg Heimerdinger konnte seine Tränen nicht zurückhalten, denn er war am Ende seines Lebens 50 Jahre als Pfarrer in der Sankt-Marien-Andreas-Gemeinde tätig gewesen. Viele Menschen hatten sich von den Versprechen der Nazis verführen lassen und hatten einer verbrecherisch handelnden Staatsführung vertraut. Die Menschen waren ja auch terrorisiert und getötet worden, wenn sie sich der Staatsdoktrin widersetzten. Die Tränen, die die Rathenower vergossen haben, waren auch wie ein Erwachen aus einem bösen Traum, denn nach und nach wurden immer mehr Gräueltaten der Nazis bekannt. Nicht, dass die Rathenower nun in demokratische Verhältnisse geführt wurden. Nein, die Sowjetsoldaten hatten die Aufgabe, eine kommunistische Diktatur zu etablieren. Diktaturen verfahren alle nach dem gleichen Muster. Terror, Folter und Bestrafung der Menschen, die nicht an ihre Vorstellungen glaubten. Eine neue Regierung versuchte, die Menschen erneut für ihre Zwecke zu verführen. Obwohl die Kommunisten den Faschismus und die Foltermethoden in den KZ verbal verurteilten, wandten sie die gleichen Foltermethoden der Nazis in ihren Gefängnissen an. Pfarrer Friedrich Korth gelang es die Kirche ab 1950 nach und nach von Trümmern und vom Schutt zu säubern. Am 29.06.1952 konnte er den ersten Gottesdienst in der von Schutt und Trümmern befreiten Kirche durchführen. Unter schwierigsten Bedingungen wurde das Mittelschiff mit einem Dach versehen und am 06.09.1959 wurde die Sankt-Marien-Andreas-Kirche feierlich wieder eingeweiht. Man musste zwar die Öffnung zum Chorraum zumauern, aber man hatte wieder ein Gotteshaus, in dem die Rathenower sich am Sonntag zum Gottesdienst versammeln konnten. 14 Jahre nach der Zerstörung war der Teilaufbau der Kirche fertig. Die Menschen in Rathenow freuten sich darüber und dankten Gott für dieses Wunder. Der Chorraum, das Allerheiligste einer Kirche, blieb aber ein Trümmerfeld und eine Ruine, aus der 1990 hohe Bäume in den offenen Himmel ragten. Nach der Einheit Deutschlands im Jahr 1990 begann die Sankt-Marien-Andreas-Gemeinde sofort mit dem Wiederaufbau des Chores. Die Backsteinwände wurden wieder aufgemauert, ein Dach über dem gesamten Chor errichtet und neue Fenster nach Entwürfen von Gerard Henschel eingesetzt. Die Mauer zwischen Chor und Schiff wurde wieder entfernt und man hatte jetzt das Gotteshaus wieder in kompletter Einheit zur Verfügung. 1995 waren der Wiederaufbau der Fassade und des Daches abgeschlossen. Es fehlten jetzt natürlich noch die Kreuzgewölbe des Chors. Erst durch die Fördermittel von Bund und Land, die 2023 in Höhe von 7,5 Mio. € gewährt wurden, bekam die Gemeinde die Möglichkeit, die drei Kreuzgewölbe, die Gott-Vater, Gott-Sohn-Jesus Christus und den Heiligen Geist symbolisieren, wieder zu errichten. Am 04.12.2023 hielten Vorstandsmitglieder des Förderkreises zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow e. V. eine Andacht zum Auftakt der bauvorbereitenden Maßnahmen für den letzten Bauabschnitt in diesem Gotteshaus. Mit den Kreuzgewölben im Chorraum, den Emporen und den Einbau einer Heizung können 80 Jahre nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg (1945) am 01.12.2025 dann die letzten großen Bauarbeiten als abgeschlossen angesehen werden. Das ist ein große Freude für alle Förderkreismitglieder in ganz Deutschland, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Finnland und Kanada. Gerade 2023, wo Krieg und Zerstörung in der Ukraine, in Israel und Palästina wieder so aktuell sind, wollen wir Gott dem Herrn, gelobt sei sein Name, dafür danken, dass wir in Frieden leben und die Kirche zu seinem Lobe wieder aufbauen dürfen. Der Förderkreis dankt allen Mitgliedern des Förderkreises und den vielen Unterstützern des Wiederaufbaus für ihre Spenden und hofft, dass der Bauleiter Stefan Unkelbach von der Baudenkmalpflege Roland Schulze GmbH Potsdam alles zu einem guten Abschluss bringen wird. An Gottes Segen ist alles gelegen, meinte Thomas Weisner bei der Andacht.

 

 

 

Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 04. 12.2023

 

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Am Nikolaustag, den 06.12.2023 bekamen die Bauarbeiter der "Baudenkmalpflege Roland Schulze GmbH Potsdam" Besuch vom  Heiligen Nikolaus, der ihnen einen kleinen Schokoladengruß brachte. Sie waren dabei den Altar abzutragen, um ihn in das hintere Kirchenschiff zu deponieren, damit er dann, wenn der Chorraum 2025 fertig sein wird, dort wieder aufgebaut werden kann. Es gibt bei der Bauvorbereitung immer viel zu tun, denn das Kirchenschiff und der Chorraum müssen völlig leergeräumt sein, damit die Bauarbeiten den Wiederaufbau beginnen können. Der Chor soll ja nach der Fertigstellung barrierefrei vom Schiff zugänglich sein. Ich hatte von Anfang an darauf gedrungen, dass der Chorraum für Behinderte zugänglich sein müsste. Vor der Zerstörung des Gotteshauses war der Fußboden im Chor auch höher und es führten Treppen zur Marien- und Andreaskapelle hinunter. Die Bauarbeiter haben sich über die kurze Unterbrechung ihrer Arbeit gefreut und der Nikolaus erzählte noch eine Geschichte vom jetzigen Bauleiter Stefan Unkelbach, der 2010 die Kreuzgewölbe als Maurermeister Stefan Unkelbach wiederaufgebaut hat. Dr. Heinz-Walter Knackmuß sollte bei einem Festakt den Schlussstein in einem der Sterngewölbe einsetzen und wurde dabei vom Staatssekretär Martin Gorholt begleitet. Er ging vorher zum Mauermeister Stefan Unkelbach und bat ihn um eine Einweisung, wie der Schlussstein einzumauern sei. Der meinte aber: "Ach das geht auch ohne Einweisung." Bei der Zeremonie am 03.12.2009 sagte Stefan Unkelbach: "Sie brauche keine Angst zu haben, ich habe unter den Schlussstein eine Schiene eingebaut. Der Stein kann, nachdem sie ihn mit Mörtel eingesetzt haben, nicht durchfallen." Also machte ich mich ans Werk, bestrich den Stein mit Mörtel und setzte ihn ein und verschmierte die Fugen mit etwas Mörtel. Dann nahm ich einen kleinen Hammer und schlug dreimal auf den Stein und sagte bei jedem Schlag einen Segensspruch:

1.Gott erhalte die Sankt-Marien-Andreas-Kirche und mehre den Glauben der Menschen in dieser Stadt

2. Gott schütze die Stadt vor Zerstörung und Krieg

3. Gott segne die Stadt Rathenow und ihre Sankt-Marien-Andreas-Gemeinde

Die Kirchengemeinde saß im Chorraum und sollte über eine Videokamera den Vorgang der Schlusssteinsetzung verfolgen können, aber wie es im Leben so geht, war bei der Probe alles in Ordnung gewesen, aber bei der Zeremonie fiel die Videokamera aus und Pfarrer Andreas Buchholz sang derweil das alte Kirchenlied "Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren." 

Die Kameraleute und Fotografen waren auf das Kreuzgewölbe gesprungen, um alles aus nächster Nähe zu dokumentieren. Ich sagte zum Maurermeister: "Herr Unkelbach, ich hatte solche Angst, dass daduch das Gewölbe einbricht." Stefan Unkelbach lachte und sagte: "Das Kreuzgewölbe kann eine Last von zehn Tonnen tragen, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen." Nach dem Festakt hatte Pfarrer Andreas Buchholz alle Bauarbeiter zu einem Essen eingeladen und nach einer Stunde, kam der Maurermeister Stefan Unkelbach wieder zurück zur Baustelle und sagte: "Das Essen war ganz großartig. Da hat sich die Sankt-Marien-Andreas-Gemeinde wirklich Mühe gegeben. Ich bin noch immer ganz begeistert, aber Ihren Stein habe ich wieder rausgenommen und ordentlich eingemauert." "So ist das richtig, Herr Unkelbach, Sie sind für die Festigkeit des Mauerwerkes zuständig und ich für die Sprüche."

 

Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 06.12.2023