Vortrag von Prof. Dr. Gudrun Gleba zu den Grabplatten an der Nordwand 19.08.2023

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Prof. Dr. Gudrun Gleba, Mitglied im Kuratorium des Förderkreises zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas- Kirche hielt am 19.08.2023 einen Vortrag über die Bedeutung der Epitaphien an der Nordwand der Sankt-Marien-Andreas-Kirche.
21 interessierte Zuhörer hatten sich vor der Kirchenwand um 12 Uhr eingefunden. Nach dem Angelusläuten begann Prof. Dr. Gudrun Gleba mit ihrem Vortrag. Das Angelusgebet wurde früher am Morgen, am Mittag und am Abend gebetet und geht zurück auf den Engel (Angelus), der Maria die Botschaft von ihrer Schwangerschaft bringt: Ave Maria gratia plena Dominus tecum Benedicta tu in mulieribus et benedictus fructus ventris tui – Jesus. (Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir. Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes -Jesus.) Prof. Dr. Gurdun Gleba sagte, dass nach den Inschriften von links nach rechts die der folgenden Personen auf den Grabplatten aufgeschrieben wurden:1. Carl Joachim Bars, Kauf- und Handelsmann zu Rathenow († 1745), 2. Joachim Bars, vornehmer Bürger und Holzhändler zu Rathenow ( †1740), 3. Frau Dorothea verehelichte Bars († 1741), 4) Frau Christina Elisabeth Ludewig, geb. Bars († 1745). Joachim Bars und seine Frau Dorothea waren, wie die zwei anderen auch, angesehene Bürger der Stadt Rathenow. Die Familien waren von der Armut und dem Elend des Dreißigjährigen Krieges (1618 -1648) geprägt und haben den Frieden und ihren Reichtum natürlich auch geschätzt. Sicher waren die Grabplatten einmal in der Kirche über dem Grabmal der Verstorbenen gelegt worden und dienten auch als Fußboden der Kirche. Vielleicht ist deshalb zu erklären, warum die drei ersten Platten ziemlich abgelaufen sind. Die Inschrift auf der rechten Grabplatte ist noch gut lesbar. Wahrscheinlich hat diese Grabplatte an einem Ort gelegen, der von den Menschen weniger betreten wurde. Es gab immer auch einmal Vorschriften, dass die Grabplatten aus der Kirche entfernt werden mussten und das mag wohl als Erklärung dafür dienen, dass diese vier Platten dann an der Nordwand angebracht wurden. Im Mittelalter war man der Auffassung, dass die jetzt lebenden Menschen auf das Schicksal der Verstorbenen Einfluss nehmen könnten. Das Begrabensein in geweihter Erde wie in einer Kirche sollten die Toten näher zu Gott bringen. Die Seelenmessen, die Gebete der Lebenden würde das Sündenmaß der Menschen verringern und die Zeit im Fegefeuer verkürzen. Es wurden dann am Todestag jedes Jahr eine Messe gelesen und die Angehörigen zündeten nach der Messe Kerzen am Grab an. Die hohen Würdenträger der Kirche und andere Mitglieder in den Klöstern und dem Adel war es vorbehalten in der Kirche begraben zu werden. Aber die Kirchen brauchten auch Geld und wer wohlhabend war, konnten sich einen Begräbnisplatz in der Kirche sichern. Manch ein Vermögender machte dann eine Stiftung für die Kirche oder baute etwas auf, was dringend gebraucht wurde oder den Kirchenraum verschönte.
Die Grabplatten dienten natürlich auch einer Selbstdarstellung der Bürger und brachten den Wunsch zum Ausdruck, nicht vergessen zu werden. Man konnte auch schon im Voraus Seelenmessen für sich kaufen und so wurden dann regelmäßig Messen für die Verstorbenen gelesen und für sie gebetet. William Shakespeare schreibt in seiner Komödie „Viel Lärm um nichts“:“ Wer in unserem Zeitalter sich nicht selbst eine Grabschrift aufsetzt, ehe er stirbt, der wird nicht länger im Gedächtnis leben, als die Glocke läutet und die Witwe weint.“ Auf den Grabplatten findet man oft die Inschrift: „Orate pro anima eius!“ (Betet für seine/ihre Seele!)

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Auf der rechten Grabplatte steht geschrieben:

Allhier ruhet der sterbliche Theil
Einer Geliebten Gottes
Der Wohledlen und Tugendsamen Frauen
Christina Elisabeth Ludewigen
gebohrenen Barsen
welche 1715 den 19 Julii gebohren
und 1745 den 27 Julii gestorben
Sie war ein gehorsame Tochter fromer Eltern
Eine getreue Ehegattin ihres Mannes,
Eine sorgfältige Mutter von 6 Kindern,
Davon 4 bey ihr in der Ewigkeit sind.
Eine fromme Christin
welche hier dem Gnadenzug Gottse folgte,
Und nun bey dem Herrn ewig lebet.

***
Schreib, Leser, dis in deine Brust,
Weil du, wie ich, auch sterben must;
Wohl dir, wenn Gott, der nie gelogen
Auch dir, wie mir, dis Zeugniß giebt:
Weil ich dich je und je geliebt,
So hab ich mich zu dir gezogen: Jer:31.3

 

 

Die Totengedenktafel ist von einer Blattornament umrahmt und oben halten zwei Engel die Krone des Lebens. Am unteren Rand des Epitaphs sind links zwei Sanduhren angebracht, die auf die Endlichkeit des menschlichen Lebens verweisen.
Wie wir aus den Lebensdaten entnehmen können, ist Christina Elisabeth Ludewig nur 30 Jahre alt geworden und hat in dieser Zeit sechs Kinder zur Welt gebracht, von denen vier gestorben waren.

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Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 19.08.2023

 

 

Einladung 

zum Vortrag und Presseankündigung 
zum Vortrag von Prof. Dr. Gudrun Gleba

 

 

 

In Ergänzung zu dem Vortrag von  Prof. Dr. Gudrun Gleba hatte Heike Brett die Familiengeschichte im Rathenower Heimatkalender  2022  unter dem Titel "Preußischer Adel heiratet Rathenower Geldadel" veröffentlich:

 

 

 

 

 

Preußischer Adel heiratet Rathenower Geldadel

                                                        von Heike Brett

Graf von Sparr und von Kaphengst heiraten Töchter des reichen Holzhändlers Joachim Wilhelm Bars

 

 

Waren es besonders hübsche junge Frauen oder war es das Vermögen des Vaters, des Generalholzinspektors Joachim Wilhelm Bars (1719-1785) und seiner Ehefrau Charlotte Auguste Friederike Bock (1722-1800), dass die beiden Offiziere des Leib-Carabinier-Regiments auf die vermögenden jungen Damen aufmerksam werden ließ. Vielleicht beides !

Reibungslos verlief die Eheanbahnung zwischen Graf Karl Friedrich Ludwig von Sparr (1756-1813) und Henriette Augusta Johanna (Jeanette)

Bars (1765-1835) jedenfalls nicht. Friedrich II. (1712-1786) verweigerte dem Grafen die Heiratserlaubnis mit einer Bürgerlichen. Das Paar widersetzte sich und fuhr zur Trauung ins nahe Ausland. Erst nachdem Friedrich der II. gestorben war erteilte sein Nachfolger den Heiratskonsens und die Trauung konnte in Rathenow nachgeholt werden.

Für das junge Paar ließ der reiche Brautvater von 1780-1785 ein Stadtvilla in der Neustadt von Rathenow, das ehemalige Stadtcasino, errichten.

Nachdem Graf von Sparr im Jahre 1813 verstorben war heiratete die Witwe erneut standesgemäß. Neuer Ehemann wurde Heinrich Ludwig von Treskow. Die Villa wurde 1814 an Carl Borchmann, 1817 an Karl Gotthilf Sittig und 1822 Friedrich Wilhelm von Bornstedt weiterverkauft.

 

Zum Bräutigam der älteren Tochter, Charlotte Wilhelmine Bars, geboren 1759, wurde Wilhelm Gottfried von Kaphengst (1751-1818) erwählt. Die Hochzeit fand 1783 statt. Charlotte Wilhelmine war junge Witwe. Ihr erster Ehemann Philipp August von Thümen starb im Jahre 1781.

Auch für diese Paar ließ Bars gleich nebenan ( heute Wilhelm- Külz -Str. 13) ein standesgemäßes Haus erbauen.

Wilhelm Gottfried von Kaphengst war der jüngere Bruder des Christian Ludwig von Kaphengst (1743-1800). Dieser war der Günstling des Prinzen Heinrich von Preußen (1726-1802) . Als der Prinz sein Verhältnis zu Kaphengst lösen wollte, spendierten König und Prinz als Abfindung das Geld für den Kauf des Schlosses Meseberg am Huwenowsee, dem heutigen Gästehaus der Bundesregierung. Es ist anzunehmen, dass es zu wechselnden Besuchen der Brüder in Rathenow und Meseberg kam.

Sicher gehörte die Familie Bars zu den reichsten Bürgern von Rathenow. Wie kam es aber zu diesem Reichtum ?  Kantor Triepke schrieb in seiner Chronik „Rathenowgrafia“, dass durch den Holzhandel nach Hamburg „mancher so empor kommt, daß aus einem armen und geringen Handwerks- oder Arbeitsmanne ein großer Capitalist geworden.“

Die Holzhändlerfamilie Bars besaß im 18. Jahrhundert das größte Haus in der Jederitzer Straße. Der Garten des Hauses reichte bis zur Baderstraße.

Hier baute Joachim Bars, der Großvater des spendablen Brautvaters eine Schifferherberge für seine Holzflößer.

Der Reichtum der Familie Bars und ihre privilegierte Stellung in der Stadt Rathenow wird an der Nordseite des Langhauses der St. Marien-Andreas- Kirche sichtbar.

Hier befinden sich vier zu einer Gruppe vereinigte, aufrecht eingemauerte Grabsteine aus der Rokoko Zeit. Der Text ist  teilweise sehr schlecht lesbar. Der Grabstein außen rechts ist am Besten erhalten und gut lesbar. Es besteht dringender Handlungsbedarf die noch bestehenden Fragmente der Texte der drei anderen  Grabsteine zu sichern.

In der Mitte der Vierergruppe, die zwei Grabsteine der Eltern Bars.  Der „vornehme Bürger und Holzhändler zu Rathenow“: Joachim Bars (1682-1740), daneben rechts seine Ehefrau Dorothea (1692-1741). Außen links der Sohn, Karl Joachim Bars, Kauf- und Handelsmann zu Rathenow, verstorben nach meinen Recherchen im Jahre 1743, lt. Kunstdenkmäler im Jahre 1745.  Rechts außen, neben der Mutter, die Tochter Christina Elisabeth Ludewig, geborene Bars, verstorben 1745.

Möglicherweise hat der Sohn und Bruder der Verstorbenen, Johann Bars, für die von Meisterhand geschaffenen Grabplatten gesorgt und sie fertigen lassen.

Seine Ehe mit Johanna Dorothea Zietz hat den Reichtum der Familie Bars weiter vergrößert. Schwiegervater Johann Zietz war Brauer, Holzhändler und Weinhändler. In „Bilder aus Alt Rathenow“ heißt es auf Seite 91-92:

„Den Grundstein für den späteren Wohlstand der Familie Bars hat wohl die Ehe mit einer geborenen Zietz gelegt.“ Wie man an den Grabplatten erkennen kann war der Grundstock für den Wohlstand wohl schon einige Generationen vorher gelegt worden.

Der Generalholzinspektor Joachin Wilhelm Bars (1719-1785) war ein Sohn aus der Ehe Bars/Zietz, mit ihm erreichte der Reichtum der Familie seinen Höhepunkt, der Adelstitel der Töchter krönte diesen Reichtum und wertete das Ansehen der Familie über die Grenzen von Rathenow hinaus auf.

Quellen:

 

  1. Eigene Recherchen in den Kirchenbüchern von Rathenow im Archiv des Domstiftes Brandenburg.
  2. Die Kunstdenkmäler des Kreises West Havelland, Seite 192
  3. Heimatkalender 1972, „Häuser die vor dem Abbruch stehen“ von Fritz Klewitz.
  4. Heimatkalender Kreis Jerichow II von 1934, Wilhelm Gottfried von Kaphengst.
  5. „Die Stechows und ihre Zeit“ Seite 944
  6. Aus havelländischen Truhen / Havelzeitzung 22/23.1. 1944
  7. „Häuser haben ihre Schicksale"

 

Copyright: Heike Brett 2022