62-Landin-Das Osterfest in Landin

62-Das Osterfest in Landin

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Das Osterfest in Landin war immer für die Menschen etwas Besonderes. Das Erwachen der Natur aus dem Winterschlaf erfreute alle und man konnte sich doch wieder mehr draußen aufhalten. Die Kälte, der Nebel und der winterliche Regen war vorbei. Die Bauern beackerten ihren Felder und die Kühe kamen auf die Weide. Um 1930 floss auch noch das Wasser eilig durch den Buchtgraben zum Havelländischen Hauptkanal. Die Mädchen gingen dann mit einem Wasserkrug zum Buchtgraben und holten vor Sonnenaufgang etwas Wasser. Sie durften dabei mit niemanden sprechen. Wenn sie sich damit wuschen, sollten sie noch schöner werden. Wenn sie nur ein Wort bei diesem Gang sprachen war der Zauber verwirkt. Bei der Familie von Bredow im Schloss war Ostern ein Fest, bei dem sich die ganze Familie traf und natürlich waren auch regelmäßig Verwandte zu Gast, die von den Bredows eingeladen wurden. Auf die Küchen-Mamsell und ihren Beiköchinnen kam da viel Arbeit zu, aber sie liebte das Osterfest, denn es wurde die Festtafel gedeckt, das Silberbesteck mit dem Monogramm der von Bredows geputzt und es gab ein besonderes Menu. In jeder ordentlichen preußischen Adelsfamilie wurde das Zwiebelmusterporzellan aus Meißen benutzt. Es gab große Suppenterrinen, Suppenteller, flache Teller und Frühstücksteller und Schüsseln in jeder Größe bis zu den Kompottschälchen.

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Teegedeck
Meissener Porzellan

 

Das Porzellan fand ziemlich spät Zugang zu den Palästen der Könige und des Adels. Man speiste bei Hofe von Gold- und Silbertellern, wie wir das aus dem Märchen von Dornröschen kennen, wo der König einen goldenen Teller zu wenig hatte und die eine Fee deshalb nicht einladen konnte. Den Einzug machte das Porzellan an den Fürstenhöfen in Europa mit dem Nachtisch, der auf Porzellantellern serviert wurde und durch diese Hintertür eroberte es nach und nach die ganze Festtafel. Der Sonnenkönig Ludwig XIV. hatte eine riesige Festtafel, wo alle Speisen aufgetragen standen. Es gab zum Beispiel acht verschiedene Suppen, die auf der Tafel standen. Man aß von allen Dingen, auf die man Appetit hatte und die Diener taten den Mitgliedern der königlichen Familie und ihren Gästen auf, was sie verlangten. Der Gesandte des russischen Zaren in Paris lud natürlich auch zum Essen ein, und da gab es plötzlich eine Suppe als Vorspeise, danach eine Pastete, es folgte ein Fischgericht und so gab es bis zu 20 Gängen, die bei einer Gala in kleinen Schalen oder auf Tellern nacheinander aufgetragen wurde. Das war für den Adel in Frankreich völlig neu und man winkte verächtlich ab und nannte es „Menu à la russe.“ Aber dieses „Menu à la russe“ setzte sich doch im Laufe der Jahre durch und heute gibt es fast bei allen Staatsempfängen und Festessen ein „Menu à la russe.“

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Obstschale
Meissener Porzellan


Der König von Preußen, Friederich II. wollte selbstverständlich eine eigene Porzellanmanufaktur haben und so erteilte er 1751 den Auftrag an den Kaufmann und Wollfabrikanten Wilhelm Caspar Wegely die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM) zu errichten und 1763 wurde dort das erste Porzellan hergestellt. Jede adlige Familie in Preußen wurde vom König gezwungen, ein Service pro Jahr dort in Auftrag zu geben. So fand sich natürlich auch KPM-Porzellan auf den Tafeln der Bredows im Havelland. In Landin gab es neben allerlei Ostergebäck und den bunten Eiern ein immer gleiches Menu, das nach dem Gottesdienst in der Dorfkirche Landin im Speisesaal des Schlosses serviert wurde. Zum Beginn gab es eine Kartoffelsuppe, die die Küchen-Mamsell mit kleinen knusprig gebratenen Speckscheiben und gerösteten Zwiebeln und in der Mitte ein pochiertes Ei servieren ließ. Dann folgte ein Kressesalat. Die Mamsell säte die Kresse in großen Schalen rechtzeitig aus und stellte sie auf die Fensterbänke der Küche und freute sich, dass zum Heiligen Osterfest alles geerntet werden konnte. Dann folgte das Hauptgericht mit gebratenem Lamm und Kartoffelsalat. Diesen Kartoffelsalat gab es nur zu Ostern einmal im Jahr. Sie kochte die Kartoffeln und schnitt sie in kleine viereckige Würfel. Sie machte auch eine gekochte und in Würfel geschnittene Sellerieknolle sowie kleine gekochte Möhrensplitter an den Kartoffelsalat. Die Möhren gaben dem Kartoffelsalat etwas Buntes. Aber das Geheimrezept war die Mayonnaise, die sie selbst aus Eiern, Essig, Öl, Salz, Pfeffer und Zucker herstellte. Zu Ostern gab sie etwas Safran dazu, was den Geschmack sehr verfeinerte und den ganzen Salat gelb einfärbte. Als Beilage hatte die Köchin aus dem eigenen Sauerkraut ein feines Weinsauerkraut gekocht, das sie mit dem Saft von roter Beete wenig einfärbte. Aus der Fleischbrühe vom Lamm machte sie eine Rotweinsoße mit Butter, Zwiebeln, Honig und Rosmarin. Als Nachtisch wurde Rote Grütze mit Vanillesoße gereicht, die sie in großen Schüsseln aus dem eingeweckten Beeren und Kirschen kochte und Milch war ja sowieso immer da. Der Hausherr rückte auch zum Osterfest seine besten Rotweine heraus. Alle Bewohner im Schloss freuten sich schon auf diese traditionelle Mahlzeit und lobten die Küchen-Mamsell jedes Jahr aufs Neue. Den Safran hielt sie streng unter Verschluss. Er war die teuerste Zutat zu den Speisen, die sie bereitete. Nach dem Essen wurde ein Mokka getrunken und die Kinder machten sich zum Eiertrudeln auf zum Teufelsberg. Wer wollte, konnte auch einen Ausritt über durch die Wälder und Waldwege wagen. Die Stallburschen standen am Ostersonntag bereit für die Gastgeber und ihre Besucher. Am Ostermontag hatten sie nach dem Mittagessen frei. Die Alten machten auch ein Mittagsschläfchen, aber zum Tee um 17:00 Uhr fanden sich alle wieder ein und probierten den Kuchen, den Mamsell zum Osterfest gebacken hatte. Dann wurden Spiele gemacht und auch Karten gespielt bis das Fest mit einem Abendessen ausklang.  

 

© Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 01.04.2022