Biografie von Johann Friedrich Meuß

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 Foto Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß

Biografie des Ehrenbürgers der Stadt Rathenow Johann Friedrich Meuß,
aufgeschrieben von seinem Sohn, dem Kapitän zur See Johann Friedrich Meuß,
und etwas gekürzt vom Enkelsohn, Pfarrer, Joachim Andreas Meuß

 

 

 

1. Kindheit und Schulzeit
Johann Friedrich Meuß wurde am 26.07.1813 in Rathenow geboren. Sein Vater, Johann Friedrich Meuß, war Kaufmann und seine Mutter, Dorothea Charlotte Wilhelmine Meuß, geborene Schönermark, war Hausfrau. Die offizielle Familienanzeige in der Vossischen Zeitung lautete: „ Heute wurde meine Frau von einem gesunden Knaben glücklich entbunden. Rathenow, den 26. Juli 1813. J.F. Meuß“. Am 18. 08.1813 wurde Johann Friedrich Meuß in der Sankt Marien-Andreas-Kirche getauft. Seine Eltern hatten an diesem Tag ihren Hochzeitstag und der Vater noch dazu Geburtstag. Die Paten waren:
1. Kaufmann Hübener
2. Inspektor Leyding
3. Apotheker Barth
4. Prediger Schäffer
5. Syndikus Meuß
7. Fräulein Lösicke
8. Frau Dr. Schönermark
9. Major von Knoblauch
10. Prediger Duncker.

Ob der Großvater Johann Friedrich Meuß oder der Prediger Johann Heinrich August Duncker oder der damalige Superintendent Ewald oder der Prediger Schäffer die Taufe vornahmen, ist unbekannt. Zwei seiner später geborenen Brüder starben noch im Kindesalter. Sein Bruder Eduard, geboren am 19.01.1817 in Rathenow, wurde später Theologieprofessor in Breslau und starb am 01.7.1893. Seine Schwester Wilhelmine (*15.02.1821 - † 22.3.1894) war Klavierlehrerin und seine Schwester Klara (*15.01.1827 - † 14.07.1881) heiratete den Pastor Fritz Lympius. Mit sechs Jahren konnte Johann Friedrich Meuß das fünfzigjährige Amtsjubiläum seines Großvaters Joahann Friedrich Meuß miterleben. Als seine Großmutter Ernestine Marie Sophie Meuß, geborene Lösecke, am 18.07.1822 an einem Schlaganfall starb, war er neun Jahre alt. Von Michaelis (29.09.) 1821 bis Ostern 1827 besuchte Johann Friedrich Meuß die Bürgerschule in Rathenow. Am 12.04.1827 wurde er vom Prediger Heise eingesegnet. Sein Konfirmationsspruch lautete: Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben (Offenbarung 2,10). Mit seinen Mitschülern Julius Berlin und Julius von Knoblauch war er freundschaftlich bis zum Tode verbunden. Am 19.04.1827 brachte ihn sein Vater zu dessen Bruder Karl, der Regierungsrat in Frankfurt (Oder) war. Dort ging Johann Friedrich Meuß ein Jahr lang zur Oberschule.
2. Die Lehrzeit
Am 18.04.1828 begann Johann Friedrich Meuß eine Lehre in der Rathausapotheke in Brandenburg an der Havel, beim Apotheker Geiseler. Sein Vater brachte ihn dorthin. Erst zu Weihnachten durfte er wieder nach Hause, nachdem er am 20.11.1828 die Prüfung über seine Befähigung für den gewählten Beruf bestanden hatte. In den nächsten Jahren fand er zwei gute Freunde. Auch wurde er in den Häusern der entfernt verwandten Familien Betge und koch freundlich aufgenommen. Am 10.01.1829 verlor er seine andere Großmutter, Sophie Schönermark, geborene Hübener. Einige Zeit konnte er auch mit seinem Bruder Eduard in Brandenburg an der Havel zusammen sein, bis dieser zu seinem größten Bedauern 1830 auf die berühmte Landesschule nach Schulpforta (Naumburg) kam, die seit 1815 zu Preußen gehörte. 1832 ging die Lehrzeit zu Ende. Durch ein am 07.04.1832 vor dem Stadtphysikus mit „sehr gut“ bestandenes Examen wurde er für tüchtig erklärt, von jetzt an als pharmazeutischer Gehilfe angestellt zu werden.
3. Als pharmazeutischer Gehilfe
Bis zum 20.09.1832 blieb in Brandenburg an der Havel beim Apotheker Geiseler und bekam von ihm ein vorzügliches Abgangszeugnis, in dem er unter anderem „ als ein sittlich guter Mensch, als ein fleißiger Arbeiter und als ein dem Interesse seines Prinzipals (Chefs) treu ergebener Hausgenosse“ bezeichnet wird. Zum 01.10.1832 ging er dann nach Stettin als Receptarius an die Pelikan-Apotheke, die dem Apotheker Ritter gehörte. Dieser ließ ihn nach nur acht Monaten am 31.05.1833 nur ungern mit einem vorzüglichen Zeugnis gehen. Er hatte nämlich das Unglück gehabt, dass beim Kegelschieben in Hemdsärmeln der rechte Arm durch Zugluft völlig gelähmt wurde. Dieser Zustand veranlasste seinen Abgang und seine Rückkehr nach Rathenow, wo er in der Wildhagenschen Apotheke bis Ostern 1834 als Recipient eine Stellung erhielt. Von hier aus trat er zur Heilung seines Armes am 21.07.1834 seine von ihm slbst beschriebene Reise nach Teplitz an, von wo aus er auch Prag kennen lernte. Die Kur hatte günstigen Erfolg, doch blieb eine gewisse Fühllosigkeit im rechten Arm zurück, wenngleich er ihn auch wieder vollständig gebrauche konnte. Vorher schon, nämlich am 17.06.1832 war er von der Ersatzkommission des Westhavelländischen Kreises wegen „ Verdunkelung des linken Auges und Anlage zu Plattfüßen“ als unbrauchbar für den Feld-Dienst, aber noch tauglich für das zweite Aufgebot der Landwehr erklärt worden. Vom 01.04.1834 bis 1836 war Johann Friedrich Meuß wieder in der Geiselerschen Apotheke in Brandenburg an der Havel tätig und stand zur vollen Zufriedenheit seines Chefs der Rezeptur vor. Dann ging er nach Berlin zur Vollendung seiner Studien und zur Ablegung des Staatsexamens.
4. Studium in Berlin
Nach den damaligen Bestimmungen war die Studienzeit für Pharmazeuten, „welche die Apothekerkunst bereits gehörig erlernt, und wenigsten drei volle Jahre als Gehülfen serviert haben“ auf mindestens zwei volle Semester festgesetzt. Dieses Jahr wurde für Johann Friedrich Meuß sehr angenehm, obwohl er fleißig arbeiten musste. Seine beiden Freunde, Julius Berlin und Julius von Knoblauch, studierten damals nämlich auch in Berlin. So konnte er es verschmerzen, dass sein Bruder Eduard nicht an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, sondern in Leipzig sein Studium begann. Es passierte ihm in seiner Wohnung in Berlin das Unglück, dass die Gardinen Feuer fingen und verbrannten. Auch einige Fenster platzten, sodass er tüchtig bezahlen musste. Mit seinem Bruder in Leipzig und mit seinen zwei Freunden unterhielt er einen lebhaften Briefwechsel und übernahm auch viele Besorgungen. Seine Wäsche machte seine Mutter in Rathenow und kamen mit Einlagen per Fracht an ihn mit der Bitte um etliche Besorgungen für Freunde und Bekannte. Leider zeigte sich damals schon der Anfang seines Hämorrhoidalleidens, dessen Verlauf später so unglücklich für ihn werden sollte. Am 10.03.1837 meldete er sich zum Staatsexamen, aus dem er am 15.07.1837 mit dem Prädikat „ vorzüglich gut“ auf dem Fähigkeitszeugnis als Apotheker erster Klasse hervorging. Zu seinem 24. Geburtstag überreichten ihm seine Freunde Julius Berlin und Julius von Knoblauch ein schönes Geschenk mit einem sinnigen Gedicht.
5. Der Apotheker
Der neugebackene Apotheker ging nun nach Rathenow zurück, um sich in Ruhe nach einer geeigneten Stellung umzusehen. Besonders lockte ihn der Rhein. Dort in einer rheinischen Stadt hätte er gern eine Stelle angenommen. Allein, die Bruderliebe überwog und so folgte er dem Drängen seines Bruders Eduard, der damals in Göttingen studierte. Vorher konnte er aber noch am 18.08.1937 mit seinen beiden Schwestern an der Silberhochzeit der Eltern teilnehmen. Am 15.02.1837 hatte sein Vater ein Geschäft in der Altstadt verkauft und nur die Ziegelei auf dem Burgwall behalten, was den Lebensweg des Sohnes später in eine ganz andere Richtung lenken sollte. Damals war der Vater auch in das Gaertnersche Haus in der Berliner Straße umgezogen. Michaelis (29.09.) 1837 reisten beide Brüder dann zusammen nach Göttingen, wo Johann Friedrich Meuß in der Ratsapotheke des Herrn Jordan zu völligen Zufriedenheit seines Chefs dem Laboratorium vorstand. Fünf Jahre nach Otto von Bismarck verlebten nun die Brüder in der schön gelegenen Musenstadt ein schönes Wintersemester. Danach ging Johann Friedrich Meuß für drei Jahre nach Berlin als Apotheker an die Tierarzneischule, die vom Direktor Professor Dr. Erdmann geleitet wurde, der ihn auch liebenswürdig in seiner Familie aufnahm. Seine Schwester Minna ließ sich in dieser Zeit in Berlin musikalisch ausbilden und die Geschwister trafen sich oft.
6. Vom Apotheker zum Töpfer
Sein Sohn, ebenfalls mit Namen Johann Friedrich Meuß (1852 -1930), war Korvettenkapitän zur See schrieb auf der SMS (Seine Majestät Schiff) „ Möwe“ im Mittelmeer am 07.10.1882: Mein Vater hatte ursprünglich die Apothekerei als Lebensberuf gewählt. Mangelnde Mittel machten es ihm jedoch unmöglich, eine Apotheke zu erwerben und so sattelte er als Dreißigjähriger noch um und das kam so. Sein Vater hatte neben seinem Materialiengeschäft auf dem so genannten Burgwall vor dem Jederitzer Tor, einer von Havel und Stremme gebildete Halbinsel, ein Ziegelei angelegt, in der er mit starken Summen engagiert war und die ihm schon viel Not und Kosten gemacht hatte. Er verstand zu wenig von der Sache und hatte außerdem zweimal großen Schaden durch Niederbrennen der Gebäude. Es muss damals mit dem ganzen Geschäft sehr schlecht gestanden haben, denn die Aufzeichnungen des Vaters deuten auf die Befürchtung des Schlimmsten hin, und so entschloss sich denn der Sohn, Johann Friedrich Meuß, der damals als Provisor (erster Gehilfe des Apothekers) in der Altstädtischen Apotheke arbeitete, seine Beruf aufzugeben und die Ziegelei zu übernehmen, in deren Erweiterung der Vater noch ein Ofenfabrik angelegt hatte. 1839 existierte noch die alte Gewerbeordnung und so musste der Sohn regelrecht das Töpferhandwerk lernen und die Meisterprüfung ablegen.“ Die Umstände drängten. Daher lernte er vom 01.04.1841 bis 1843 bei dem Töpfermeister Rölicke in Rathenow die Töpferei und legte am 11.07.1843 vor dem Regierungsbauinspektor Heidefeld seine Meisterprüfung ab. In dem Zeugnis heißt es:“ Der von dem Examinanden selbst gesetzte Ofen, von feinen weißen Schmelzkacheln, ist sehr sauber und ohne jeden Fehler gesetzt, und es kann daher dieser Ofen als ein besonders gutes Meisterstück angenommen werden.“ Am 03.09.1844 erwarb Johann Friedrich Meuß das Bürgerrecht und leistete vor dem Magistrat der beiden Städte Alt- und Neustadt Rathenow den Bürgereid. 1846 übernahm er die Leitung der Ziegelei und Ofenfabrik von seinem Vater. Am 16.09.1842 starb seine innig geliebte Mutter noch nicht 49 Jahre alt. Am 29.01.1847 verlobt er sich mit der 23jährigen Wilhelmine Seyfferth.
7. Der eigene Herd
Da der Bräutigam 34 Jahre alt und selbstständig war, brauchte seine junge Braut nicht allzulange auf die Hochzeit warten. Am 15.10.1847 wurde das Paar in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche getraut und bezog eine kleine Wohnung im Obergeschoss des Hauses am Paradeplatz (heute Schleusenplatz), Ecke Schleusenstraße. Das Haus gehörte dem Buchhändler Haase, der auf dem Grundstück eine kleine Druckerei betrieb. Der Buchhändler wohnte im Erdgeschoß und da das Verhältnis zwischen dem Hauswirt und seinen Mietern sehr gut war, blieb die Familie Meuß dort bis zum Jahr 1865. Hier wurden die vier Kinder geboren: 1850 Marie, 1852 Johann Friedrich, 1855 Käthe und 1863 Klara. Hier starb auch am 07.12.1856 Adelheid Seyfferth, die einzige Schwester der Ehefrau Wilhelmine. Die Familie Seyffarth oder wie sie sich später nannte Seyfferth gehörte zum Nährstand (Bauern) und war in verschiedenen Dörfern des Havellandes ansässig. Nach dem Trauregister von Stechow hat der herrschaftliche Amtmann Johann Christian Seyffarth 1784 zu Buchow (heute Buckow bei Groß Wudicke) am 20.10.1816 in Stechow die 25jährige Jungfer Dorothee Friederike Herms geheiratet. Die beiden Väter waren als herrschaftliche Amtleute in Buckow beziehungsweise in Stechow bezeichnet. Aus dieser Ehe gingen zwei Töchter hervor, die oben schon genannte Adelheid Seyfferth und Wilhelmine Meuß, geborene Seyfferth, die erst nach dem Tode des eigenen Vaters geboren wurde.
Über den Tod des Vaters von Wilhelmine Meuß steht im Sterberegister von Krahne: „ Johann Christian Seyfert, Pächter der hiesigen Rittergüter Krahne, Meßdunk und Rotscherlinde, aus Buckow gebürtig bei Rathenow, wo er vorher auch Pächter gewesen und in den glücklichsten Umständen gelebt hatte, ist am 28.06.1824 im Alter von 39 Jahren zu Krahne verstorben. Er ward im Roggenfelde auf den Pahlsmathen rechts vom Stadtwege tot aufgefunden, und zwar hatte er sich erschossen, wahrscheinlich aus Verzweiflung, weil er zu hoch gepachtet hatte und die Preise sehr niedrig waren. Er ist am 29.06.1824 nach geschehener Obduction an der Ecke des Kirchhofes zu Krahne begraben. Er hinterlässt die Ehefrau Friederike Seyfferth, geborene Hermes, Tochter des verstorbenen Amtmanns Hermes zu Stechau bei Rathenow (schwanger) und eine minderjährige Tochter.“ Es ist kaum auszudenken, was dieses Ereignis für die unglückliche Witwe bedeutete und es ist daher nur verständlich, dass sie ihre nun vaterlose zweite Tochter nicht im nun verödeten Krahne zur Welt bringen wollte, sondern dass sie „ ihre Wochen“ in dem Hause der Frau Amtmann Julie Hinrichs, geborene Herms, ihrer Schwester, hielt. Diese beiden Schwestern hatten noch einen Bruder, August Herms, geboren am 10.11.1791. Er war der Besitzer des Rittergutes Wildberg bei Neuruppin, eines alten Zietenschen Besitzes. Er starb dort am 04.10.1857. August Herms hatte am 29.12.1839 Henriette Ebers geheiratet. Aus der Ehe ging die Tochter Clara hervor, geboren am 21.09.1838. Clara heiratete den Pastor Kranz in Gutenberg bei Halle (Saale) und starb erst am 17.03.1921. Clara hatte einen einzigen Sohn Paul, der als Missionar nach China ging. Die Mutter half ihm aus mancher Verlegenheit, da sie sehr vermögend war. Clara war die vielgeliebte Tante des Kapitäns zur See Johann Friedrich Meuß (1852 -1930). Er hat seine Besuche bei diesen Verwandten seiner Mutter in Wildberg und das Leben dort in seiner frühesten Kindheit unter dem 10.06.1882 in seinem Tagebuch ausführlich beschrieben, wie auch die langen Fahrten mit dem eigenen Fuhrwerk von Rathenow dorthin. Als der Kapitän zur See Johann Friedrich Meuß mit seinem Sohn Joachim Andreas Meuß (1901 -1985) im Juli 1916 mit einem Boot in Neuruppin lagen, ist er mit dem Sohn auch an einem glutheißen Tage die dem Sohn endlos erscheinende Chaussee von Neuruppin nach Wildberg gewandert und hat ihm dort die Stätten seiner Kindheitserlebnisse gezeigt.
Das Familienleben am Paradeplatz (heute Schleusenplatz) hat der Sohn des Ehrenbürgers der Stadt Rathenow in seinem Tagebuch ausführlich beschrieben. Das Denkmal des Großen Kurfürsten in der Mitte, die Stadtschleuse an der Seite und vor allem das Treiben der Husaren boten Unterhaltung genug. Obwohl die Eltern die Güte selbst waren, erzogen sie doch ihre Kinder streng und namentlich beim Essen gab es kein Mäkeln. Mit den Verwandten in der Stadt und ihrer Umgebung fand ein lebhafter Verkehr statt. So ging es öfter mit dem eigenen Gespann zu Fähnleins in das nahe Bölkershof oder zu Wienkops bis nach Nierow hinter Schollene. Nachdem die jüngste Schwester des Ehrenbürgers der Stadt Rathenow, Clara, am 17.04.1857 den Pastor Lymius in Bergzow bei Genthin geheiratet hatte, fuhr man auch gern dorthin. Nachdem der Kaufmann und Vater des Ehrenbürgers Johann Friedrich Meuß am 19.01.1859 gestorben war, zog seine Tochter Minna, die ihn so lange betreut hatte, zunächst auch zu ihrem Bruder am Paradeplatz, machte sich aber bald wieder selbstständig.
8. Als Fabrikant
Johann Friedrich Meuß übernahm die Töpferei und entwickelte sie zu einer Ofenfabrik. Daneben ging der Ziegeleibetrieb weiter. Beides machte viel Arbeit und manche Sorge, doch fehlte es auch nicht an Erfolgen. Jedenfalls war der Lebensunterhalt seiner Familie und seiner Mitarbeiter gesichert und auch für die Geschwister konnte gesorgt werden. Noch in seinem vorletzten Lebensjahr hat sein Sohn der Kapitän zur See Johann Friedrich Meuß seine 1882 in Port Said verfasste Beschreibung des Burgwalls und des Weges dorthin über die Zugbrücke am Jederitzer Tor und über die Stremme durch eine Schilderung des väterlichen Betriebes ergänzt: „ Am Wiesenrand jenseits der Stremme liegt gleich rechts noch heute ein stattliches Gebäude, das einst die Ofenfabrik enthielt und heute als eine Art Bauhof für die Landbaugemeinschaft Rathenow benutzt wird. Ihm gegenüber lag der Havel zu die Tonschlemme mit einem von einem ausgedienten Husarengaul angetriebenen Göpelwerk. Von dort wurde der Ton mit Handkarren in die Fabrik befördert und zu Kacheln und Ornamenten verarbeitet. Das Brennen, namentlich der Glasur, erforderte große Aufmerksamkeit. Die glasierten Kacheln wurden dann ofenweise im Lagerraum aufgestellt, von wo sie möglichst auf dem Wasserwege versandt wurden. Sie gingen zum Teil nach Berlin, wo ein Vertreter der Fabrik saß, aber auch unmittelbar an Besteller im Lande. So ließ zum Beispiel der Landwirtschaftsminister Graf Itzenplitz sein Schloss in Groß Behnitz mit Öfen aus der Meußschen Fabrik ausstatten, ebenso wie ein westfälischer Edelmann von Oheimb. In der Mitte des Grundstückes stand der mächtige Ziegelofen.

 

 

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Ziegelstein aus der Meußschen Ziegelei
( Ziegelstein-Sammlung Rudolf Eißer)

Die an der Luft in scheunenartigen Gebäuden getrockneten Ziegel wurden in den Öfen aufgebaut, luftdicht abgeschlossen und dann tagelang gebrannt. Geheizt wurde mit mächtigen Holzkloben aus den umliegenden Forsten. Vorher waren die Ziegel von den Zieglern aus Lehm, Sand und Wasser in hölzernen Formen gefertigt und dann in den schon erwähnten Ziegelscheunen getrocknet. Wehe, wenn sich während dieses Prozesses unzeitige Nachtfröste einstellten! Dann war die ganze Arbeit umsonst. Die Ziegelei war damals ebenso wie die Landwirtschaft, die Johann Friedrich Meuß nur zum Unterhalt seiner Pferde in ganz kleinem Umfang betrieb, ganz von den Jahreszeiten abhängig. Außerdem stand auf dem Grundstück noch das Wohnhaus des Ziegelmeisters mit dem Büro von Johann Friedrich Meuß. In der Nähe befand sich ein sehr gepflegtes Gärtchen, ein kleiner Landungssteg und die Liegestelle für den großen Havelkahn, in dem die Öfen und Ziegel bis nach Hamburg verschifft und die Tonerde von Havelberg und der Sand geholt wurden. Die Tonvorkommen in der Nähe von Rathenow waren damals leider schon erschöpft.“ Diesem Betrieb stand in patriarchalischer Weise Johann Friedrich Meuß vor.

 

 

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Ziegelstein aus der Meußschen Ziegelei
(Ziegelstein-Sammlung Rudolf Eißer)

Er war aber auch auf das Wohl seiner Mitarbeiter bedacht. So sorgte er dafür, dass der älteste Sohn des langjährigen Ziegelmeisters Günther sich soweit ausbilden lassen konnte, dass er später Mitbegründer der berühmten optischen Firma „Nitsche und Günther“ wurde, die wie auch die von den Pfarrer Johann Heinrich August Duncker zurückgehende Firma
„Busch“ Rathenow zur „Stadt der Optik“ machten. Die Aufschrift „I.F. Meuss Rathenow“ auf manchen alten Ziegelsteinen künden noch von der damaligen Ziegelproduktion. Deutlich wird auch die Gesinnung von Johann Friedrich Meuß, als 1875 sein langjähriger Kutscher Lindemann starb und er aus diesem Anlass schrieb: „Du kannst wohl denken, dass dieser Verlust mich hart ergreift, man trennt sich nicht leicht von einem Mann, der unter Aufbietung seiner besten Kräfte in unausgesetzter Berufstätigkeit fast 24 Jahre lang ein treuer Gehilfe gewesen und stets in seltener Anhänglichkeit mit uns vereint war. Er hat sein Leben nur auf 61 ¼ Jahre gebracht, ein jeder hielt ihn wohl für älter. Lange Jahre schwerer Arbeit liegen auf ihm und solche machen die Menschen früh alt. Der Herr lohne ihm seine Treue und Anhänglichkeit, ich vermisse ihn recht sehr und wenn es so ginge, ich gäbe heute noch Ackerbau und Pferde auf.“
9. Im eigenen Haus
1865 hatten sich die finanziellen Verhältnisse so gebessert, dass er in der Lage war, sich das Haus Berliner Str. 13 vom Kreisgerichtsrat Graf von Bredow zu kaufen. Am 28.09.1865 konnte es bezogen werden, wodurch der bald darauf zu den Herbstferien heimkehrende Sohn völlig überrascht wurde. Das Anfang des Jahrhunderts solide gebaute Haus war einstöckig mit ausgebauten Giebeln und lag auf der Südseite der Berliner Straße unmittelbar am Berliner Tor und grenzte an das damals noch stehende Torhaus. Als dies später abgerissen wurde, um der Jägerstraße (heute Goethestraße) Platz zu machen, wurde die Südostecke des Grundstückes abgeschrägt, aber noch immer grenzte es im Osten und im Norden an die alte Stadtmauer. An sie lehnte sich auch der Holzstall, der Wagenschuppen, der für drei Pferde bestimmte Pferdestall, die Häckselkammer und ein kleines Gartenhaus an. Das Wohnhaus enthielt Küche, Speisekammer und Flur sowie sieben Wohn- und Schlafräume unten und weitere Räume auf dem Boden sowie im Keller. Der Garten war nicht allzu groß, bot aber doch Platz für einige Bäume, Blumenbeete und Platz zum Sitzen und Einnehmen der Mahlzeiten im Sommer. Der Garten und seine Instandhaltung war die ganze Freude des Hausherrn Johann Friedrich Meuß. Unermüdlich schaffte er in ihm, solange seine Kräfte dies gestatteten und verbrachte seine kärgliche Freizeit in seiner Schöpfung. Sein jüngste Tochter Clara hat dort ihre Blumen- und Gartenliebe gewonnen. Sein Sohn war ja nur ein seltener Gast in diesem Haus, aber dessen Frau hat dort mit ihren beiden ältesten Töchtern den Winter 1885/1886 verlebt. Heute ist davon nichts mehr zu sehen und musste dem Kulturhaus und seiner Umgebung Platz machen. In dem gemütlich eingerichteten Haus entfaltete sich damals ein glückliches Familienleben. Es reichte aus, um darin größere Feste zu feiern. Das erste Fest war die Silberhochzeit am 15.10.1878, zu der viele Verwandte gekommen waren, die auf einem noch erhaltenen Bild zu sehen sind. Der Sohn Eduard Meuß war aus Breslau angereist und hielt eine kirchliche Feier. Der Generalleutnant von Schulz, der sich in dem vor Jahresfrist erst beendeten Krieg mit Frankreich als Kommandeur der Ingenieur- und Pionierabteilung im Stabe des Kronprinzen von Preußen ausgezeichnet hatte, eröffnete die festliche Tafel mit einem Toast auf Seine Majestät den Kaiser. In dem ausführlichen Bericht über das wunderschöne Fest schreibt der Sohn des Jubelpaares, Johann Friedrich Meuß, Kapitän zur See, über die Ehe seiner Eltern:“ Die Ehe war geschlossen zu einer Zeit (1847), als alles draußen in der Welt in grimmer Aufregung und Gärung war, die sich im folgenden März durch die Revolution Bahn brach. Mein Vater war schon 34 Jahre alt. Die Umstände hatten eine frühere Heirat nicht gestattet. Das Glück des Hauses schien damals auch nicht so gesichert, denn die Ofenfabrik und die Ziegelei waren noch weit davon entfernt, eine sichere Einnahme zu bieten. In den ersten Jahren der Ehe bedrohten oft schwere Wolken den häuslichen Herd, die aber mit bereitwilliger Hilfe von Freunden glücklich abgewehrt wurden. Mehrfaches Brandunglück ließ die erblühende Fabrik nur stets größer aus der Asche hervorsteigen. Eines solchen erinnere ich mich noch, als wir alle zum Besuch um Pfingsten bei Kranz`s in Gutenberg waren, das den Vater eilends zurückrief. Dann war meiner Mutter Leben bei der zu frühen Entbindung des ersten tot geborenen Töchterchens und auch bei meiner Geburt ernstlich bedroht, ebenso wie den Vater im Sommer 1866 ein Nervenfieber an den Rand des Grabes brachte. Aber der Herr hat geholfen und die beiden leiben Eltern weiter geleitet in dreißigjähriger ungetrübter Ehe und diese Ehe zu einer reich gesegneten werden lassen!
Als dann Johann Friedrich Meuß und seine Frau Wilhelmine Dorothea Auguste am 02.05.1876 ihre älteste Tochter Marie die Hochzeit mit dem damals in Rohrbeck bei Jüterbog amtierenden Pfarrer Hermann Fähndrich ausrichteten, war der ihr Sohn der Kapitän zur See, Johann Friedrich Meuß, auf der SMS (Seine Majestät Schiff) „ Cyclop“ in Ostasien. Das Brautpaar hatte sich in Wittenberg kennen gelernt und zwar im Hause des ehrwürdigen Direktors des Predigerseminars D. Eduard Schmieder, dessen Tochter Marie ja die Frau des Bruders Eduard Meuß geworden war. Der Pfarrer Hermann Fähndrich war damals Kandidat und später Seminarhilfsprediger in Wittenberg und folgte später seinem Vater in die Pfarre von Wiesenburg (Mark). Dort konnten die Meußkinder immer herrliche Ferien verleben. Nach dem Tode des Johann Friedrich Meuß am 01.10.1878 wurde die zweite Tochter Käthe mit dem damaligen Oberlehrer Dr. Oskar Scholz verheiratet. Der Kapitän zur See, Johann Friedrich Meuß, hat diese Hochzeit miterlebt und ausführlich beschrieben. Das Paar hatte sich zuerst in Gutenberg bei Halle im Pfarrhaus Kranz begegnet, wo Dr. Oskar Scholz Hauslehrer war und Käthe Meuß zu Besuch weilte. Käthe Meuß verstarb schon am 27.05.1880 im so genannten Kabinett ihres Elternhauses. Die jüngste Tochter, Clara Meuß, das Nesthäckchen, wurde am 06.01.1887 mit dem Kaufmann August Schnorr verheiratet. Das war das letzte große Fest im Hause Meuß. Der Sohn Johann Friedrich Meuß, Kapitän zur See, musste auch diesem Fest fernbleiben. Der Bruder von Clara, Johann Friedrich Meuß, war gegen die Ehe. Die Ehe ist aber dann doch recht glücklich gewesen, wenn auch leidgeprüft. Das Paar zog später nach Hildesheim. Die Witwe, Wilhelmine Dorothea Auguste Meuß, fühlte sich nach der Verheiratung ihrer jüngsten Tochter Clara zu einsam und nicht mehr gewachsen, die Last, die ein großes Haus und Garten mit sich bringen und verkaufte, während ihr Sohn Johann Friedrich Meuß (Kapitän zur See) auf der SMS (Seine Majestät Schiff ) „Adler“ war das Grundstück, worüber dieser sehr traurig war. Nach dem frühen Tod ihrer Tochter Käthe, hatte sie deren Tochter Martha zu sich genommen und zog mit ihr in eine in der Berliner Straße, weiter nach der Schleuse zu gelegenen Mietswohnung. Später verbrachte sie ihren Lebensabend bei Schnorrs, die damals in der Klopstockstraße am Bahnhof Tiergarten in Berlin wohnten. Dort ist sie auch am 23.11.1891 gestorben, aber dann in Rathenow an der Seite ihres Mannes beerdigt. Dieser Abschnitt über das Leben im eignen Hause soll beschlossen werden mit einem Wort, das Johann Friedrich Meuß am 01.11.1872 nach der Silberhochzeit schrieb:“ Gewiss waren es schöne Tage, in denen alle unsere nächsten Lieben hier versammelt waren, und namentlich um Euch, der Kinder willen, ist es uns eine Freude, dass Ihr alle einmal, wenn auch nur auf kurze Zeit zusammen gewesen seid. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit muss doch dadurch geweckt sein und wie ich hoffe, auch für dauernde Zeit. Gott, dem Herrn, sei Dank, dass sich dies Zusammenkommen ermöglichen ließ und gewiss wirst Du die Erinnerung daran Dir bewahren. Mag man im Leben auch manche Freundschaftsbündnisse schließen, reger und dauernder sind doch die Bande des Blutes und der ist zu bedauern, der sie verachtet oder sich ihnen zu entziehen sucht.“
10. Im öffentlichen Leben
Der Sohn, Johann Friedrich Meuß, Kapitän zur See, schrieb in seinen Aufzeichnungen: „Einiges ist noch zu sagen in Bezug auf die öffentliche Tätigkeit des Vaters. In dem Sturmjahr 1848, als alles drohend sich erhob gegen den angestammten Herrscher, da hielt er treu zu denen, deren Wahlspruch war „ mit Gott für König und Vaterland.“ Er war einer der Hauptführer der Conservativen in Rathenow, er war ein Mittel zur Wahl des Herrn von Bismarck-Schönhausen in den Preußischen Landtag, ins Erfurter Parlament; viel und oft haben beide conferiert, verschiedene Briefe von des Reichskanzlers Hand zeigen, dass er durch Vater seine Wähler stets auf dem Laufenden der politischen Ereignisse und seines Anteils daran erhalten hat. Durch Bismarcks Unterstützung und Verwendung gelang es Vater auch später, der Stadt wieder zu einer Garnison, die im öffentlichen Verkehr schmerzlichst vermisst wurde, zu verhelfen.“ Dies war das Brandenburgische Husarenregiment Nr. 3, die berühmten roten Zietenhusaren, die schon 1851 anstelle der zwei Schwadronen der Brandenburger Kürassiere nach Rathenow verlegt wurden. Als diese am 14.11.1848 ausrücken sollten, um den Oberbefehlshaber in den Marken ernannten General Graf von Wrangel bei der Wiederherstellung der Ordnung zu unterstützen, wurden sie daran am Berliner Tor durch Teile der aufgehetzten Einwohner gehindert und mussten sich mühsam einen Ausweg durch das Brandenburger Tor bahnen. Über diesen Vorfall war der König mit Recht empört, dass er die Stadt durch Verlegung der Garnison nach Brandenburg bestrafte. Die Kürassiere wollten auch nach diesen Vorfällen nicht mehr nach Rathenow zurück und wurden dabei durch den General von Wrangel unterstützt. Davon ist in den noch erhaltenen Bismarck-Briefen an Johann Friedrich Meuß (1813 -1878) mehrfach die Rede, aber auch von anderen Dingen. So schrieb Bismarck am 04.10.1849: „ Unser Unglück in der Kammer ist und bleibt der Ehrgeiz der Parteiführer. Wer über ein Dutzend Stimmen disponiert, betrachtet sich als rechtmäßiger Erbe eines Portefeuilles (Geschäftsbereich eines Ministers), und findet, dass sein Vorgänger, der jetzige Minister, schon viel zu lange im Amte ist. An diesen Führern hängt eine große Menge von Leuten, die glauben, bei einem Wechsel der Minister wenigstens mit einer Präsidentenstelle bedacht zu werden.“ Ob das in parlamentarisch regierten Staaten nicht auch noch heute so ist? Über die Wahl selbst stehet in der 1904 erschienen Monografie über Bismarck von Eduard Heyck auf Seite 58: „ In Rathenow hatte er sich persönlich vorgestellt und nach einer Kandidatenrede sagten die dortigen Urwähler: „Das ist unser Mann.“ Ihre Wahlmänner gaben dem Gegner eine, Bismarck 31 Stimmen und das reichte gerade hin, letzteren durchzubringen. Die Stadt Rathenow hat so vielleicht das Verdienst, dass er damals nicht von der politischen Bildfläche wieder verschwunden ist, jedenfalls den Ruhm, ihm in den Sattel des neuen konstitutionellen Preußen gesetzt zu haben.“ Johann Friedrich Meuß dürfte ihm dabei den Steigbügel gehalten haben. Im dem Jahr 1939 erschien ein Buch von Fritz Linde mit dem Titel: „ Bismarck – Größe und Grenzen seines Reiches“ , in dem sogar die am 02.02.1849 in dem Bölckischen Wirtshaus gehaltene Wahlrede des Kandidaten abgedruckt ist. Darin heißt es: „ Siewürden vielleicht besser tun, wenn Sie einen aus Ihrer Mitte wählten, etwa einen von den Herrn Fabrikanten oder Kaufleuten, der Ihre Verhältnisse kennt und das Interesse seiner Vaterstadt besser vertreten würde, als ich es vermag. Wenn Sie einen solche finden, der zugleich unabhängig und unparteiisch genug ist, um die Sache des Landes über jedes Interesse zu stellen und dem seine Privatverhältnisse erlauben, ihm in diesem Augenblick seine ganze Tätigkeit zu widmen, dann trete ich zurück. Wenn Sie aber in der Kammer einen Vertreter wünschen, der fest entschlossen ist, die Sache des Vaterlandes zu seiner eignen zu machen, ihr mit redlichem Willen aus vollem Herzen und ganzen Kräften zu dienen, und dessen nächstes Streben darauf gerichtet sein wird, die alten Bande des Vertrauens zwischen Krone und dem Volke wieder fester zu knüpfen, damit Gesetz und Ordnung walte, damit der Wohlstand und das gemeinsame Interesse aller friedlichen Bürger gefördert werde; dann richten Sie Ihre Augen auf mich. Das sind meine Ansichten; wenn Sie dahin mit mir einverstanden sind, dann bitte ich um Ihre Stimme.“ Ob sich bei dieser Gelegenheit der von Kürenberg in seinem 1952 erschienen Buch über Johanna von Bismarck erwähne Vorgang abgespielt hat, bezweifelt Joachim Andreas Meuß (1901 -1985), Pfarrer in Rathenow, denn davon hat sich in der Meußschen Familientradition nichts erhalten. Danach hätte der Rittergutsbesitzer von Stechow seiner Frau berichtet, dass nach einer Wahlrede Bismarcks, als er vor dem Schützenhaus seinen Wagen besteigen wollte, ein Pflasterstein gegen ihn geworfen wurde, der ihn verletzte. Geistesgegenwärtig habe Bismarck den Stein zurückgeworfen, während Johanna neben ihm stand „ mit flammenden Augen einer Teutonin ( Deutschen) .“ Eine Narbe hätte ihn bis an sein Lebensende an diesen Vorfall erinnert.
Doch zurück zu Johann Friedrich Meuß. Sein Wirken wurde von seinen Mitbürgern anerkannt. Er wurde am 10.11.1851 zum Stadtverordneten gewählt und war von 1853 -1877 Stadtverordnetenvorsteher, bis er seiner Gesundheit zuliebe gezwungen wurde, auf dies Ehrenamt zu verzichten. Die Ehre, zum Ratsherrn gewählt zu werden, lehnte er aus demselben Grunde ab. Außerdem war Johann Friedrich Meuß von 1859 – 1875 Stellvertreter des Provinziallandtagsabgeordneten Für Ost- und Westhavelland sowie Mitglied der Kreisersatzkommission. Die damit verbundenen Rekrutenaushebungen gaben ihm Gelegenheit, jedes Jahr die alten Beziehungen zu Brandenburg zu erneuern. Außerdem wurde er bis 1866 fast stets als Wähler von den Urwählern zur engeren Wahl für den Landtag geschickt. Später errangen die liberalen Parteien auch in der Stadt Rathenow die Oberhand über die Konservativen. Anlässlich seiner 25-Jahrfeier als Stadtverordneter wurde ihm der Kronenorden 4. Klasse verleihen und 1877 machte man sogar zum Ehrenbürger seiner Vaterstadt. Diese Tatsache verhalf seinem Enkel Joachim Andreas Meuß (1901 – 1952) noch 1945 die Zuzugsgenehmigung nach Rathenow zu erhalten, als er als Vertriebener aus der Neumark mit seinen fünf Töchtern in die alte Heimat der Familie kam. Auch am kirchlichen Leben nahm er regen Anteil. Johann Friedrich Meuß hatte nicht nur den Platz Nr. 247 in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche für vier Thaler und 15 Silbergroschen gekauft, sondern er benutzte ihn auch regelmäßig mit seiner Familie, in der auch das Tisch- und Abendgebet feste Sitte war. Daher wurde er auch in den Gemeindekirchenrat gewählt und am letzten Sonntag des Jahres 1861 nach beendigter Predigt in sein Amt eingeführt. Johann Friedrich Meuß war auch noch im Kreissynodalvorstand. Natürlich bestand zwischen der Familie Meuß und den Pfarrhäusern in Rathenow ein gutes Verhältnis, dass mit dem Superintendenten Arminius Emil Leberecht Glokke (1824 -1906) besonders eng wurde. Diese verschiedenen öffentlichen Ämter brachten für Johann Friedrich Meuß auch allerlei Repräsentationspflichten mit sich, die ihm anscheinend nicht besonders lagen, obwohl er es verstand, die Stadtverordnetenversammlung „ mit Geschick und Umsicht“ zu leiten. So gab es anlässlich der Divisionsmanöver 1858 bei Rathenow der General Friedrich Wilhelm Paul Fürst von Radziwill im Deutschen Haus in Rathenow ein Diner, zu dem Johann Friedrich Meuß mit dem Bürgermeister und Eduard Duncker, dem Sohn des Begründers der optischen Industrie, geladen waren. Hierher gehört auch seine Mitwirkung bei der Ernennung des Preußischen Generalfeldmarschalls Friedrich Heinrich Ernst Graf von Wrangel (*13.04.1784 in Stettin – ††††01.11.1877 in Berlin) zum Ehrenbürger der Stadt Rathenow anlässlich seines 60jährigen Dienstjubiläums im Jahre 1856. Neben Herrn Busch gehörte Johann Friedrich Meuß zu der Deputation, die Wrangel in Berlin die Urkunde überreichte. Wie viel leichter wird Johann Friedrich Meuß dieser Besuch geworden sein, als der vergebliche Bittgang Ende 1848 wegen der Garnison. Über die Beteiligung bei der Ernennung des Fürsten Otto von Bismarck zum Ehrenbürger der Stadt Rathenow findet sich folgende Notiz in einem Brief vom 21.12.1875 an seinen Sohn: „Vor fast 14 Tagen bin ich mit Bürgermeister Große und dem Rathsherrn Borchmann als Deputation zu dem Fürstkanzler Bismarck nach Berlin gewesen, um demselben nach der am 15. Juni erfolgten Ernennung zum Ehrenbürger unserer Stadt das hierzu bereitete schöne Diplom zu überreichen.“ Als treuer Patriot hatte Johann Friedrich Meuß den großen Siegen der Jahre 1864 (Deutsch-Dänischer Krieg) und 1866 (Deutscher Krieg) zugejubelt, aber mit dem eingeschlagenen liberalen Weg der Gesetzgebung konnte er sich nicht befreunden. Die Freizügigkeit, Gewerbe- und Wucherfreiheit sah er mit bedenklichen Augen an. Das zeigt auch die Eingabe der Stadtverordneten von Rathenow an das Ministerium vom 30.08.1869 gegen die Aufhebung der geplanten Mahl- und Schlachtsteuer. Wie Johann Friedrich Meuß zum Kriegsausbruch 1870 stand, zeigt ein Brief an seinen Sohn vom 23.08.1870, in dem es heißt: „ Du gehst mein Sohn mit Gottes Hülfe einer großen Zeit entgegen. Der jetzige mit Anspannung aller Kräfte gegen Frankreich geführte Krieg wird uns hoffentlich endlich einen ehrlichen dauernden Frieden bringen, aus welchen das geeinte deutsche Land in nie gewesener Größe hervorgehen wird. Möchte es dann in jugendlicher Kraft zu einem erneuten geistigen und körperlichen Leben erblühen und sich innerlich frei machen von allen welschen (fremdländischen) Gesinnungen und wieder lernen, dem Gott, der in seiner grundlosen Gnade und Barmherzigkeit über Bitten und Verstehen uns geholfen hat, treu zu dienen. Dazu muss ein jeder an seinem Teil mitarbeiten und zunächst an sich selbst den Kampf beginnen; nur wenn wir uns geistig frei machen, werden wir wirklich frei sein und bleiben.“ In einem späteren Brief an den Sohn vom 01.11.1970 beklagt Johann Friedrich Meuß die vielen Opfer, die der Krieg forderte, und gab der Hoffnung Ausdruck, dass sie nicht vergeblich gebracht sein mögen. Dazu gehörte nach seiner Auffassung, dass das Volk wieder zurück zu Gott fände. Wie schwer aber Johann Friedrich Meuß die Folgezeit berührte, als der so genannte Kulturkampf (Trennung von Kirche und Staat) begann, ist aus seinem Schreiben vom 25.04.1874 zu ersehen: „ Es sieht in unserer deutschen Welt jetzt nicht gerade schön aus, die vorgelegten Kirchengesetze haben in den Kreisen namentlich der evangelischen Christen, denen die Religion noch etwas wert ist, große Missstimmung und Trauer hervorgerufen und ich fürchte, es wird noch die Zeit kommen, wo dies böse Früchte bringt. Daneben die unglücklichen Arbeiterverhältnisse mit ihren Streiks, die scheinbaren Bierkrawalle, welche sich wohl als sozialistische Kundgebungen entpuppen werden, was sind das alles für traurige Folgen kurz nach der frischen fröhlichen Begeisterung des glorreichen französischen Krieges.“ Unter diesen Umständen fiel es ihm nicht schwer, sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen, wozu er sich Ende 1876 infolge zunehmender körperlicher Schwäche entschließen musste.
11. Auf Reisen
Bei aller Liebe zum Havelland lockte es Johann Friedrich Meuß doch immer wieder hinaus in die Ferne, teils seiner Gesundheit wegen, teils, um das große deutsche Vaterland kennenzulernen. Daneben lag ihm viel daran, die Verbindung zu den Verwandten zu festigen. Dazu waren persönliche Besuche immer das beste Mittel. Dass er sie unternahm, ist umso mehr anzuerkennen, da man damals doch wesentlich langsamer und unbequemer reiste als heutzutage. Von den Fahrten in die Umgebung bis nach Bergzow und Wildberg im eigenen Wagen war schon die Rede. Nach Gutenberg musste schon die Eisenbahn benutzt werden, ebenso wie zu den alljährlichen Fahrten zu dem Patenonkel Oberregierungsrat Karl Meuß nach Frankfurt (Oder). Diesem Bruderseines Vaters gratulierte er gern persönlich zum Geburtstag. Aber auch zu seinem eigenen Bruder Eduard in Breslau reiste er so oft wie möglich. In Berlin machte er dann Station, um Verwandte wie den Vetter (Cousin) Schulz zu besuchen oder Geschäfte zu erledigen. Seit es ihm wirtschaftlich besser ging, konnte Johann Friedrich Meuß auch an Badereisen denken, da seine Gesundheit oft zu wünschen übrig ließ. So berichtete er seinem Vetter (Cousin) Adelbert Meuß in Frankfurt (Oder) schon 1862 von einer leider nicht sehr erfolgreichen Kur in Bad Soden. Noch vor dem Kriegsausbruch 1870 kurte er in dem kleinen Bad Reinerz in Schlesien. Im Juni 1872 fuhr er zu Kur in das kleine Bad Weilbach im Taunus. Am 03.07.1872 brach er die Kur dort ab und wollte über Heidelberg und Köln nach Hause fahren, traf aber unterwegs zufällig Eduard Borchmann, den Verwandten aus Rathenow, der ihn besuchen wollte und ihn nun zu einer anderen Reiseroute bestimmte. Mit ihm fuhr er nun zunächst über Mainz und Worms nach Heidelberg, wo sie das berühmte Schloss besichtigten. Von dort ging es weiter nach Dürkheim in der Pfalz, das unweit der Haardt inmitten eines großen Weinanbaugebietes liegt, wovon sie gern Gebrauch machten. Das nächste Ziel war Saarbrücken mit den Spicherer Höhen und am anderen Tag nach Metz. Obwohl Stadt und Festung sicher noch Spuren der erst zwei Jahre zurückliegenden harten Kämpfe zeigten, gefiel es ihnen dort gut. Dort begegneten sie zufällig einem Bekannten aus der Heimat, nämlich Hauptmann Sterzel, der eine Ruhbaum zur Frau hatte. Ein Sohn dieses Paares wurde später Spielgefährte der Klara Schnorr. Zurück ging es wieder über Saarbrücken nach Trier zu den Ruinen aus der Römerzeit und dann mit dem Schiff die Mosel abwärts bis Koblenz. Unterwegs hatten die Reisenden Gelegenheit, die köstlichen Moselweine zu kosten. Auf der Weiterreise besichtigten sie noch den Kölner Dom und fuhren dann mit dem Tagesschnellzug nach Hause. Johann Friedrich Meuß besuchte Teile des Kriegsschauplatzes von 1870 nur ein Jahr nach Theodor Fontane, ohne merkwürdigerweise in dem Reisebericht an seinen Sohn das Kriegsgeschehen und die damals doch noch keineswegs normalen Verhältnisse in Lothringen zu erwähnen, die Fontane so ausführlich beschrieben hat. Im Jahr 1873 feierte Johann Friedrich Meuß seinen 60. Geburtstag. Ganz plötzlich entschloss er sich, diesen Tag mit seiner Familie, sein Sohn hatte gerade Urlaub von der Marineschule, in Jannowitz im Riesengebirge zu verbringen, wo sich sein Bruder Eduard mit seiner Familie aus Breslau zur Sommerfrische aufhielt. Marie von Knoblauch hatte für die heimlich Anreisenden Unterkünfte besorgt und so wurde es ein zwar improvisiertes, aber wohl gerade deshalb umso schöneres Fest, namentlich für die jüngere Generation der Familien. Beim Fest war auch Eduard Schmieder, der trotz seines hohen Alters noch immer das Wittenberger Predigerseminar leitete. Auf der Heimreise wurden noch die Verwandten in Frankfurt (Oder) kurz besucht. Nach dem Verkauf seines Betriebes war Johann Friedrich Meuß natürlich beweglicher geworden und konnte sich eher eine Reise leisten. So weilte er im Sommer 1874 mit seiner Familie in Kissingen zur Kur. Auf dem Rückweg ging es erst nach Eisenach und auf die Wartburg und dann weiter nach Dresden und in die Sächsische Schweiz. Dort gefiel es der Familie so gut, dass allen Ernstes eine Übersiedelung nach Dresden erwogen wurde. Obwohl diese Reise über 600 Thaler gekostet hatte, begleitete Johann Friedrich Meuß im August sein Tochter Käthe nach Norderney, wo sie auf ärztlichen Rat baden sollte. Ihm scheint es dort nicht recht gefallen zu haben, obwohl das Ehepaar Busch aus Rathenow auch dort war. Johann Friedrich Meuß war zwischenzeitlich auch Mitglied des Aufsichtsrates der Firma Busch geworden. Auch 1875 reisten die Eheleute Meuß nach Kissingen, wo es ihnen wieder gut gefiel. Auf der Rückfahrt besuchten sie die Verwandten in Gutenberg bei Halle. Im Herbst machten sie sich noch einmal auf und fuhren zu den Verwandten nach Breslau und Frankfurt (Oder). Im Jahr 1876 ging es Johann Friedrich Meuß gesundheitlich so schlecht, dass er sich veranlasst sah, seine öffentlichen Ämter niederzulegen. Da wohl infolge von Blutstockungen die Beweglichkeit der Arme und Beine gelitten hatte, reiste man in diesem Jahr nicht mehr. Erst 1877 hatte sich Johann Friedrich Meuß so weit erholt, dass er nach der Hochzeit seiner ältesten Tochter in Begleitung seiner Frau und der Tochter Käthe nach Kissingen zur Kur fahren konnte. Als sein Sohn endlich von einer zweijährigen Ostasienreise auf der SMS (Seine Majestät Schiff ) „Cyclop“ heimgekehrt war und ihn in Kissingen besuchte, fand er seinen Vater sehr elend und ganz verändert aussehend vor. Doch besserte sich das Befinden bald so, dass er mit seiner Begleitung noch zur Nachkur nach Friedrichroda fahren konnte, von wo aus schöne Ausflüge nach Altenstein, Liebenstein und zur Wartburg unternommen wurden. Auf der Heimfahrt besuchte man sogar noch die Rudelsburg. Das war die letzte größere Reise des Johann Friedrich Meuß, wie auch der Geburtstag, den er nach einem schweren Herzanfall daheim wieder einigermaßen munter feiern durfte.
12. Lebensabend
Der Lebensabend brach für Johann Friedrich Meuß verhältnismäßig früh herein. Schon im Oktober 1970 schrieb er:“ Derseit Jahren in ängstlicher Treue mich begleitende Husten ist im Ganzen mäßig, dagegen sind andere Übel, die mich beschweren und sorglich machen namentlich Asthma (Luftmangel) und dergleichen, von denen, wie es scheint, kein Arzt und keine Heilquelle mich frei machen kann.“ Erstaunlich ist es, dass ihm unter diesen Umständen immer noch drei Zigarren täglich schmeckten, wie er an anderer Stelle berichtet hat. Jedenfalls war es so, dass er nicht nur wegen seiner Kränklichkeit sondern auch wegen der immer schwieriger werdenden Arbeiterverhältnisse schon im Herbst 1871 geneigt war, einem Angebot, die Ziegelei und die Ofenfabrik zu verkaufen, näher trat. Dabei spielte auch die Überlegung eine Rolle, dass es bei der nach dem siegreichen Kriege einsetzenden Hochkonjunktur leichter sein würde, den Betrieb günstig zu verkaufen als später. Wie schwierig die Verhältnisse geworden waren, zeigt die Tatsache, dass Johann Friedrich Meuß bereits 1873 einen Streik der Töpfergesellen befürchten musste, während in der Ofenfabrik mehrere Arbeiter abgingen und die Ziegeleiarbeiter 40 – 50 Prozent mehr Lohn forderten. Diese Erfahrungen machten ihn noch mehr einem baldigen Verkauf geneigt, aber noch war zunächst kein ernstlicher Käufer da. Ende April 1873 tauchte endlich ein solcher auf und ließ Johann Friedrich Meuß hoffen, bald von erschweren Bürde befreit zu werden, derer sich geistig und körperlich nicht mehr gewachsen fühlte. Inzwischen hatte ihm sein nun schon vier Jahre in der Marine dienender Sohn angeboten, seinen Abschied zu nehmen, um zunächst im Geschäft zu helfen und es später ganz zu übernehmen. Aber in einem langen Brief vom 12.05.1873 lehnte der Vater mit herzlichen Dank das Anerbieten ab und riet ihm, die einmal mit so großer Begeisterung gegen die Wünsche seiner Eltern begonnene Laufbahn nicht abzubrechen. Er hätte ihm auch schon früher ein Leben gewünscht, bei dem er nicht von der Beschäftigung vieler Arbeiter abhängig wäre, also etwa einen durch Studium zu erlernenden Beruf. Wie richtig diese Gedanken waren, sollte sich erst späterzeigen, denn die früher so blühende Rathenower Ziegelindustrie ging bald ganz ein, weil in der Nähe die Tonvorkommen erschöpft waren und der Transport der Rohstoffe von weither zu kostspielig wurde, abgesehen von dem allgemeinen Rückschlag der Bautätigkeit nach den Gründerjahren (1871-1873). Nach einer Notiz im Rathenower Stadtarchiv ist der Betrieb von Johann Friedrich Meuß am 01.04.1874 an Will und Kliefert übergegangen und später von der Firma Brucks weitergeführt worden. Am 31.07.1874 schrieb Johann Friedrich Meuß an seinen Sohn, dass er bisher noch nicht bereut habe, sich von seinem Geschäft getrennt zu haben, zumal er ja durch seine öffentlichen Ämter noch genug zu tun habe. Aber doch wurde ihm im Herbst des Jahres der Abschied von den Pferden schwer: „Wenn dies geschehen, dann wird die Entäußerung von meinen Geschäften erst eine vollständige und unser Haus ein recht stilles. Ich leugne deshalb nicht, dass diese Trennung von dem letzten Stück meinerTätigkeit und meines Besitzes mir besonders schwer fällt und schmerzlich berührt, denn damit muss ich ja nun Abschied nehmen von meiner bisherigen geschäftlichen Tätigkeit…“ Zwei Jahre konnte Johann Friedrich Meuß noch seine Ehrenämter behalten und in ihnen zum Wohle seiner Mitbürger tätig sein. Dann zwang ihn, wie schon berichtet, sein immer schlechter werdender Gesundheitszustand, auch darauf zu verzichten. Die letzte Badereise brachte ihm nur kurze Erholung. Immer wieder kamen schwere Herzanfälle. Wie gut war es da, dass der Sohn nach dem langen Auslandsdienst nun auf der S.M.S. (Seine Majestät Schiff) „ Friedrich der Große“ erreichbar blieb. Aber leider erkrankte der Sohn selbst so schwer, dass er nicht einmal das Weihnachtsfest 1877 im Elternhaus mitfeiern konnte. Wie wohl hätte es dem Vater getan, wenn dies möglich gewesen wäre. Der Sohn erhielt nur immer schlimmere Nachrichten über den Zustand des Vaters. Heftige asthmatische Anfälle hatten sich eingestellt, sodass man den kranken Sohn an das Sterbelager seines Vaters rief. Der Sohn schrieb darüber: „ Ein Freudenstrahl fiel noch hinein in diesen letzten Tagen, die Anstellung Oskars in Ottensen und damit die die Sicherstellung der Heirat Käthes. Wie hat sich der liebe Vater noch in den letzten klaren Augenblicken mit ihr beschäftigt und ihrer Zukunft. Den Tag, an dem ihre Mutter vor 32 Jahren sich verlobte, den 29. Januar, durfte er noch in vollem Bewusstsein erleben, aber dann ging es rasch und jäh zu Ende. Am 5. Februar (1878) nachmittags 2 ¾ Uhr schlossen sich die teuren Augen für immer, aus denen so unendlich viel Liebe auf uns alle geblickt hatte. O mein Vater, hätte ich doch jemals vermocht, Dir auch nur einen winzigen kleinen Teil Deiner Liebe und Treue zu vergelten….Als am Sterbebette meine teure Mutter zu mir sagte: Nun bist Du meine einzige Stütze. Da bat ich zu Gott, Er möge in seiner Gnade geben, dass ich es mehr und mehr werden könnte…Marie, Hermann kamen noch an demselben Abend; Tante Clärchen, Onkel Lympius, Onkel Eduard kamen auch, wieviel Teilnahme wurde uns von allen Seiten herzlichst gezeigt, wieviel Leibe und Anhänglichkeit hatte sich der teure Verstorbene in seinem segensreichen, tätigen Leben erworben. Arbeiter, die vor Jahren auf der Ziegelei und Ofenfabrik gearbeitet hatten, baten darum seine Hülle zur letzten Ruhestätte zu tragen. Wir aber hoffen, dass ihm wohl ist dort oben im Licht und hoffen auf ein Wiedersehn und Wiederfinden dereinst….Am Freitag, den 8. Februar fand die Beisetzung statt, zu Hause an dem mit Blumen so reich geschmückten Sarge hielt Onkel Eduard eine Gedächtnisrede, „ Mach End o Herr mach Ende“ sangen wir und um 4 Uhr pünktlich trugen sie seinen Sarg hinaus, wo er an der Seite unseres Großvaters beigesetzt ist. Vaters Konfirmationsspruch bildete den Text der Leichenrede des Pfarrers Babenzien und auf dem Kreuz, das wir auf seinem Grabe errichteten, steht er auch: Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben! So ruht er denn nach langem segensreichen Wirken, viel Freude hat sein Leben geziert, aber auch viel schwere Leiden haben ihm die letzten Jahre gebracht und wieviel Leid habe einst auch ich dem treuesten aller Vaterherzen bereitet… Mein liebe Mutter, die den teuren Verstorbenen mit so unendlicher Liebe und Sorgfalt gepflegt und gehegt hatte, sie war die Gefassteste von uns allen, nur manchmal brach ihr Schmerz durch, wenn sie zu mir sagte: O mein Fritzchen!... Ich konnte der sterblichen Hülle meines Vaters nicht einmal die letzte Ehre erweisen, da ich immer lieen musste, erst Mitte März durfte ich aufstehn und ausgehn und verließ die stille Heimat am 25. März.“

Der Enkel von Johann Friedrich Meuß hat nach den Aufzeichnungen seines Vaters diese Lebensbeschreibung verfasst. Der Großvater war schon über 20 Jahre tot, als er geboren wurde. Der Enkel, Joachim Andreas Meuß, erinnert sich aber noch, wie sein Vater und dessen Schwester Marie Fähndrich ihn am 26.07.1913 anlässlich des 100. Geburtstages des Großvaters an sein Grab führten und von ihm erzählten. Der Enkelsohn war von 1945 -1952 Pfarrer in Rathenow und hat die Aufzeichnungen am 04.04.1973 in Müncheberg verfasst.

Ich danke der Tochter des Enkelsohns, Pfarrerin Gisela Opitz, geborene Meuß, die mir Kopien der Unterlagen zur Veröffentlichung überlassen hat. Sie hat mir auch die Geschichte des Meußschen Abendmahlelches übergeben, der ihrem direkten Vorfahren geschenkt wurde und heute noch in der Sankt-Marien-Andreas-Gemeinde benutzt wird.

© Copyright : Dr. Heinz-Walter Knackmuß

Zur besseren Orientierung hier noch eine Tafel zur Familie Meuß

Johann Friedrich Meuß ∞ Ernestine Marie Sophie Lösecke
        (1741-1822)                             (1757 -1820)
Diakonus (Pfarrer) und Archidiakonus
(Superintendent) in Rathenow,
Kelch zum 50jährigen Amtsjubiläum
von seinen Söhnen gestiftet. Träger des
Roten -Adler-Ordens

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Johann Friedrich Meuß ∞ Dorothea Wilhelmine Charlotte Schönermark
        (1783 – 1859)                            (1793 -1842)
Kaufmann und Ziegeleibesitzer
in Rathenow

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Johann Friedrich Meuß ∞ Wilhelmine Dorothea Auguste Seyfferth
      (1813 -1878)                            (1824 -1891)
Apotheker und Ziegeleibesitzer
in Rathenow, Stadtverordnetenvorsteher,
Ehrenbürger der Stadt Rathenow

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Johann Friedrich Meuß ∞ Johanna Margarethe Langewisch
       (1852 – 1930)                   (1856 -1902)
Kapitän zur See

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Joachim Andreas Meuß ∞ Eva Luise Strempel
       (1901-1985)               (1902 -1990)
Pfarrer in Rathenow
von 1945 -1952

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Gisela Opitz, geboren Meuß
(*07.04.1931 –  † 21.01.2005) 
Pfarrerin

Die Grabmale der Familie Meuß
auf dem Weinbergfriedhof in Rathenow

 

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Johann Friedrich Meuß (18.08.1783 –19.01.1859)
Kaufmann

 

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Dorothea Wilhelmine Charlotte Meuß, geborene Schönermark
(25.10.1793 –16.09.1842)

 

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Johann Friedrich Meuß (26.07.1813 –05.20.1878)
Apotheker, Ziegeleibesitzer, Ehrenbürger der Stadt Rathenow

 

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Wilhelmine Dorothea Auguste Meuß, geborene Seyfferth,
(21.08.1824 –23.11.1891)

 

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Johann Friedrich Meuß  (25.10.1852 – 21.04.1930)
Kaiserlicher Kapitän zur See

 

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Johanna Margarete Meuß, geborene Langewisch,
(02.12.1856 –10.11.1902)

 

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Joachim Andreas Meuß (07.12.1901 –27.07.1985)
von 1945 –1952 Pfarrer in Rathenow

 

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Eva-Luise Meuß, geborenen Strempel,
(30.03.1902 – 13.05.1990)

 

 

© Copyright : Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 14.03.2011