41. Eine durstige Seele von Günter Thonke am 06.04.2011



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Als der „Alte Fritz“ noch junger Kronprinz und mit seinem Freund Katte noch guter Dinge war, da hatte auch in Wust ein junger Lehrer und Küster nur eine Chance auf eine Anstellung, wenn er die Witwe seines Vorgängers ehelichte. Die war zwar zwanzig Jahre älter als er, doch die Hoffnung, da wachse zusammen, was Patron und Schulze gedacht, die trog auch hier. Für einen Freiraum mit der Jugendliebe gab es keinen Platz. Die Augen derer, die ihrer Sünden schon ledig waren, die schliefen nicht. Die schon jenseits von Gut und Böse sind, die sammeln emsig Punkte für ihr Paradies. Oberste Sittenwärterin war Frau Pastor, die ihrem Mann auch die Flötentöne beibrachte. Der hatte am Sonntag den Ort nach Sodom und Gomorha zu wünschen und der Kantor floh dann zu seinem Tröster in der Flasche. Auf Feiern floss der Alkohol oft reichlich und er trug immer zu Zank und Streit bei, wenn er seinen Pegel beim Kantor überschritten hatte. Darum musste er schon dreimal den Ort wechseln. Ohne Besserung ließ ihn gar ein Patron auf den Bock schnallen, dass das Böse aus ihm wiche. Er verlor Lohn und Brot und seine Angetraute, die Kummer zerfraß. Zerbrochen und gedemütigt fiel er in der Arme seiner Jugend- liebe, die er vor der Zeit mit einem Kind beglückt hatte. Deren Bruder fühlte sich in christlicher Pflicht und bemühte sich den Schwager einzugliedern. Er hoffte auf das Gras, das über die Vergangenheit

wachsen möge. Doch der Teufel hatte die durstige Seele fest im Griff. Zur Freude der Kinder und auch mancher Eltern fiel oft die Schule aus. Ohne Urlaub zog es ihn durch die Schenken der Umgebung und er kam stets trunken zum Orgelspiel, verließ fluchend und tobend den Gottesdienst und meinte ein größeres Salär beim Betteln zu haben. Der Pfarrer verzweifelte als Mensch und der Patron wies den Kantor aus seinem Amt und dem Dorf. Der forderte aber beim Kon- sistorium seine Wiedereinstellung, weil die Form bei der Entlassung nicht eingehalten wurde. Erst als er einer Vorladung dorthin nicht Folge leistete, musste er mit Weib und Kind ins Elend ziehen. Weitab schuf der Schwager der Familie ein Dach über dem Kopf zum neuen Anfang geschaffen, das er nicht vertrinken konnte, weil seine Leber bald den Geist aufgab.

 

Copyright: dr. Heinz-Walter knackmuß, 06.04.2011