38-Landin

38. Die Dorfschule von Landin

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Schüler der Dorfschule Landin 1952

  1. Reihe unten von links nach rechts: Erna Reiske, Edeltraud Wegner, Erika Haake,?, Erika Raab, Brigitte Mewes, Uwe Welak, Otto Bauer, Bernd Mewes, Arthur Nickel, Benno Ossenbühl, Helmut Fox, ?, Arthur Hammel
  2. Reihe  Mitte von links nach rechts: Else Gutknecht, Erika Brodehl, Elfriede Haake, Ingrid Mewes, Doris Lamprecht, Erika Hammel, Emmi Wenger, ?, Richard Kunze, Arthur Schill, Karl-Heinz Lüpke,?
  3. Reihe oben von links nach rechts: Helga Nelde, Inge ?, ? ?, Hannelore Henke,, Irmgard Ossenbühl,?, Manfrd Rühle,?, Büttner,?

Nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945) waren die Städte und Dörfer im Land Brandenburg überfüllt von Flüchtlingen aus dem Osten. Aus Ostpreußen, aus Westpreußen, aus Schlesien und aus dem Sudetenland kamen die Menschen mit ihren Kindern auch nach Landin und viele Menschen hatten schon eine Odyssee hinter sich, denn sie waren erst aus Rumänien nach Polen umgesiedelt worden und mussten dann nach dem Krieg noch einmal in den Westen fliehen. Auch in Landin gab es viele Familien, die hier endlich einen Neuanfang im Frieden versuchen wollten. Und es gab Armut, Hunger und Not unter den neu angekommenen Menschen und sie wurden auch etwas geringgeschätzt, denn oft hatten sie eine Sprache aus ihrer alten Heimat mitgebracht, die den Brandenburgern fremd war. Sie rollten das R oder waren noch dem Schwäbisch ihrer Vorfahren verhaftet, die vor ein paar Hundert Jahren nach Siebenbürgen oder nach Russland ausgewandert waren. Aber alle Kinder mussten natürlich in die Schule. Da half nichts. Die Kinder aus Landin mussten zur Einschulung nach Kriele und wurden dort mit den Krieler Kinder in der ersten und zweiten Klasse gemeinsam unterrichtet. Die Landiner Dorfschule hatte einen Klassenraum, in dem die Kinder der Klassen 3 - 4 aus Kriele und Landin gemeinsam unterrichtet wurden. Es waren immer 20 -30 Kinder, die in Landin zur Schule gingen. Das war für die Lehrerin Erika Brodehl schon eine große Kunst, denn sie musste Lesen, Schreiben und Rechnen üben, und so war jede Unterrichtsstunde in verschiedene Teilabschnitte untergliedert, wo die einzelnen Klassen mit Stillarbeit beschäftigt wurden und die andere Klasse aktiv unterrichtet wurde. Zum Beispiel musste die dritte Klasse still eine Geschichte aus dem Lesebuch lesen und sie dann aufschreiben oder abschreiben, während sie mit der vierten Klasse das Einmaleins von der Sieben übte. Es wurde auch noch Schönschrift unterrichtet und geübt und auch zensiert. Die erste Klasse in Kriele schrieb noch alles mit dem Griffel auf eine Schiefertafel. Auch Diktate wurden auf der Schiefertafel geschrieben und der Lehrer ging nach dem Diktat von Schüler zu Schüler und strich Fehler an und gab eine Zensur. Erst ab der zweiten Klasse gab es Schreibhefte und Bleistifte. Sport und Singen konnte dann in beiden Klassen gemeinsam absolviert werden. Das ging gut. Zuerst waren auch keine Schulbücher vorhanden und so musste man auf alte Bücher zurückgreifen. Erika Brodehl hatte in ihrer Bibliothek noch ein altes Liederbuch für höhere Schulen von1906 entdeckt und da wurden dann alle Lieder gesungen, die dort drinstanden.

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Das Liederbuch von 1906

 „Das Wandern ist des Müllers Lust“, „Sah ein Knab‘ ein Röslein steh‘n“, “Der Mond ist aufgegangen“ und viele mehr, die die Kinder auswendig lernen mussten. Im Anhang des Buches fanden sich auch französische und englische Lieder wie „Le petit Pierre“ und „Jingle, Bells.“ Es war ein munteres Völkchen, was sich jeden Vormittag in der Dorfschule einfand, aber es wurde auch viel gelacht. Am ersten April versuchte man die Lehrerin in den April zu schicken und Sebastian Kowalke aus der dritten Klasse sagte zu ihr: „Der Bürgermeister bittet Sie sofort zu ihm zu kommen.“ Erika Brodehl roch natürlich den Braten und meinte: „Ich werde ihn nach dem Unterricht aufsuchen. So viel Zeit muss sein.“ Sie beauftragte aber Sebastian Kowalke zu Ingelore Babucke in den Konsum zu gehen und zu fragen, ob sie „Haumieblau“ hätte. Sebastian machte sich pflichteifrig auf den Weg in den Dorfkonsum. Unterwegs sagte er sich immerzu den Namen „Haumieblau“ auf, denn er wollte das seltsame Wort nicht vergessen. Er drängelte sich im Konsum vor und sagte nicht ohne Wichtigkeit zu Ingelore Babucke: „Die Lehrerin schickt mich, ich soll fragen, ob Sie „Haumieblau“ haben?“ Es gab ein großes Gelächter bei den Kunden und bei Frau Babucke. Sie sagte zu dem Sebastian: „Na komm mal her.“ Dann gab sie ihm einen Klapps auf den Hintern und schickte ihn wieder zurück in die Schule, wo ihn erneut eine lachende Kinderschar empfing, denn Erika Brodehl hatte alle Kinder inzwischen über den Aprilscherz aufgeklärt.

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Alte Landiner Schule 2020

 

Am letzten Schultag vor den Sommerferien wurden die Zeugnisse ausgegeben und eine Geschichte oder ein Märchen vorgelesen. Erika Brodehl hatte sich aber erkältet und war krank. So kam eine Ersatzlehrerin aus Rathenow und las in reinstem Sächsisch den Kindern „Das Märchen von der Plauen Plume“ vor. Ab 1950 war dann Emmi Schnelle für die Landiner Schule zuständig. Sie heiratete Heinz Wenger und nahm auch seinen Namen an. Emmi Wenger unterrichtete die Kinder aus Landin und Kriele bis 1954. Dann wurde die Schule in Landin geschlossen und alle Kinder mussten nach Kriele zur Schule gehen. Heute ist die Schule ein Wohnhaus.

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Ehemalige Schule 2020

 

© Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 01.04.2020