Grußwort von Andreas Flämig am 21.05.2011



 

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Andreas Flämig

 

Grußwort Landesmusikrat anlässlich der Verleihung der Zelter-Plakette am 21. Mai 2011 in Rathenow

an den Deutsch-Sorbischen Chor Sielow

an die Chorgemeinschaft Babelsberg

Sehr geehrter Herr Staatssekretär,

liebe Frau Schmidt, lieber Herr Paula,

sehr geehrte Vorstände und Mitglieder des Deutsch-Sorbischen Chores Sielow und der Chorgemeinschaft Babelsberg,

verehrte Anwesende!

Das Präsidium des Landesmusikrates Brandenburg, vor allem dessen Präsident, Ulli Neumann, haben mich gebeten, anlässlich der heutigen Auszeichnung mit der Zelter-Plakette ein Grußwort zu sprechen.

Das tue ich natürlich gerne, aber, viel lieber möchte ich dieses Grußwort jetzt s i n g e n, sehen Sie mir daher die folgende Töne nach:

1.

Der Kuckuck und der Esel,

Die hatten großen Streit,

|: Wer wohl am besten sänge :|

|: Zur schönen Maienzeit :|

2.

Der Kuckuck sprach: „Das kann ich!“

Und hub gleich an zu schrei'n.

|: Ich aber kann es besser! :|

|: Fiel gleich der Esel ein. :|

3.

Das klang so schön und lieblich,

So schön von fern und nah;

|: Sie sangen alle beide :|

Kuckuck, Kuckuck, i-a, i-a!

Kuckuck, Kuckuck, i-a!

Warum, um Zelters Willen, habe ich eben dieses Lied hier und heute intoniert? Gibt es auch heute noch Sängerwettstreite zwischen eben jenem Kuckuck, der über seine angestammte kleine Terz nach unten nicht hinauskommt und trotzdem gute Chancen hat, den unmusikalischen Sprechgesang des Esels zu übertönen?

Der Dichter Heinrich Hoffmann v. Fallersleben zwinkert in diesem Gedicht mehrfach mit den Augen, spricht zwar vom „Singen“ der beiden Tiere, meint aber in Wirklichkeit, dass dieser „so schöne und liebliche“ Gesang eher wie ein „schrei’n“ klingt.

Und es gibt noch einen zweiten Grund für dieses Liedzitat, den Erfinder dieser hübschen Melodie betreffend. Sie stammt aus der Feder von - einige von Ihnen werden das bestimmt schon lange wissen - Carl Friedrich Zelter. 1810 hat er diese Tonfolge im Volkston komponiert, wohl wissend, wie das zu machen ist. Mit der zweimaligen Kuckucks-Terz beginnt sie, die dann, sequenziert, die ganze Strophe füllt, schnell zu erfassen und nachzusingen, einfach und genial zugleich gemacht. Das hat dieses Lied bis heute unsterblich gemacht.

Zelter hat sich damals in guter Gesellschaft befunden. Das deutsche Volkslied boomte regelrecht, damals, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dafür hat es nachvollziehbare gesellschaftspolitische Gründe gegeben. Und Kuckuck und Esel haben bei diesem Aufblühen mehrfach wichtige Rollen übernommen.

In „Des Knaben Wunderhorn“ ist ein weiteres bekanntes Volkslied über einen Wettstreit zu finden. Diesmal befindet sich der Kuckuck mit der Nachtigall in Konkurrenz, und der Esel muss den Preisrichter spielen: Er erklärt den Kuckuck zum Sieger, weil er so schulmeisterlich brav nach den Regeln der Tonlehre singt („Der Kukuk drauf fing an geschwind • Sein Sang durch Terz und Quart und Quint.“), während das freie Jubilieren der Nachtigall dem Esel zu unverständlich ist („Du machst mir's kraus! I-ja! I-ja! Ich kann's in Kopf nicht bringen!“).

Was ich damit hier und heute sagen will:

In jedem Chor gibt es bis heute „Kuckucks“, „Nachtigallen“ … und „Esel“. Die einen singen brav vorgegebene Intervalle, die anderen jubilieren in hohen Tonlagen und die „Esel“ sorgen nicht nur für den nötigen Rhythmus und das Metrum, sondern sind nebenbei in der Lage, schwere Lasten zu tragen, die da Organisation, Finanzen, Werbung, Chorfahrten und Nachwuchsgewinnung heißen.

All das, da bin ich mir ganz sicher, gibt es auch im Deutsch-Sorbischen Chor Sielow und in der Chorgemeinschaft Babelsberg, seit über einhundert Jahren.

Das, genau das, verdient gewürdigt zu werden, im Sinne Carl Friedrich Zelters.

Daher an dieser Stelle der herzliche Glückwunsch des Landesmusikrates Brandenburg!

Andreas Flämig

21. Mai 2011