38-Pfarrherr Heinrich Buckow im Rathenower Gefängnis

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Rittergut Milow (2013)

Das mussten anno 1364 sowohl die Rathenower Ratsherren, als auch der Pfarrherr der Burg Milow zu beiderseitigem Schaden erfahren. Pfarrer Heinrich Bukow war nach Rathenow gekommen und dort mit den Ratsherren in ihrer eigenen Versammlung in Streit geraten. Die Ursache des Zwistes ist uns nicht bekannt, man kann aber annehmen, dass es sich um politische Fragen handelte. Denn Milow gehörte dem Erzbischof von Magdeburg, der sich viel Mühe gab, auch Rathenow als Einfallstor in die Mark in seinen Besitz zu bringen, und es 30 Jahre später auch wirklich durch Waffengewalt und Verrat gewann. Wahrscheinlich versuchte Heinrich Bukow an den Rathenowern seine Überredungskünste, dass sie von ihrem Markgrafen abfallen sollten, und die Rathenower lehnten es als treue Märker ab. Der Pfarrer ereiferte sich mehr und mehr und ging soweit in seinem Ungestüm, dass er sie mit Schimpfworten beleidigte und ihren guten Ruf und ihre Ehre in leichtfertiger Weise anschwärzte. Aber der tolle Zorn tut mehr Schaden als drei Dreschflegel. Das erlebte auch Heinrich Bukow. Die Ratsherren legten gewaltigtätig Hand an den unverschämten Priester, misshandelten ihn weidlich und warfen ihn in den Kerker, wo er in Fesseln über sein Auftreten nachdenken konnte. Soweit wäre die Angelegenheit ordnungsgemäß verlaufen, indem nach der Auffassung der Zeit auf einen Schelmen anderthalbe gesetzt waren. Nur eins hatten die Rathenower unterlassen, sie hatten die Einkerkerung ohne richterlichen Spruch vorgenommen. Und da der Gestrafte noch dazu ein Priester war, der unter dem Schutz der Kirche stand, so fiel ihnen ihre rasche Tat schwer auf die Seele. Sie erinnerten sich daran, welche schweren Folgen die Ermordung des Propstes Nicolaus von Bernau vor 40 Jahren für die Berliner gehabt hatte. Dieser, der gefährlichste Gegner Ludwigs des Bayern, hatte am 16. August 1325 von der Kanzel der Marienkirche zu Berlin in flammender Rede gegen den vom Papst gebannten Wittelsbacher gepredigt. Darüber brach die Wut der Berliner gegen ihn los. Er wurde vor der Kirche erschlagen, sein Leichnam auf den Neuen Markt geschleppt und dort auf dem Hochgericht verbrannt. Die Vergeltung, welche die Stadt Berlin dafür erlitt, war furchtbar. Sie wurde vom Papst Johann XXII. mit dem Bann belegt, der erst nach 22 Jahren von ihr genommen wurde, nachdem sie eine hohe Geldbuße bezahlt, einen Altar in der Marienkirche gestiftet und ein Sühnekreuz mit einer ewigen Lampe neben dem Kirchenportal errichtet hatte, wo der Propst erschlagen worden war. Während dieser langen Zeit hatte jeder Gottesdienst aufgehört und keine Glocke war erklungen. Ohne Sang und Klang waren die Toten begraben worden, kein Kind hatte die Taufe und kein Brautpaar den Segen der Kirche empfangen und auch das wirtschaftliche Leben der Stadt war stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Da die Rathenower mit Schaudern an die Folgen dachten, die vielleicht auch Papst Urban V. über sie verhängen würde, so bemühten sie sich, eine friedliche Beilegung herbeizuführen. Von beiden Parteien wurden Schiedsmänner erwählt, und ein kaiserlicher Notarius wurde hinzugezogen, und so kam denn am 3. Weihnachtsfeiertage 1364 in der St. Marienkirche zu Rathenow ein gütlicher Vergleich zustande. Daran waren beteiligt auf der Rathenower Seite der Vizevikar Reyner von Berktzow als Schiedsrichter, sowie die Ratsherren Dietrich Wedeghen, Heinrich Dranse, Albert Wagenitz, Christoph von Bamme, Hermann Mews, Johannes Wulf, Henning von Foro, Nicolaus Pulmann, Johannes Dore, Nicolaus Moringk, Albert von Rynow, Bethekin Scroder (Schröder), Nicolaus Wils und Willikin Smetstorp. Auf der Gegenseite stand der Schiedsmann Johannes Alexii, Vikar im Dorfe Trebetzyn (wohl das eingegangene Dorf Trepzin am Gollenberg). Außerdem waren zugegen die Geistlichen Hermann Klitzing, Pfarrer in Rathenow, Bertram von Eigentorp, Arnold von Lochow, Dietrich von Zernitz, Nicolaus von Nordstede, Pfarrer in Nauen, Petrus, Pfarrer in Bamme, Johannes Crakow und die Rathenower Bürger Albert Vilther, Boldewin Bredekow, Arnold Sandow, Johannes Magnestorp (Mangelsdorf), Nicolaus Theltow, Michael von Pargam. Als kaiserlicher Notar fungierte Sander Nyendorp (Neuendorf).  Dieses stattliche Aufgebot an Priestern und Bürgern, das uns gleichzeitig zeigt, wie lange sich einzelne Familiennamen in Rathenow erhalten haben, brachte einen Vergleich zustande. Die Rathenower bekannten demütig ihre Schuld, baten um Schonung und Vergebung und erklärten sich zu jeder Sühne bereit, die der Spruch der Schiedsmänner ihnen auferlegen würde. Darauf antwortete der Pfarrer Heinrich Bukow, dass er wohlwollend und gutwillig vergebe und auch wegen der erlittenen Behandlung zu keiner Zeit späterhin Klage erheben werde. auch bitte er wegen der ausgestoßenen Schmähungen gebührend um Verzeihug. Danach setzten die Schiedsmänner fest, dass die Rathenower dem Pfarrer Heinrich Bukow eine lebenslängliche Buße von 4 Pfund brandenburgischen Pfennigen in 4 Raten am Fest der Beschneidung (1. Januar), zu Ostern, Johanni (24. Juni) und Michaeli (29. September) zu zahlen hätten. Die Ratsherren verpflichteten sich in ihrem und der Stadtgemeinde Namen, diese Summe, die nach heutigem Wert ungefähr 1200 Mark betrug, ordentlich und pünktlich abzuliefern. So hatte dieser Zwist ein friedliches Ende gefunden. Die Rathenower waren zu einer Zeit, als die Kirche eine gewaltige Macht darstellte, noch glimpflich davongekommen, und sie hatten, wenn sie auch zahlen mussten, wenigstens die Genugtuung davongetragen, dem Pfarrer seine Beleidigungen gebührend eingetränkt zu haben, denn „es ist besser in die Faust, denn in die Luft geredet.“ Den Pfarrer in Milow aber wird die ganz nette jährliche Zubuße haben vergessen lassen, dass sie ein Schmerzensgeld für eine selbstverdiente Unbill war, denn, wie mancher meint, stinkt Geld nicht. Er wird aber auch gelernt haben: „Wer in das Feuer bläst, dem fliegen die Funken in die  Augen.“

 

Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 13.07.2019, nach Walther Specht