35-Zahnarzt Lomnitz als Fotograf in Rathenow

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Älteste in Rathenow gefertigte
Porträtfotografie

Auch im menschlichen Leben nimmt das Schicksal mit uns zuweilen ganz eigenartige Verschiebungen vor, vor allem in den Berufen. Das erfuhr auch vor hundert Jahren der Königlich approbierte Zahnarzt B. Lomnitz aus Berlin, der alle Jahre gewöhnlich zweimal nach Rathenow kam und im Zimmer Nr. 9 der „Goldenen Sonne“ die Zahnkranken behandelte. Im September 1842 gab er durch das „Gemeinnützige Wochenblatt für Rathenow und Umgebung“ folgendes bekannt:

„Mehrseitige Aufforderungen veranlassen mich zu der ergebensten Anzeige, dass ich von Mittwoch dem 21. des Monats an, vormittags von 11 bis 1 Uhr, Daguerreotyp - oder Lichtbilder –Portraits in 15 bis 20 Sekunden bei günstiger Witterung herzustellen bereit bin.“ In zahnärztlichen Angelegenheiten war er außerdem drei Stunden vorher und zwei nachher zu sprechen. So war der erste Photograph in Rathenow ein Zahnarzt, der geschäftstüchtig genug war, durch die erst vier Jahre vorher von dem Franzosen Daguerre erfundene Photographie auf lichtempfindlich gemachten, versilberten Kupferplatten sich Patienten zu ködern. Es ist sehr wahrscheinlich, dass unter den hier und da in Rathenower Familien aufbewahrten Daguerreotypien auch manche von Lomnitz angefertigt wurden. In derselben Zeit geschah auch die sonderbare Geschichte mit „Blitzwulffen“. Dieser, als Leutnant von Wulffen bei den Rathenower Kürassieren stehend, war bei einer Übung vom Blitz getroffen und, als er nicht wieder ins Leben zurückgerufen werden konnte, zum Begräbnis aufgebahrt worden. Da bemerkte sein treuer Bursche, der nicht an den Tod seines Herrn glauben konnte und nicht von der Leiche wich, dass sich der kleine Finger bewegte. Auf seine Meldung wurden abermals Wiederbelebungsversuche angestellt, die auch mit Erfolg gekrönt waren. Der Leutnant wurde wieder lebendig und behielt außer dem Spitznamen „Blitzwulffen“ keinen Schaden zurück, nur hatte er Verlobung vollständig vergessen. Doch das ist weiter nichts Absonderliches. Es ist schon vielen passiert, dass ihr Gedächtnis in puncto Verlobung und Ehe gänzlich versagt hat, ohne dass sie vom Blitz getroffen wurden. Mit dem Gedächtnis hapert es überhaupt zuweilen sehr. Das beweist besonders deutlich eine Anzeige, die im Februar vor 75 Jahren im Kreisblatt für das Havelland stand. Da heißt es nämlich: „Hinter dem Hause der Witwe Menzel vor dem Berliner Tore steht schon seit zwei Jahren eine Miete Holz. Der Eigentümer möge dieselbe bis zum 20. des Monats abholen.“  Dass jeder Mensch einen „Sparren“ hat, kann kaum widerlegt werden. Aber bewiesen wird es dadurch, dass es 1892 in Rathenow ein  Junggesellenklub gegründet wurde mit dem Ziel, seine Mitglieder zu Hagestolzen zu erziehen. Mit einer Geldbuße wurde der bestraft, der in den Stand der Ehe trat. Leichte Verrücktheit kann man auch bei den Müttern der „Höheren Töchter“ konstatieren, die um 1892 ihre Töchter mit Schmuck, Putz und auffallend modernen Trachten in die Schule schickten. Es kam sogar vor, dass die Mädchen im Unterricht ohnmächtig wurden, weil sie zu fest geschnürt waren, und dass ihnen aus demselben Grunde die Turnübungen unmöglich wurden. Da war jene Anna Maria Rühl, die vor zweihundert Jahren (1742) als Zietenhusar diente, ein anderer Kerl. Drei Jahre hatte sie es verstanden, unerkannt als Soldat im Zietenschen Regiment ihre Pflicht zu tun. Da geriet sie mit einem Kameraden in Raufereien und wurde zum Spießrutenlaufen verurteilt, wobei „ihr Geschlecht offenbar“ wurde. Nun hatte das Soldatenspiel ein Ende und sie kehrte wieder zu ihre Frauenrolle zurück, indem sie 1744 in Berlin heiratete.

 

Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 13.07.2019, nach Walther Specht