34-Die Jakobskapelle in Brandenburg an der Havel

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Jakobskapelle in Brandenburg an der Havel (2013)

Um es gleich vorweg zu nehmen, die St. Jakobskapelle in Brandenburg, um die es sich hier handelt, ist nicht, wie es unter Menschen manchmal geschieht, verrückt „geworden“, sondern nur verrückt „worden“, und zwar ging das so zu. 1892 sollte die Jakobstraße in Brandenburg verbreitert werden, wobei die Kapelle, die schon seit 1320 an derselben Stelle stand, im Wege war. Da die Stadt Brandenburg stets bemüht war, ihre Eigenart durch Erhaltung und Pflege ihrer Bauten zu wahren, so wurde die Kapelle nicht kurzerhand abgerissen, wie man es wohl anderswo getan hätte, sondern man beschloss, sie um 11 Meter nach Westen zu rücken. Das Unternehmen erregte in bautechnischen Kreisen Deutschlands Aufsehen und wurde mit Spannung verfolgt, da es damals zu den größten Seltenheiten gehörte, ein massives Gebäude, das seine 4500 Zentner wog, zu verschieben. Der Versuch glückte, und nachdem die Kapelle am ersten Tage um 3,50 am zweiten um 3,88 und am dritten um3,62 Meter verschoben worden war, stand sie fest auf ihrem neuen Fundament.
Das Absonderlichste aber erlebte ich selber. Vor einigen Jahren bat mich der Leiter eines großen Werkes in Rathenow zu sich wegen zweier Schädel, die beim Ausheben einer Fundamentsgrube gefunden worden waren. Ich sah mir die Fundstelle und die Schädel an, und als ich nach Hause fuhr, tauchte allmählich aus der Vergessenheit eine Chaussee auf, auf der zwei Männer gingen und jeder in der Hand einen in Zeitungspapier gewickelten runden Gegenstand trug. An einem Wäldchen links des Weges machten sie Halt und buddelten dort die beiden Schädel, die sich in dem Papier befunden hatten, ein. Die beiden Männer waren mein Freund und ich selber. Er hatte den Auftrag von seiner Mutter erhalten, die Schädel nach dem Tode seines Bruders, der sie von irgendwo mitgebracht und lange Jahre aufbewahrt hatte, aus dem Hause zu schaffen. Da mein Freund auch ein Eulenspiegel war, so verabredeten wir, sie dort zu verscharren, wo sie jetzt gefunden wurden, und freuten uns im Voraus, was für schwere Gedanken ein späterer Altertumsforscher in seinem Denkgehäuse wälzen würde, wenn er sie fände. Ich konnte natürlich nicht ahnen, dass sie so große Anhänglichkeit an mich zeigen würden, aber möglicherweise waren es Vorfahren von mir. So erhielt der geheimnisvolle Schädelfund eine vergnügliche Aufklärung.

 

Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 13.07.2019, nach Walther Specht