28-Mord und Todschlag in Rathenow

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Reste der Stadtmauer am ehemaligen Haveltor (2013)

Das Jahr 1626 sollte aber nicht zu Ende gehen, ehe der durch die Soldateska verursachte Tod des Ratsherrn nicht eine gewisse Sühne fand. Die Mansfelder hatten zwar die Stadt nach mehr als einem Vierteljahr verlassen, aber die an ihre Stelle eingerückten Kurfürstlichen Truppen führten sich nicht besser auf und trieben es so arg, dass der Kapitän Schwedt wegen des Mutwillens seiner Soldaten gegen die Untertanen im Havellande eine gehörige Rüge erhielt. Ein anderer Kapitän Johann von Beeraber wurde am 27. Dezember im Hause des verstorbenen Heidepriem von einem Familienmitglied, dem uckermärkischen Landreiter Niclaus Heidepriem , mit einem „Calbiener Rohr“ tödlich verwundet. Warum dieser nach Rathenow gekommen war, ist nicht festzustellen, es lässt sich indes vermuten, dass er, der wohl ein Bruder des Matthias war, in Erbschaftsangelegenheiten oder auch wegen des Gutes Stegelitz in der Uckermark, das der Stadt gehörte, sich in Rathenow aufhielt. Es wird nur erzählt, dass der Täter „in selbiger Nacht über den Mauren sich davongemacht.“ Nach dem Bericht des Medici von Stendal, Wilhelm Böckels, und des Chirurgi von Tangermünde, Balthasar Quarcken, war die Wunde des Kapitäns derart, „dass er das Leben dabei wird einbüßen müssen.“ Er starb auch drei Tage darauf und wurde am 15. Januar 1627 begraben. Der Rat stellte dem Kurfürsten anheim, ob er jemanden zur Untersuchung abordnen wolle, „zumal leichtlich geschehen mögen, dass nicht alle Personen im Hause, worin der Schuss geschehen, ums Leben kommen wären, sondern auch die Bürgerschaft und Soldaten ineinandergeraten wären, dass also ein Blutbad vor Augen geschwebet.“ Warum Niclaus Heidepriem den Offizier erschossen hat, scheint aus der weiteren Mitteilung des Rates hervorzugehen, dass der Kurfürstlich Brandenburgische Kapitän mit den Tillyschen Offizieren, Oberstleutnant Wolfgang von Crell in Tangermünde und Oswald von Möllendorff in Stendal, nicht nur Verhandlungen anknüpfte, seine Soldaten an sie abzutreten, sondern, dass er tatsächlich 34 Mann dem Oberstleutnant auslieferte, der diesem dafür zwei Tonnen Bier „verehrte“. Die Annahme, dass Niclaus Heidepriem aus vaterländischem Herzen den Kapitän als Hochverräter an seinem Kurfürsten behandelte, scheint auch aus einem geharnischten Schreiben des Kanzlers Pruckmann hervorzuheben, in dem dieser den Rat heftig anfuhr, dass er bis zum 11. März 1627 noch keinen Schritt getan habe, den Täter vorzuladen. „Ursache ist, dass er euch mehrenteils mit Schwägerschaft und sonsten verwandt. Darum wollet ihr nicht fort.“ Es war das aber sicherlich nicht der eigentliche Grund, dass der Rat es immer wieder hinausschob, des Täter zu verfolgen, sondern vielmehr die Übereinstimmung mit seinem Rechtsgefühl und seiner mannhaften Tat, durch die er als treuer Märker einen brandenburgischen Offizier, der sich gegen den Soldateneid verging, beseitigte. Und da in dem umfangreichen Briefwechsel des Rates mit der Regierung der Name Niclaus Heidepriem nicht wieder vorkommt, so ist anzunehmen, dass ihm nichts geschehen ist. Im Kriegsgarten wachsen zwar viele Unglücksblumen, aber ein tapferes Herz wird darum kämpfen, dass sie die leuchtenden Glücksblumen nicht überwuchern.

 

Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 10.07.2019, nach Walther Specht