26-Die scharfen Zugen der Havelländischen Frauen

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Die fischreiche Havel in Rathenow

Man sollte es nicht für möglich halten, aber es steht schwarz auf weiß gedruckt, und da muss es wohl seine Richtigkeit haben, wenn auch manche Leserin dagegen aufbegehren wird. Es ist aber auch wirklich nicht nett, was der Leibmedikus Seiner Durchlaucht des Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg, Leonhard Thurneysser zum Thurn (1531 – 1595), über unsere schöne Havel und die an ihr wohnenden reizenden Frauen schrieb. Er war allerdings ein gelehrter Mann, der viele Länder in Europa, Afrika und Asien bereiste und beim Erzherzog Ferdinand in hohem Ansehen stand, der im Inntal Bergwerke und Schmelzöfen anlegte, viele dicke, mit herrlichen Holzschnitten gezierte Bücher über Kräuter, Arzneien und Metalle verfasste, zu Berlin im Grauen Kloster eine hervorragende Druckerei gründete, Krankheiten aus dem Harn feststellte, die Kurfürstin aus schwerem Siechtum rettete, viele Wunderkuren ausführte und von 1570 - 1584 in Berlin als Leibarzt ein fürstliches Gehalt bezog. Mit den havelländischen Frauen verdarb er es, als er in seinem Werk „Pison“, in dem er den märkischen Flüssen Reichtum an edlem Gestein und Metall nachrühmt, folgendes sagte: „Die Havel helt in ihr nichts besonders – während die Spree in ihrem Schlick Gold und eine schöne Glasur führen sollte – ein Fischreich, schwer und ungesund Faulwasser, davon etliche Weiber, die es trinken, gar böse, scharpffe und lügenhafte Zungen überkommen, den Leuten arges nachzureden.“ – Aber , könnte sein Urteil am Ende nicht doch richtig sein? – Dann lieber Vorsicht, schöne Leserin! Zähme Deine Zunge, damit nicht, wenn Du einmal einer oder einem etwas Unfreundliches nachreden möchtest, an Dir das Wort hängen bleibt: „ Sie hat Havelwasser getrunken“. Von „ scharpffen Zungen“ bis zu einem Rhinozeros ist es nicht weit. Das erste Rhinozeros in Preußen brachte 1745 ein holländischer Schiffskapitän in seiner Schaluppe von Hamburg aus die Elbe aufwärts. Friedrich der Große aber befahl dem Rat von Tangermünde, dem Kapitän „zu bedeuten, dass er allsofort mit seinem Rhinozeros retirieren solle, da dergleichen Personen, die den Leuten das Geld aus dem Beutel locken, in den Königlichen Landen nicht geduldet werden sollen.“ Der König scheint sich aber bald anders besonnen zu haben, denn im Frühjahr 1746 wurde den Berlinern die Besichtigung gestattet. Wenn wir auch keine sicheren Nachrichten haben, so ist doch die Annahme berechtigt, dass die holländische Schaluppe mit ihrem dickhäutigen Inhalt auf dem Wege von Hamburg nach Berlin auch über Rathenow gefahren ist, und dass dabei gleichzeitig der Anblick des Tieres die Reihe der Rathenower Kraftausdrücke wohl um einen neuen bereichert hat. Auch andere nichthavelländische Tiere verirrten sich gelegentlich nach Rathenow. So schoss der Förster Söffker in Elslaake im November 1884 zwei Adler, deren einer von einer Schwinge zur anderen 4,60 Meter maß. Vor 50 Jahren konnte ein lebender Stör in Rathenow angestaunt werden. Er war in der Nacht vom 25. zum 26. Juni 1892 von dem Fischer Heinsdorff im Netz gefangen worden und hatte eine Länge von 2,90 Metern und ein Gewicht von 225 Pfund (112,5 kg), von denen allein auf den Rogen 36 (18 kg) und auf den Kopf 20 Pfund (10 kg) kamen. Nach den großen Überschwemmungen von 1845 und 1855 zeigten sich Stinte und Flundern im Hohennauener See, die das Elbwasser hierher gebracht hatte. Von einheimischen Fischen wurden im Trintsee bei Ferchesar nicht selten Welse von einem Zentner (50 kg) gefangen und im Landiner See zog man 1742 ein Prachtstück von 4 Metern Länge ans Land. Der Wild- und Fischreichtum hat sich aber bis heute sehr verringert, ja manche Tiere sind bei uns ganz ausgestorben. So wird 1742 in einem Bericht sehr geklagt, dass es im Rhin bei Kleßen und Rhinow Biber in Mengen gäbe, die großen Schaden an den Holzungen, am Gras und an den Ufern anrichteten. Sie wurden vollständig ausgerottet. Wie Reiher, Dachse, Trappen, Fischottern, Kraniche nur noch vereinzelt zu finden sind, so hat auch die Zahl der Hasen, Rehe und Hirsche sehr abgenommen, während noch zur Zeit Friedrich des Großen die Hirsche bei Prietzen hundertweise auftraten. Selbst noch vom Oktober 1891 bis Januar 1892 wurden auf der Premnitzer Feldmark 23 Hirsche, 1 Wildschwein, 13 Rehe, 175 Hasen, 4 Füchse und ein Baummarder und in Schönhausen 1883 an zwei Tagen gar 227 Hasen geschossen.

 

Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 10.07.2019, nach Walther Specht