25-Wetterkapriolen und Irrlichter im Havelland

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Überschwemmungen im Havelland (2013)

Im Jahre 1892 erlebten die Havelländer folgende Naturmerkwürdigkeiten. Am 30. Juni und am 1. Juli tobte als Folge eines Gewitters ein heftiger Sturm, der großen Schaden in Garten, Feld und Wald anrichtete. Auf der Jederitzer Brücke wurde ein Wagen mit Heu umgeworfen, so dass die ganze Ladung in den Schleusenkanal fiel. Auch auf der Chaussee nach Milow erlitten zwei andere Heufuhren dasselbe Schicksal. Am 14. Februar wurde in Rathenow sowie in Mittel- und Westdeutschland um 2 Uhr nachts ein schönes großes Nordlicht gesehen, wie es seit dem Winter 1870/71 nicht aufgetreten war. Es strahlte einen hellen feurigroten Schein aus, so dass der Schnee eine rote Färbung annahm. Am 7. April beobachtete der Förster K. in Buckow bei Großwudicke einen Meteorfall. Als er gegen 8 Uhr vom Schnepfenstrich nach Hause ging, erschreckte ihn plötzlich ein heller Schein am Erdboden. Beim Aufblicken sah er einen hellen Feuerkörper mit langem Schweif und kleinen Kugeln dahinter durch die Luft sausen. Nach etwa zwei Minuten hörte er einen dumpfen Knall, als wenn eine Kanone abgefeuert würde. Dasselbe beobachtete auch der Förster Sch. in Böhne. Im Anschluss an diese Lichterscheinungen mag noch von Irrlichtern bei Rathenow erzählt werden, die der Förster F. Becker in den Jahren 1862-64 auf sumpfigen Boden am Wolzensee regelmäßig gesehen hat, wie denn überhaupt zu damaliger Zeit Irrlichter nichts Seltenes gewesen sind. Die Lichter traten, wie er im „Daheim“ erzählte, unstet auf, flackernd oder vielmehr hüpfend, bald aufleuchtend, bald verschwindend, um gleich darauf wieder aufzutauchen. Beim Näherkommen büßten sie, ohnehin schon matt und glanzlos an Leuchtkraft ein und verschwanden ganz, wenn man vor ihnen stand. Diese Aussage deckt sich mit Äußerungen, die mir von glaubwürdigen Männern in Ferchesar über das Vorkommen von Irrlichtern am Leuenberg, der Badestelle der Rathenower am Ferchesarer See, gemacht wurden. Der Knochen aber, der in der Sage von den Lüchtermännchen bei Ferchsar eine Rolle spielt, scheint durchaus richtig auf die Entstehung der Irrlichter aus dem Phosphor, Kalzium und Schwefel in den im Moor versunkenen Menschen oder Tierleichen hinzuweisen. So konnte das Irrlicht tatsächlich in vergangenen Jahrhunderten, als unser Havelland noch nicht so gründlich entwässert war, die Menschen in schwer oder gar nicht zugängliche Moorgebiete führen, die ihnen dann den Tod brachten. Seit jener Zeit ist das trügerische Irrlicht ein abschreckendes Sinnbild für diejenigen geblieben, die einem Traum nachsagen und dabei das Gefühl für die Wirklichkeit verlieren. „So lenkt ein Irrwisch unsere Schritte, und erst in unsers Lebens Mitte steckt die Vernunft ein Lämpchen an.“ Wir aufgeklärten Menschen des 21. Jahrhunderts wissen natürlich, dass die Leuchtkäfer, die wir Glühwürmchen nennen, einen Stoff namens Luceferin enthalten, den sie mit Sauerstoff und einem Katalysator zum Leuchten bringen. Mit Phosphor, Kalzium und Schwefel aus dem Moor hat das nichts zu tun. Aber die alten Geschichten, wie Eugen Gliege sie heutzutage malt und beschreibt, sind eben doch schön und gruselig.

 

Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 10.07.2019, nach Walther Specht