24-Wetterfahnen im Havelland

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Wetterfahne in Semlin (2013)

Wenn Martin Luther zum tägliche Brot auch „Gut Wetter“ zählt, so hat er das sicher aus der Wahrnehmung heraus getan, dass gutes Wetter eine Notwendigkeit für uns alle, für die Acker, - Obst – und Waldwirtschaft treibende Bevölkerung ist. Denn was würde alles fleißige Schaffen in Feld und Wald, Wiese und Garten helfen, wenn schlechte Witterung das Wachsen und Gedeihen verhindern oder die Frucht der Arbeit zerstörte? So gilt denn die erste und letzte, oft so bange Frage des Tages bei allen, die in ihrer Hantierung auf die Natur angewiesen sind, dem Wetter, weil die Verteilung und Einrichtung der Tagesarbeit vielfach von ihm abhängig ist. Daher setzte man schon seit alter Zeit auf leicht ins Auge fallende Punkte, wie Häuser, Scheunen und Spitzen der Kirchtürme Wetterfahnen, um die Richtung des Windes zu erkennen, der das gute oder böse Wetter herbeiführt oder vertreibt. Die zierlichen eisernen Fähnchen, die sich scharf vom Himmel abheben, sind durch die persönliche Eigenart, die der Besitzer in sie hineinlegte, oft zu Wahrzeichen der Häuser oder der ganzen Ortschaft geworden. Häufig findet man in ihnen Beziehungen zu dem Stande des Eigentümers. Der Brauer Andreas Zietz in der Mühlenstraße Nr. 22 zu Rathenow nimmt als Zierart Blüten und Ranken vom Hopfen, wie die große Wetterfahne vom Jahre 1692 zeigt. Der Schlosser Kähne in Friesack verwendet 1750 Schlüssel und Schloss, ein Schnittwarenhändler in Haage (1888) humorvoll seine mit Zeugballen belegten Tisch, hinter dem er mit einer Elle steht, um eine Kundin zu bedienen. Auf Schmiedewerkstätten und Bauernhäusern trifft man nicht selten Pferde und Hufeisen, auf Schifferhäusern (Pritzerbe) einen Segelkahn. In jeder Fahne aber sind vor allem die Anfangsbuchstaben des Besitzers oder Kirchenpatrons und die Jahreszahl der Erbauung oder der Renovierung des Gebäudes angebracht. Auch Tiere werden viel verwandt. So sehen wir auf einer Rathenower Wetterfahne aus der Scharnbeckschen Familie in der Bergstraße aus dem Jahre 1703 oder 1763(?) einen Drachenkopf, der auch die Pfarrscheune in Witzke (1599) und des Turmes in Gortz (1619) schmückt und den Wohlstand schützen soll. Wohl die ältesten Wetterfahnen des Havellandes trägt die aus dem 14. Jahrhundert stammende ehemalige Wallfahrtskirche in Buckow bei Nennhausen: einen Fisch als Sinnbild Christi und eine Hahn als Sinnbild des Lichtes, des Lebens, der Wachsamkeit, der durch sein Krähen die bösen Geister verscheuchen soll. Auch die Kirche in Radewege hat dasselbe Symbol. Auf den Kirchtürmen zu Ribbeck (1722) und zu Nauen schweben Schwäne als Lebensbringer und als Symbole des Luthertums. Auf dem Niebeder Turm (1754) sehen wir einen Vogel, vielleicht eine Ente oder eine Schnepfe, die in einem Fuß etwas trägt, und in der Fahne des Turmes von Selbelang von 1749 befindet sich sogar ein Pelikan mit seinen Jungen, wohl ein Sinnbild der fürsorgenden Liebe. Diese kleine Auslese von havelländischen Wetterfahnen, die sich noch um ein Vielfaches vermehren ließe, soll den Leser auf die schöne alte Sitte hinweisen, die unsere Vorfahren bewog, sowohl aus praktischen Gründen, wie aus Schönheitsgefühl auf die Firste ihrer Häuser und die Türme ihrer Kirchen, Wetterfahnen zu setzen. Diese Erinnerung möchte aber auch eine Anregung sein, den ehrwürdigen Brauch wieder in der Gegenwart zu beleben. Denn es ist uns immer gut zu wissen, woher der Wind weht.
 

Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 10.07.2019, nach Walther Specht