23-Kommt ein Vogel geflogen

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Moderner Heißluftballon

Als wir jung waren, wünschte unsere Sehnsucht uns oft Flügel, damit wir dahin fliegen könnten, wo wir ein getreues Herz wussten, das uns in Liebe verbunden war. Oder wir wünschten, dass uns ein Vogel Botschaft brächte und eine andere wieder mitnahm. Aber aus dem Fliegen wurde nichts, und wir blieben hübsch auf der Erde, und statt des Vögleins mit dem Zettel im Schnabel kamen die uniformierten Jünger des Generalpostmeisters von Stephan oder des „Posthusaren“ von Podbielski, des früheren Kommandeurs der Zietenhusaren, und stillten mit Briefen unsers Herzens Sehnen. Heute ist das Fliegen zur Wirklichkeit geworden, und große glänzende Vögel tragen Botschaften über Land und Meer, von der Heimat in die Ferne, und aus der Weite in das Haus. Sie bergen Freude und Leid in ihren Leibern, erlösen aber auf jeden Fall die sehnlich Wartenden aus den Qualen der Ungewissheit und Ungeduld. Eine Art Luftpost gab es auch schon im deutsch-französischen Kriege auf Seiten der Franzosen. Sie wurde staatlich am 26. September 1870 so organisiert, dass aus den eingeschlossenen Festungen bemannte oder kleine unbemannte Luftballons mit Briefsendungen aufstiegen, die von den Orten, wo sie niedergegangen waren, an die Empfänger weiterbefördert wurden. Die Nachrichten waren auf winzige Zettel von dünnstem Papier geschrieben, die eine Größe von 4,5 x 10 Zentimetern hatten. Das Gewicht eines Briefumschlages, in dem eine Anzahl solcher Zettel von verschiedenen Absendern enthalten war, durfte aber 4 Gramm nicht überschreiten, so dass nur ganz kurze Mitteilungen gemacht werden konnten. Das Rathenower Heimatmuseum besaß sechs solcher kleinen Ballonbriefe, die ihm 1902 von dem lange verstorbenen Rechnungsrat Zachen übergeben wurden, der 1870/71 Feld-Intendantur-Rat der 6. Infanterie-Division war. Sie befanden sich mit vielen anderen in einem Ballon, der während der Belagerung von Metz aufgelassen und von deutschen Soldaten aufgefangen worden war. Ein Brief in der Urschrift lautete übersetzt: „Metz, den 1. Oktober 1870, Herrn Simon, Auvray Straße 39, Le Mans (Sarthe). Gute Gesundheit allen. Uns geht`s immer gut. Auf Wiedersehen. Ich umarme Euch. A. Chassin.“ In einem anderen Brief vom 30. September an den Steuereinnehmer Jan in Montfaucon, Departement Maine und Loire, drücken diesem dessen Bruder L. Jan und Julius die Hand. – Am 29. September schreibt ein Ingenieur-Sergeant an seine Mutter, die Witwe Yven, in der Gemeinde Cleden, Kanton Pont-Croix Finisterre, Frankreich: „ Ballonpost. Mir geht es gut. Le Coz auch, wir wünschen, dass es Euch ebenso geht. Alles geht sehr gut in Metz. Gruß an die Freunde.“ - Ein Brief ist sogar nach Algier an den Intendanten Bouche gerichtet und meldet nur, dass „ Friedrich und ich uns weiter wohl befinden.“ - Am 30. September 1870 teilt Th. Colonnier seinem lieben Onkel, dem Eigentümer Colonnier in Lucon Vandee noch mit, dass er in Metz sei als „kaiserlicher Kommissar beim Kriegsrat seiner Infanterie-Division, obwohl es seit dem 4. September kein Kaiserreich mehr gab. - Der sechste und längste Brief ist von den Sergeanten Eduard an Herrn und Frau Grand in Besancon gerichtet und lautet: „ Im Lager unter Metz 28. September 1870. Mein lieber Theodor, meine liebe Justine. Mir geht es gut, ich wünsche dasselbe von Euch. Beruhigt die Mutter, ich bin unruhig wegen Karl, ich denke, dass er entkommen ist. Ich habe weder August noch Lion gesehen, noch Herrn Bintot. Wir sind voll Vertrauen. Ich habe Herrn Lemaire gesehen. Auf Wiedersehen und guten Mut.“ Wie diese sechs Briefe, so haben auch viele andere ihr Ziel nicht erreicht, dafür sorgte schon die Wachsamkeit der deutschen Soldaten, die natürlich lebhafte Jagd auf die Ballons machten und so manchen abschossen. Da die Ballons ja ganz von der Windrichtung abhängig waren, so konnten sie nur einen Notbehelf einer Nachrichtenübermittlung darstellen. Aber sie erfüllten, wenn sie glücklich im unbesetzten Gebiet landeten, doch ihren Zweck, durch ein paar Zeilen die Angehörigen der Soldaten über deren Schicksal zu beruhigen, und wenn die Nachrichten auch weiter nichts enthielten als „einen Gruß und einen Kuss.“ In Frankreich waren die Heißluftballons durch die Brüder Michel-Joseph und Jaques-Étienne Montgolfier, die 1783 bekannt geworden. Diese Warmluftballons nannte man auch „Montgolfieren“.

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Warmluftballon der Brüder Michel-Joseph und Jaques-Étienne Montgolfier
1783

 

Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 10.07.2019, nach Walther Specht