18-Die Tartüffel

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Kartoffeln (2013)

Ein Magenpflaster, wie der Matthias Claudius, im „Wandsbecker Bote“ , die Kartoffel nennt, ist sie heute gewiss für uns. Was sollten wir wohl ohne sie anfangen, und wir können es uns nur schwer vorstellen, wie unsere Vorfahren vor 200 und mehr Jahren ohne sie fertig geworden sind. „Es hat lange gedauert, bis die Kartoffel allgemeine Verbreitung in der Mark Brandenburg gefunden hat. Die ersten „Tartüffeln“ ließ die Kurfürstin Luise Henriette 1649 im Lustgarten des Berliner Schlosses pflanzen. Schon 1682 sollen sie allgemein in der Mark bekannt gewesen sein. Wie ein Bericht aus jener Zeit hervorhebt, „esset man diese Tartüffeln teils zur Lust und Veränderung, teils als eine nährende Speise, weil sie nunmehr ziemlich gemein bei uns worden.“ Mit dieser „Gemeinheit“ wird es aber doch nicht weit her gewesen sein, wenigstens nicht in der Mark Brandenburg, sonst hätte nicht Friedrich der Große fast hundert Jahre später noch seinen Untertanen die Kartoffeln förmlich aufzwingen müssen. Durch Verteilung von Saatkartoffeln, Empfehlung von den Kanzeln, Verbreitung gedruckter Anweisungen und wo das nicht half, durch nachdrückliche Mitwirkung der Landreiter brachte er es während seiner Regierung dahin, dass die Pommes de terre (Erdäpfel) nicht bloß als Gartenfrucht zur „Lust und Veränderung“, sondern als Feldfrucht gezogen und damit zum wirklichen Nahrungsmittel gemacht wurde. Es gibt auch eine Anekdote über König Friedrich II., dass er die Kartoffelfelder auf den Domänen, wie man die Staatsgüter früher nannte, von seinen Soldaten bewachen ließ mit der Maßgabe ein Auge zuzudrücken, wenn die Bauern sie stahlen. Die Rechnung ging auf. Da der König seine Kartoffelfelder bewachen ließ, meinten die Leute, es sei eine besonders wertvolle Feldfrucht und das Interesse war geweckt. Besonders in den Hungerjahren 1770 – 1772 lernte man ihren Wert schätzen, sodass sich seit dieser Zeit weitere Zwangsmaßnahmen erübrigten.

 

 

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Kartoffelfeld bei Rathenow (2013)

Das Rathenower Stadtarchiv enthält eine Reihe von Berichten des Magistrats an die Regierung aus den Jahren 1747 – 1755, 1765 bis 1770 und 1778, die uns zeigen, wie wenig man damals in der Stadt noch von der Kartoffel hielt. Durch Reskript vom 18. Juli 1748 wurde dem Magistrat befohlen, „das Pflanzen der Tartüffeln in denen Kurmärkischen Landen, so wie in Pommern und Litauen gebräuchlich, zu introduzieren und denen Untertanen den daraus zu hoffenden Nutzen recht begreiflich zu machen.“

Nach der darauf eingesandten Tabelle sind im Jahre 1747 „hin und wieder in den Gärten vor der Stadt sechs Scheffel gebaut worden“, das heißt also, da ein Scheffel 55 Liter fasste, 330 Liter auf 3000 Einwohner. Der versprochene Septemberbericht von 1748 sagt, „dass im diesen Jahre soviel Tartüffeln bei hiesiger Stadt gepflanzt, dass, wenn die Dürre nicht so übermäßig groß gewesen, wohl an acht bis zehn Wispel (1 Wispel hatte 24 Scheffel) hätten gewonnen werden können, maßen nach eingezogener Erkundigung über drei Wispel Tartüffeln (72 Scheffel) beträget, was wirklich dennoch gewonnen wird, und in denen allermeisten Gärten dergleichen dieses Jahr gepflanzt worden, auch kein Zweifel ist, dass die hiesigen Einwohner, welche den Nutzen von denen Tartüffeln genugsam erkennen und einsetzen, auf Pflanzung derselben ins Künftige sich mehr und mehr befleißigen.“

Wenn auch 1749 hervorgehoben wird, dass die Kartoffeln von den Gärtnern sowohl als anderen Garteneigentümern in großer Menge auf den Markt gebracht und verkauft werden, so scheint hier mehr das Bestreben des Magistrats zum Ausdruck zu kommen, nach oben durch günstige Berichte möglichst glatt abzuschneiden. Dafür spricht auch das Fehlen einer bestimmten Zahl, die erst nach zweimaliger Mahnung eingeschickt wird. Es sind dreizehn Scheffel gepflanzt, wovon nicht mehr als zwei Wispel und acht Scheffel gewonnen worden, da die gepflanzten Kartoffeln mehr über der Erde ins Kraut wachsen, als in der Erde wie sonst geraten sind.

1750 werden zwar zwei Scheffel mehr, also insgesamt 15 Scheffel gepflanzt, aber nur 1 Wispel und 20 Scheffel gewonnen, weil im Juli außerordentliche Hitze eingefallen und anhaltende Dürre gewesen, wodurch die Kartoffeln in Wachstum behindert, das Kraut oberwärts vertrocknet und in der Erde solche nicht zugenommen. Die außerordentlich feuchte und kalte Witterung des Jahres 1751 hat die Kartoffeln sehr spät reifen lassen. Dennoch sind von 18 Scheffeln Aussaat 3 Wispel und 9 Scheffel gewonnen worden.

Die folgenden Jahre zeigen ein stetiges Zunehmen des Kartoffelbaues. 1752 beträgt die Aussaat 22 Scheffel, die Ernte 5 Wispel und 10 Scheffel; 1753 die Aussaat 1 Wispel und 4 Scheffel, die Ernte 8 Wispel und 4 Scheffel; 1754 die Aussaat 1 Wispel und 6 Scheffel, die Ernte wegen des vom Juli bis Mitte September anhaltenden Regenwetters nur 7 Wispel und 10 Scheffel; 1755 die Aussaat 2 Wispel und 3 Scheffel, die Ernte aber wegen nasser Witterung nur 8 Wispel und 16 Scheffel.

Während des Siebenjährigen Krieges scheinen keine Berichte eingeschickt worden zu sein. Erst vom Jahre 1765 erfahren wir wieder, dass von 18 Scheffeln Aussaat 5 Wispel gewonnen sind. Das Jahr 1766 bringt von 22 Scheffeln Aussaat 7 Wispel und 8 Scheffel, von einem Scheffel Aussaat also acht Scheffel Gewinn, das heißt soviel, wie man heute auf eine normale Ernte von Frühkartoffeln rechnet. Bei Spätkartoffeln wird der zehnfache Ertrag als normal angenommen. Von 1767 – 1778 sind folgende Ernteerträge belegt.

1767: 1 Wispel und 2 Scheffel Aussaat brachten 8 Wispel und 16 Scheffel

1768: 1 Wispel und 6 Scheffel Aussaat brachten 8 Wispel und 10 Scheffel

1769 1 Wispel und 18 Scheffel Aussaat brachten 9 Wispel und 16 Scheffel

1770 1 Wispel und 20 Scheffel Aussaat brachten 10 Wispel und 4 Scheffel

1778 2 Wispel und 4 Scheffel Aussaat brachten 12 Wispel und 19 Scheffel

1768 wird zum ersten Male das Bebauen der Felder mit Kartoffeln erwähnt, die bis dahin immer nur in den Gärten gezogen wurden. Nach dem Bericht des folgenden Jahres „leget sich fast ein jeder auf den Kartoffelbau, welcher nur den geringsten Fleck in einem Garten hat, und der Nutzen davon wird mehr als zu wohl eingesehen. Die Konsumtion (der Verbrauch) dieser Erdfrüchte ist dabei nunmehro dergestalt und stark, dass die vom Lande umher allwöchentlich zur Stadt kommenden Tartüffeln beständigen Abgang haben und die allermehresten Einwohner sowohl geringen als mittleren Standes davon ihre Nahrung und Speise haben.“

Die Einführung der Kartoffel hat sich in der Folge als eine der wichtigsten wirtschaftlichen Maßnahmen erwiesen, die wir der klugen Voraussicht Friedrich des Großen verdanken. Sie lässt sich heute aus unserem Haushalt gar nicht mehr fortdenken und wird viel mehr als früher stets für Mann und Frau und Kind „ein rechtes Magenpflaster“ bleiben, besonders aber, wenn nach der Forderung der Zeit „jeder, welcher nur den geringsten Fleck von einem Garten hat, sich auf den Kartoffelbau leget.

 

Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 10.07.2019, nach Walther Specht