13-Lustbarkeiten in Rathenow

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Apollotheater in Rathenow (1931)
(Fotoarchiv Knackmuss)

„ Dem Vergnügen der Einwohner“, so liest man am Potsdamer Schauspielhaus, das Friedrich Wilhelm II. durch den Baumeister Boumann den Jüngeren errichten ließ, und so hätte auch die Inschrift an dem Rathenower Musentempel lauten können. Denn unsere Stadt hatte vor hundert und weniger Jahren wirklich ein Stadttheater. Es war aber kein städtisches Gebäude, denn aus dem Stadtsäckel öffentlich die Rolle von Mäzenen zu spielen, lag unseren ehrsamen Stadtvätern durchaus nicht, sondern es war ein Privatbau, der in den vielen Jahrzehnten seines Bestehens so mancher Schauspielergesellschaft als Kunststätte gedient hat. Das erste Theaterlokal in Rathenow war wohl das sogenannte Traiteurhaus, später Stadthaus und dann Neustädtisches Rathaus, Ecke Berliner Straße und Paradeplatz. Den oberen Saal hatte schon in der Franzosenzeit der französische General von Lüdge zu einem Theater einrichten lassen, in dem auch in späteren Jahren noch gespielt wurde. Das Theater aber wurde allgemein „Das Haus“ genannt, von dem im Folgenden weiter gesprochen werden soll. Das Theater stand auch noch bis zur Zerstörung durch den Zweiten Weltkrieg, und zwar auf dem Hofe des dem Konditormeister Thonke gehörenden Hauses Berliner Str. 25. Es war zu Wohnungen umgebaut worden. Reste des auf die östliche Wand gemalten Bühnenprospektes wiesen aber auf seinen ehemaligen Zweck hin. Das Gebäude umschloss mit 12 Metern Tiefe und 22 Metern Länge, von der etwa 6 Meter für die Bühne abzurechnen waren, einen Raum, in dem schon 300 bis 400 kunstbegeisterte Leute Platz finden konnten. Nach dem Urteil eines Berliner Herrn „war der Saal recht artig dekoriert, ja, ein Kronleuchter mit Wachskerzen schmückte ihn. Die Dekorationen waren wie die Anzüge zwar nicht prächtig, doch reinlich.“ So war es aber nicht immer, denn im allgemeinen bestanden die wandernden Schauspielergesellschaften noch bis in die neunziger Jahre aus armen Teufeln, die sich schwer durchkämpfen mussten. Ja, es kam nicht selten in Rathenow vor, dass die „Ankömmlinge aus Thaliens Reich“ erst in der Stadt umhergingen, um die Garderobe zusammenzubetteln. Eine Ausnahme machten höchstens die Schauspielerinnen, um deren Gunst sich vielfach die Kavaliere bemühten. „Es strebt ja jede Jungfrau nach einem Liebhaber“, schrieb der Berliner Herr dazu, „warum sollt es nicht die Schauspielerin tun?“ Vor hundert Jahren gab hier der Theaterdirektor C. F. Schimmel mit seiner Truppe vom Februar bis Mai Vorstellungen. Ob diese besucht waren, weiß man nicht. Das „Gemeinnützige Zeitung für Rathenow und die Umgebung“ ließ die Frage offen. Ebenso wenig kann man auf besonders beliebte Schauspieler und „Madames oder Demoiselles“ schließen, die in anderen Jahrgängen des Blattes in Eingesandtes und Gedichten angehimmelt wurden. Dass die Aufführungen aber nicht schlecht gewesen sein können, möchte man wohl daraus folgern, dass Georg Heinrich Eduard Freiherr von Bredow auf Wagenitz sein fünfaktiges Drama „Herzog Heinrich von Braunschweig“ am 29. April 1842 von der Truppe aufführen ließ. Diesem kunstliebenden Freiherrn verdankt auch das schöne Schloss Wagenitz eine Erneuerung. Er ließ es, nachdem er 1845 nach dem Tode seines Vaters die Güter übernommen hatte, ausbauen, wobei er auch, eine Seltenheit in einem Herrenhause, ein kleines Schlosstheater anlegte, auf dem gelegentlich Vorstellungen stattfanden. Zwei Tage nach der Aufführung des Freiherr von Bredowschen Dramas kam noch ein anderer havelländischer Dichter zu Wort. Es war Eduard Wehrmann, dessen packendes vaterländisches Schauspiel „Rathenows Errettung am 15. Juni 1675“ die patriotischen Rathenower mit Hochstimmung erfüllte. Seit 1918 bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg gab es in Rathenow das von Karl Winkler geführte Apollotheater am heutigen Märkischen Platz mit 999 Sitzplätzen und einem ersten Rang. Die Zahl der Sitzplätze war bewusst nach einer preußischen Brandschutzvorschrift gewählt worden, denn ab 1000 Plätze musste zwischen Zuschauerraum und Bühne ein Eisenvorhang installierte werden, der beim Brand beide Räume trennte. Viele weltbekannte Künstler sind in diesem Apollotheater in Rathenow zu Gast gewesen.

 

Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 09.07.2019, nach Walther Specht