Biografie von Georg Heimerdinger (*01.06.1875 - † 05.11.1967)

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Pfarrer in Rathenow von 1907 –1967
Superintendent von 1924 –1951

Er war am 01.06.1875 in Schweidnitz (Schlesien) geboren. Sein Vater war dort Pfarrer an der Friedenskirche. Er selbst schreibt über seine Kindheit: Unser Pfarrhaus lag auf dem weiten herrlichen Friedhof mit großem Vorplatz vor der Kirche, der, mit uralten Linden bestanden, ein Paradies für die große Kinderschar unseres Elternhauses war. 1883 vertauschte mein Vater sein städtisches Pfarramt mit einer Pfarrstelle auf dem Lande. Dort in Groß-Kiegnitz spielten sich meine Knabenjahre ab. Mein Vater unterrichtete uns selbst, wie er überhaupt ein bekannter Pädagoge in Schlesien wurde, zu dem Söhne von Gutsbesitzern gerne ins Haus gegeben wurden, um für das Einjährigen-Freiwilligen-Examen vorbereitet zu werden. Infolgedessen war unser Haus immer gefüllt mit zahlreichen Pensionären. Mit einer Kindheit voll Sonne kann man ein langes Leben haushalten auch im Schatten, sagt Jean Paul.“ 1887 wurde der Vater zum Ortspfarrer der St.-Stephanus-Kirche in Aschersleben im Harz gewählt, wohin die ganze Familie übersiedelte. Dort besuchte Georg Heimerdinger bis 1894 das Humanistische Gymnasium und ging nach bestandenem Abitur (Matura) zum Theologiestudium nach Halle an der Saale. Er setzte dann seine Studien in Berlin fort, wo ihn besonders der Professor Harnack beeindruckte. Außerdem empfand er eine enorme Erweiterung seines Gesichtskreises durch die Metropole Berlin. Lebenslauf 1902

1902 war er Provinzialvikar der Provinz Sachsen in Roklum, wo er die Vertretung eines alten gelähmten Pfarrers übernahm. Roklum gehörte bis 1941 zu Sachsen und kam danach zu Niedersachsen. Er wurde am 28.05.1903 zum Pfarrer ordiniert und erhielt am 01.10.1903 seine erste Pfarrstelle im Dorf Schilligstedt bei Kölleda in Thüringen. Am 19.10.1903 heiratete er in Aschersleben Margarete Tuch (*21.02.1876 – † 30.08.1965). Am 16.06.1907 wurde er in Rathenow als Pfarrer ins sein Amt eingeführt und blieb hier bis zu seinem Tode. Aus seinen Erinnerungen schreibt er bei seiner Abschiedspredigt aus dem Amte: „ Unvergesslich ist mir jener Tag, der 6. Januar 1907, da ich, vom Magistrat der Stadt zu einer Gastpredigt eingeladen, die Kanzel unserer schönen alten St.-Marien-Andreas-Kirche bestieg. Es herrschte ein grimmiger Frost. Die Straßen waren von Glatteis bedeckt, sodass der Weg zu Kirche für die Gemeindeglieder ein Wagnis war. Nur wenige waren daher auch gekommen neben den wahlberechtigten Mitgliedern der Stadtverwaltung. Ich glaubte nicht, dass die Wahl auf mich fallen werde. Und nun habe ich fast ein halbes Jahrhundert Dir, meiner lieben Gemeinde, in Freud und Leid das Wort Gottes zu Trost und Mahnung sagen dürfen. Welch eine Gnade, die mich zu tiefster Beugung unter Gottes Barmherzigkeit treibt!
In unserer St. Marien-Andreas-Kirche hing früher das Bild eines alten Superintendenten, damals Inspektor genannt, des Magisters Veitus, zu deutsch Voigt. Ich habe manchmal in glücklicheren Tagen mit meinen Konfirmanden davor gestanden, wenn ich ihnen die alten Erinnerungsstücke der ehrwürdigen Kirche erklärte. Voigt war Pfarrer und Superintendent in Rathenow während des30jährigen Krieges, der vor 300 Jahren über unser Vaterland und unsere Stadt dahinbrauste und unendlich vieles in Stadt und Land vernichtete. In seinen Zügen trug der Alte, aber noch immer Aufrechte, die Spuren seines Erlebens. Wir ahnten damals nicht, dass noch einmal eine Zeit für Deutschland und unsere Gemeinde kommen werde, kaum weniger furchtbar, vernichtend und langdauernd wie jener unselige 30jährige Krieg. Und nun hat Gottes Ratschluss es gefügt, dass noch einmal einem Pfarrer und Superintendenten eine ähnliche Aufgabe beschieden sein sollte. Schwere Jahre in meinem Amte! Und doch wie reich an Gottes tragender, rettender und segnender Güte!
Von ihr lasst mich heute im Abschiednehmen an Hand unseres Textes reden.“

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Wohnhaus von Superintendent Georg Heimerdinger und
Superintendentur des Kirchenkreises Rathenow
Kirchplatz Nr. 10

1907 war er zunächst als Diakon nach Rathenow angestellt. 1916 wurde er Archidiakon in Rathenow und 1924 war er Superintendent und 1933 Oberpfarrer. 1935 wurde er  nach pöbelhaften Anschuldigungen der Nazis von Rathenow wegen eines Feldgottesdienstes  vor Gericht gezerrt und musste sich mit einem Berufungsurteil  erfolgreich dagegen wehren. Der Prozeß. Am 04.11.1951 emeritierte er und hielt eine bewegende Abschiedspredigt Aber er diente dennoch auch als Emeritus seiner Gemeinde und feierte am 31.05.1953 noch eine Goldenen Konfirmation mit 500 Konfirmanden in der Lutherkirche.

Der Umbau des Gebäudes in der Jahnstraße 1 zur Lutherkirche hat ihn viele Jahre viel Kraft und Energie gekostet.

Er hatte unzählige Rathenower getauft, konfirmiert und getraut und auch im Sterben begleitet. Er hat am 16.07.1957, also 50 Jahre seit seiner Amtseinführung in Rathenow, eine klein Broschüre über die Sankt-Marien-Andreas-Kirche zu deren 700jährigem Bestehen veröffentlicht. Er hatte bis ins hohe Alter seine geistige Frische und körperliche Beweglichkeit behalten und reiste gern, nachdem er seine kranke Frau gepflegt hatte und sie am 30.08.1965 gestorben war. 1966 schrieb er an einen Freund: „ Mir geht es noch immer unverdient gut. Im Juni habe ich eine Reise zu Verwandten nach Kassel unternommen bis zur Edertalsperre, Hohen Meißner und Wildungen,“ und fügte scherzhaft hinzu:“ Den Toren packt die Reisewut, indes im Bett der Weise ruht!“
Er starb am 05.11.1967 in Rathenow. Sein Grabstein befindet sich am Fuße der Auferstehungskirche. Er soll wohl einen Sohn Ernst Heimerdinger gehabt haben. Über ihn ist aber nichts bekannt. Er taucht nur in der Todesanzeige als in München ansässig auf. Weder sein Beruf noch sein Geburts- oder Sterbedatum sind mir bekannt.

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Die Beerdigung erfolgte am 13.11.1967 um 14:00 Uhr von der Evangelischen Fiedhofskapelle aus.

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© Dr. Heinz-Walter Knackmuß, Rathenow 06.03.2019

 

 

Ein alter Kirchenbalken

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Landrat Roger Lewandowski am 01.03.2019
mit einem alten Balken von der Sankt-Marien-Andreas-Kirche

 

Georg Heimerdinger, ein junger Pfarrer aus dem heiligen Schlesien, kam 1907 zu einer Gastpredigt nach Rathenow und bekam die Pfarrstelle. Von 1924 -1951 war er auch Superintendent im Kirchenkreis Rathenow. Als in den letzten Kriegstagen des Jahres 1945 die Kirche in Schutt und Asche versank, weinte er viele Tränen, denn inzwischen war ihm die Sankt-Marien-Andreas-Kirche ans Herz gewachsen. Er wusste schon, dass man sein Herz nicht an irdische Dinge hängen sollte, sondern allein an Gott, aber es tat einfach weh. Er hatte aus den brennenden Holzbalken der alten Kirche ein paar Balken herausgezogen und in der Gemeinde als Erinnerung aufbewahrt. Nun hatte der Landrat des Landkreises Havelland, Roger Lewandowski, die Idee aus altem Holz von der Sankt-Marien-Andreas-Kirche Schreibmaterialien zu fertigen. Am 01.03.2019 nahm er einen Balken aus den Trümmern der alten Kirche in Empfang. Arnim Müller aus Falkensee fertigt edle Füllfederhalter aus unterschiedlichsten Materialien. Ich bin neugierig, ob man aus so altem Holz noch nützliche Dinge herstellen kann?

 

© Dr. Heinz-Walter Knackmuß 01.03.2019