Carolagrün

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Tbc-Heilstätte Carolagrün
1900 - 1965

Erbaut von 1899 bis 1900 durch den Sächsischen Heilstättenverein erhielt die Heilstätte bei der feierlichen Einweihung am 15. Oktober 1900 in Gegenwart der Sächsischen Königin Carola und ihr zu Ehren den Namen Carolagrün. In den 65 Jahren bis 1965 war Carolagrün eine angesehene Tbc-Heilstätte von gutem Ruf, gelegen inmitten erzgebirgischer Wälder des Kreises Aue in einer Höhenlage von 650 Metern als Ortsteil von Schönheide. Heute gehört Carolagrün als Ortsteil zur Stadt Auerbach.
Nach Erweiterungen und Moderniserungen hatte Carolagrün als Frauenheilstätte eine Kapazität von 189 Betten in vier Stationen mit allem erforderlichen Nebengelass und einer medizinischen Abteilung mit Operationssaal, Röntgenabteilung, Labor, Behandlungsräumen für HNO- und Zahnarzt sowie einem ärztlichen Sekretariat mit Untersuchungs- und Sprechzimmern. Damit besaß Carolagrün den Standard einer konservativen Heilstätte mit kleiner und mittlerer Lungenchirurgie.

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Tbc-Heilstätte Carolagrün von der Straße aus

Um das Leben in Carolagrün zu gewährleisten, waren neben ausreichendem Wohnraum für das Personal und deren Familien noch eigene Versorgungseinrichtungen erforderlich wie Heizhaus, Wäscherei, Großküche, Schlosserei, Tischlerei, Stallungen für Pferde und nicht zuletzt eine eigene Kläranlage.

 

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Links ist das Verwaltungsgebäude mit Ärztewohnungen
in den Obergeschossen, rechts ist das Hauptgebäude der
Heilstätte Carolagrün

Das war Carolagrün! Hier fanden die Patientinnen alle Voraussetzungen für einen erfolgreichen Abschluss ihrer Heilverfahren. Sie wurden vom Bahnhof mit der Pferdekutsche abgeholt. Es ging dann durch das Silberbachtal in die dicht bewaldete Gegend von Carolagrün, was allein schon von der Luft des Waldes her ein unvergessliches Erlebnis war. Im Wartezummer hing ein Holzschild, wo folgende Worte eingeschnitzt waren:

Das ist des deutschen Waldes Kraft,
dass er kein Siechtum leidet
und alles, was gebrestenhaft,
aus Leib und Seele scheidet.

Für die meisten Patientinnen begann damit ein ca. einjähriger Aufenthalt in der Waldeinsamkeit Carolagrüns, in welcher sich wohlfühlen konnten. 

 

 

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Rückseite des Hauptgebäudes

Dr. med. Heinz Schaefer hatte seine Tätigkeit in Carolagrün im Jahr 1949 begonnen und war von 1953 bis 1961 der achte Ärztliche Leiter dieser Heilstätte, die vier Jahre nach weinem Weggang als Tbc-Heilstätte geschlossen wurde.

Nach seiner persönlichen Erfahrung mit der Tuberkulose hatte er die richtige Hand für die langwierige Erkrankung und besaß durch seine menschliche Nähe undsein Verständnis das absolute Vertrauen der Patienten. So ließ er die Patientinnen an den Weihnachtsfesten nicht allein, sondern setzte sich an den Flügel und spielte die alten Weihnachtslieder und sprach mit ihnen, denn für Frauen, die zu Weihnachten in der Heilstätte und nicht bei ihren Männern und Kindern sein konnten, war das eine sehr schwere Zeit.

Die Patientinnen dankten es ihrem Arzt und gratulierten ihm zum Geburtstag auf sehr persönliche Weise. Insgesamt waren es 184 Briefe und Dankschreiben, die Dr. Heinz Schaefer von Patientinnen und auch von deren Angehörigen erhalten hat.

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Winter in Carolagrün

Arzt und Patientinnen lebten hier wie in einer großen Familie In guter Atmosphäre und bei einer positiven Einstellung der Patienten konnte die Therapie erfolgreich aufgebaut und auch konsequent durchgeführt werden. Die Grundlage der konservativen Behandlung waren ausgedehnte Liegekuren, vorwiegend in den Liegehallen im Wald, - auch im Winter.
Bei fortgeschrittener Tuberkulose wurde neben Chemotherapie ein chirurgisches Vorgehen erforderlich. So hat Dr. Schaefer in seiner gesamten Zeit in Carolagrün 328 Pneumothoraxanlagen, 286 Thorakokaustiken und 37 Phrenikus-Operationen durchgeführt.

Zugleich leitete Dr. med. Heinz Schaefer eine Tuberkuloseberatungsstelle des Kreises Aue, die in Carolagrün etabliert war, mit einem Einzugsgebiet von ca. 25.000 Einwohnern in vier Ortschaften. In diesem Rahmen wurde das gesamte Spektrum einer Tbc-Beratungsstelle von Röntgenkontrollen bis zu Pneumothorax-Nachfüllungen abgedeckt. Des weiteren führte Dr. Schaefer Sprechstunden für die Bevölkerung durch, ferner Schirmbild-Aktionen, BCG-Schutzimpfungen in den Schulen und die Überwachung silikosegefährdeter Bergarbeiter.

 

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Carolagrün - tief verschneit

Carolagrün hatte somit nicht nur Bedeutung als Heilstätte, sondern auch als Zentrum der umfassenden Tuberkulosebekämpfung.

Als Dr. med. Schaefer sich 1961 als Ärztlicher Leiter der Heilstätte entschlossen hatte, Carolagrün nach 12 Jahren zu verlassen, um ein zweite Facharztausbildung zum Röntgenologen aufzunehmen, war das Bedauern von allen Seiten groß. Besonders schmerzlich aber war die Trennung von den Patientinnen, die ihm zum Abschied ein erzgebirgische Pyramide schenkten und einen Dankesbrief überreichten mit vielen guten Wünschen für den weiteren beruflichen und privaten Lebensweg, signiert mit 113 Unterschriften.

 

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Die Weihnachtspyramide aus dem Erzgebirge
als Abschiedsgeschenk für Dr. med Heinz Schaefer

Dr. Schaefer fiel es schwer, diese Heilstätte zu verlassen, aber letztendlich war die Entscheidung richtig gewesen, so viel Dank und Anerkennung er auch immer für seine verdienstvolle Tätigkeit erhalten hatte. Denn in der Kreisstadt Rathenow des Westhavellandes stellte er sich einer neuen Herausforderung und Verantwortung als Medizinalrat und Chefarzt der Zentral-Röntgenabteilung des Paracelsus-Krankenhauses von 1963 bis zum Erreichen der Altersgenze 1985.

 

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Der Heilstättekomplex Carolagrün mit Kapelle

Carolagrün war ein guter Ort für Tuberkulosekranke nach dem Zweiten Weltkrieg 1939 -1945. Heute ist ein Heilbehandlung durch Medikamente das übliche Verfahren gegen Tuberkulose, die mit modernen Medikamenten schneller und wirksamer bekämpft werden kann. Die Menschenführung bei dieser sehr langwierigen Erkrankung war und ist aber nach wie vor ein wesentlicher Anteil der Therapie.

1965 wurde Carolagrün als Tbc-Heilstätte geschlossen.
1966 - 1995 war Carolagrün nach Übernahme von Patienten der kinderpsychiatrischen Abteilung des Krankenhauses Rodewisch eine stationäre Einrichtung zur Förderung und Pflege geistig behinderter Kinder und Jugendlicher.
Ab 01.01.1996 diente Carolagrün der " Lebenhilfe Auerbach e.V." als Wohnheim und Wohnpflegeheim bis zum 30.06.2000.
Im Jahr 2000 endet die 100jährige Geschichte Carolagrüns als Tbc-Heilstätte, psychiatrisches Krankenhaus und Wohnheim. Während einige ehemalige Personalwohnungen neue Nutzer finden konnten, steht der Heilstättentrakt seither leer.
Unter Denkmalschutz sieht er einer ungewissen Zukunft entgegen.

 

© Copyright : Dr. Heinz-Walter Knackmuß (11.01.2011)