Freundeskreis spendete Säulensteine

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Ein Freundeskreis aus Nordrhein-Westfalen besuchte mit Michael Schönberg am 24.10.2018 die Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow. 1961 war die Gruppe nach Chile ausgewandert und in den Jahren von 2005 - 2016 wieder in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt. In Chile waren sie in die

Fänge der Sekte der "Colonia Dignidad" geraten. Wieder in Deutschland hatten sich in einem Freundeskreis neue Kontakte nach Spremberg aufgetan und Heike Rittel aus Spremberg las am 24.10.2018 im Restaurant "Zum Alten Hafen" aus ihrem Buch "Lasst uns reden: Frauenprotokolle aus der Colonia Dignidad", wo sie Gespräche von Frauen aus der Sekte aufgenommen hat. Ihr Mann Hagen Rittel begleitete sie auf dieser Lesereise und ist in Spremberg als Nachtwächter bei Stadtführungen unterwegs. Die Gruppe begann ihren Rundgang vor der Kirche am Geburtshaus von Pfarrer August Duncker, der als Begründer der Optischen Industrie in Rathenow gilt. Eng verwoben mit der Geschichte der Stadt Rathenow ist das Schicksal der ersten Bischöfin von Norwegen, Rosemarie Köhn, die in Rathenow geboren und in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche getauft wurde. Die Besucher ließen sich die neuen Fenster im Chorraum und den Marienaltar erklären und bewunderten die 2010 neu aufgebauten Kreuzgewölbe im Mittelschiff. Die einmalige Akustik probierten sie selbst aus und sangen den Chorsatz:

 

Großer Gott, wir loben Dich;

Herr, wir preisen Deine Stärke.

Vor Dir neigt die Erde sich

und bewundert Deine Werke.

Wie Du warst vor aller Zeit,

so bleibst Du in Ewigeit

 

Alles,was Dich preisen kann,

Cherubim und Seraphinen,

stimmen Dir ein Loblied an,

alle Engel, die Dir dienen,

rufen Dir stets ohne Ruh:

"Heilig, heilig, heilig zu."

 

Dann kauften sie das Buch über die Sankt-Marien-Andreas-Kirche und spendeten die Säulensteine Nr. 12520  - 12544 (131,00 €) für den Wiederaubau der  Kreuzgewölbe im Chorraum. Der Förderkreis bedankt sich für die Spende.

 

Copyright Dr. Heinz-Walter Knackmuß 24.10.2018

 

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Eine ungewöhnliche Buchlesung

 

Am 24. Oktober hatte der Kulturförderverein Mark Brandenburg zu einer weiteren Veranstaltung in die Rathenower Gaststätte „Zum alten Hafen“ eingeladen. Es ging um das in diesem Jahr erschienene Buch „Lasst uns reden / Frauenprotokolle aus der Colonia Dignidad“. Der Abend wurde zu einem erschütternden und unvergesslichen Erlebnis. Heike Rittel, die Autorin, las und kommentierte Auszüge gemeinsam mit ehemaligen Mitgliedern dieser Sekte, die anfangs in Deutschland, später in Chile ihren Sitz hatte. Es ist kaum vorstellbar, wie es gelingen konnte, Menschen jahrzehntelang, nahezu „lebenslänglich“, in dieser unmenschlichen Isolation zu halten, wie es in dem Buch von Betroffenen geschildert wird. Die Sekte „Colonia Dignidad“ (in der Übersetzung verheißt der Name Wohltätigkeit und Güte) entstand in den Notzeiten nach dem Zweiten Weltkrieg. Da fühlten sich so viele Menschen einsam und hilfsbedürftig, da waren sie bereit, einem sich religiös gebenden Gaukler zu glauben. Sie suchten Seelenheil und erlitten Freiheitsberaubung, Zwangsarbeit, körperliche Misshandlung, sexuellen Missbrauch, totale Entmündigung und Isolation. Man muss das Buch gelesen haben, um zu begreifen, wie das möglich war. … Muss man? Wir leben in Deutschland weitgehend sorglos inmitten einer Welt, die, um einen alten Ausdruck zu gebrauchen, immer wieder aus den Fugen gerät. Wir sind 1 Prozent der Weltbevölkerung. Können wir so tun, als hätten wir mit unseren eigenen Problemen genug zu tun?

Die Geschichte der Menschheit ist auch geprägt von den teuflischen Methoden, die in dem Buch von 15 Frauen individuell unterschiedlich und eindrucksvoll geschildert werden. Man muss geschichtlich nicht besonders gebildet sein, um beim Lesen Assoziationen zuzulassen: die Ketzer-, Hexen- und Judenverfolgungen im Mittelalter, der stalinistische und maoistische Terror, der deutsche Faschismus mit all seiner Unmenschlichkeit … Bis in unsere Tage hofften und hoffen weiterhin die Menschen, in ihrer Lebenszeit friedlich leben zu können. Und zu allen Zeiten ist die Versuchung groß, vor der Not der anderen die Augen zu verschließen. (Wir verzeichnen allein in unserem Land jährlich über 10 000 Selbstmorde, das sind mehr als all die, die durch Verkehrsunfälle, Gewalt und Drogen in einem Jahr ihr Leben einbüßen.) Wir, die Veranstalter der Buchvorstellung und unsere Gäste zögerten zum Schluss zunächst mit dem „Klatschen“, zu sehr waren wir beeindruckt. Aber, nach einer Weile des Besinnens wurde klar: Das war auch ein bereicherndes Erlebnis, trotz der fürchterlichen Einblicke, die uns authentisch gewährt wurden. – Und sogar ein Mut machendes! Wieviel gewachsener Lebensmut gehört dazu, als ehemals völlig hilfloses und unwissendes Menschenkind nun nach Jahren des „Zurechtfindens“ im wirklichen Leben von den Verirrungen zu berichten, zu denen Menschen fähig sind. Wir, die wir zuhörten, können diesen Mut nur bewundern und haben dafür zu danken. Und wir wünschen denen, die sich in diesem Buch äußern, um traurige Wahrheiten zu verkünden, viele Leser. Weitere Lesungen werden in ganz Deutschland stattfinden. Die Teilnehmer können dann noch etwas bewundern: Die Frauen bringen das Kunststück fertig, bei all dem eine warmherzige Atmosphäre zu verbreiten und ihren Mut an die Zuhörer weiterzugeben.

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Peter Kurth, Kulturförderverein Mark Brandenburg, Rathenow 24.10.2018